Schulleitungen vertreiben Unterschriftensammler – das Elternbündnis sieht seine Verfassungsrechte verletzt.

Hamburg. Die Elterninitiative „G9-Jetzt-HH“, die derzeit im Rahmen eines Volksbegehrens Unterschriften für eine Rückkehr zur längeren Schulzeit an Gymnasien (G9) sammelt, fühlt sich von Schulleitungen und einzelnen Lehrern stark behindert. Immer wieder erlebten es ihre Mitstreiter, die Eltern morgens vor Schulen auf öffentlichem Grund um ihre Unterschrift bitten, dass Schulleiter oder andere Pädagogen herauskämen und sie „in aggressiver Weise“ aufforderten, sich zu entfernen, klagt Mareile Kirsch, Sprecherin der Elterninitiative. Diese Einschüchterung zeige bereits Wirkung: Mütter, die sich in dem Volksbegehren engagierten, hätten schon Angst, allein vor Schulen zu stehen, dort mit Eltern zu sprechen oder Unterschriften zu sammeln, so Kirsch. „Die Vorfälle sind eine Verletzung unserer verfassungsmäßigen Mitbestimmungsrechte. Unterschriftensammeln bei Betroffenen auf der Straße ist ja gerade die Kernaufgabe bei einem Volksbegehren.“ Die Initiative hat sich von der Landeswahlleitung nochmals ausdrücklich bestätigen lassen, dass sie auch vor Schulen auf öffentlichem Grund stehen dürfen. „Das laufende Volksbegehren wird durch das Verhalten der Schulleitungen massiv behindert, zumal Eltern ja die Zielgruppe unseres Volksbegehrens sind“, so Kirsch.

Sie nennt mehrere Beispiele von Grundschulen, an denen Unterschriftensammler von Schulleitern aufgefordert worden seien abzuziehen. Auch als ihre Mitstreiter vor dem Gymnasium Eppendorf Flyer verteilt haben, sei die dortige Schulleiterin Maike Languth herausgekommen und habe sie aufgefordert zu erklären, warum sie ausgerechnet vor ihrer Schule stünden. Languth sagt, sie habe sie lediglich freundlich begrüßt und gefragt, ob sie auch einen Flyer haben könne. Die Elternratsvorsitzende Ulrike Langerbeins drückte den G9-Befürwortern allerdings – wie sie selbst bestätigt – „ihr Missfallen“ aus, weil diese Eltern bedrängt hätten. Als Kirsch ihr daraufhin mangelndes Demokratieverständnis vorwarf, erklärte Langerbeins, ein demokratischer Prozess habe an der Schule bereits stattgefunden, als sich die Schulkonferenz mit Mehrheit gegen eine Rückkehr zu G9 ausgesprochen habe.

Der Schulbehörde selbst wirft Kirsch vor, die Lehrer gegen das Volksbegehren beeinflusst zu haben. Immer wieder erklärten Lehrkräfte unterschiedlicher Schulen den Unterschriftensammlern, sie dürften als Beamte nicht unterschreiben, sondern müssten neutral bleiben – auf Anweisung der Schulbehörde.

Das könnte ein Missverständnis sein, vielleicht auch an einigen Schulen: Tatsächlich gibt es einen solchen Brief, und er liegt dem Abendblatt vor. Der Leiter des Amtes für Bildung in der Behörde, Norbert Rosenboom, hatte ihn am 29. August an die Schulen verschickt, nachdem sich die Initiative über einseitige Parteinahme und Banner der G9-Gegner an den Schulen beklagt hatte. „In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass das Sammeln von Unterschriften für eine der Initiativen auf dem Schulgelände oder bei schulischen Veranstaltungen den Schulfrieden stören kann und deshalb unzulässig ist“, schreibt Rosenboom darin. „In diesen Belangen haben Bedienstete im Dienst einseitige Bekundungen zu unterlassen und im Übrigen amtsangemessene Zurückhaltung zu üben.“ Das beziehe sich selbstverständlich nur auf Lehrer in ihrer Amtsfunktion, sagt Behördensprecher Peter Albrecht. Ob sich ein Lehrer privat für die Initiative engagiere, für ihr Anliegen werbe oder die Liste unterschreibe, sei davon gänzlich unbenommen.

Dessen ungeachtet zieht Kirsch eine Woche vor Ablauf der Frist für das Volksbegehren eine positive Zwischenbilanz. „Für uns läuft es richtig gut“, sagt die zweifache Mutter. Die Unterschriftensammler bekämen sehr viel Unterstützung von den Bürgern, die sie ansprächen. Besondere Sympathie gebe es bei den Eltern von Grundschulkindern. „Teilweise unterschreiben 80 Prozent derjenigen, die wir ansprechen.“ Wie viele Sammler für die Initiative unterwegs sind, will sie weiterhin nicht verraten.

Bis zum kommenden Mittwoch haben sie und ihre Unterstützer Zeit, mindestens 63.000 Unterschriften zu sammeln. Vor Ablauf der Frist um Mitternacht gibt es an diesem Abend in der Kampagnenzentrale an der Steintwiete die „Lange Nacht des Unterschreibens“. Ob die Zahl am Ende reichen wird, mag Mareile Kirsch nicht vorhersagen. „Das hängt vom Rücklauf der Unterschriftenlisten ab und davon, wie sehr sich die Eltern jetzt noch engagieren.“