Hamburger Starverteidiger erhebt in seinem neuen Buch über den Fall Gustl Mollath schwere Vorwürfe gegen Mediziner und Justiz

Hamburg. Das Schreiben ging ihm schnell von der Hand. Es waren vor allem Wut und Bitterkeit über von ihm erlebte Vorgänge in der Justiz, die Gerhard Strates Schaffen beeinflusst und beflügelt haben. Nur etwa sechs Wochen hat der bekannte Hamburger Strafverteidiger gebraucht, um sein Buch über den Fall Gustl Mollath zu schreiben, jenen Mann, der sieben Jahre in Bayern in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht war und dann in einem spektakulären Wiederaufnahmeverfahren freikam. Es ist ein Buch, in dem Mollaths Anwalt sehr harsch insbesondere mit der forensischen Psychiatrie abrechnet, von der Strate unter anderem sagt, sie erscheine in bestimmten Ausprägungen „allenfalls als eine Schmuddelecke der Medizin“.

Etwa 150 Interessierte sind jetzt zu einer Lesung Strates in die Buchhandlung boysen + mauke in der Hamburger City gekommen; viel Applaus gab es für den Vortrag über sein 288 Seiten starkes Buch „Der Fall Mollath – Vom Versagen der Justiz und Psychiatrie“, in dem schon Kapitel-Überschriften wie „Omnipotenzfantasien und Pathologisierungswahn“ oder „Der Seelenbürokrat“ verraten, wie es aus Strates Sicht um Teile der forensischen Psychiatrie bestellt ist. Dazu formuliert der Spezialist für Revisionen und Wiederaufnahmeverfahren unter anderem: „Wenig vertrauenerweckend sind die offensichtlichen Omnipotenzfantasien vieler Apologeten der forensischen Psychiatrie, die von sich und ihrer Profession derart eingenommen sind, dass sie sich eigentlich selbst das Gefangensein in einem geschlossenen Wahnsystem diagnostizieren müssten.“

„Der Fall Mollath ist Kriminalgeschichte, ein Justizmord“, sagt Strate. Gustl Mollath war 2006 wegen ihm angelasteter Delikte, darunter gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung, sowie gutachterlich festgestellter Schuldunfähigkeit von einem Nürnberger Gericht in den psychiatrischen Maßregelvollzug eingewiesen worden. Später kam es zu Vorwürfen gegen Justiz und Gutachter; in einem Wiederaufnahmeverfahren wurde 2014 festgestellt, dass die Einweisung unrechtmäßig war. Der Fall löste eine Debatte über psychiatrische Kliniken aus.

Sehr zu Recht, wie Verteidiger Strate in seinem Buch meint. „Einen Menschen zwischen psychiatrischen Nebelwänden ganz legal verschwinden zu lassen, ist erschreckend einfach: Werden die Weichen in der richtigen Weise gestellt, ist ein Entrinnen kaum noch möglich.“ Wie viele Menschen „aufgrund leichter Straftaten oder Falschbeschuldigungen auf unbestimmte Zeit“ in geschlossenen Anstalten sitzen, könne „nur vermutet werden“. Gutachter, deren Expertisen nach seiner Überzeugung leichtfertig und selbstherrlich angefertigt worden seien, nennt Strate namentlich, er spricht unter anderem von einem Gutachten, in dem bestimmte Darstellungen den Eindruck erweckten, als „sollten sie ein bereits vorgefasstes Ergebnis lediglich bestätigen“.