Der umstrittene Ex-Parteisprecher Bülent Ciftlik will wieder in die Bürgerschaft. Rund 70 Unterstützer sollen den Listenplatz sichern. Ihre Beitrittsanträge werden nun streng geprüft.

Hamburg. Zunächst waren es Gerüchte – nun wird es immer klarer: Der umstrittene ehemalige Sprecher der Hamburger SPD, Bülent Ciftlik, will wieder in die Bürgerschaft einziehen. Für dieses Vorhaben hat er nun offenbar Freunde und Bekannte aus der türkischstämmigen Gemeinde mobilisieren können. Die SPD in Altona, der Kreis, in dem Ciftlik antreten will, verzeichnet massenhaft Anträge für die Aufnahme in die Partei.

Die Unterstützer, so die Hoffnung, sollen den 42-Jährigen bei der parteiinternen Wahl am 6. September auf einen aussichtsreichen Platz hieven. Doch die Sozialdemokraten in Altona sind alarmiert. Kreis-Chef Mathias Petersen kündigt an, die Anträge „kritisch“ zu hinterfragen. Eine Reihe von Anträgen soll bereits abgelehnt worden sein. Nach Abendblatt-Informationen sind in den vergangenen drei Wochen rund 70 Mitgliedsanträge bei der SPD eingegangen – mutmaßlich alle von Unterstützern von Ciftlik.

Zum Vergleich: Normalerweise verzeichnet die SPD in Altona gerade einmal 60 Aufnahmeanträge in einem ganzen Jahr. In einem Fall soll ein Parteimitglied sogar mehr als 33 Anträge in der Parteizentrale abgegeben haben mit dem Hinweis, er habe die Antragssteller geworben. Auffällig ist auch: Alle neuen Anträge sind für jene Distrikte gestellt worden, die sich im Wahlkreis 3 befinden. Genau in jenem Wahlkreis, für den Ciftlik kandidieren möchte. Wie die „Bild“-Zeitung berichtete, habe Ciftlik sogar die für die Aufnahme in die Partei zuständigen Distriktchefs angerufen. Er soll ihnen mitgeteilt haben, dass er wieder für die Bürgerschaft kandidieren wolle und dafür Unterstützer habe. Diese könnten, so sie in die SPD aufgenommen würden, auch die Distriktchefs unterstützen. Ciftlik selbst war für eine Stellungnahme am Donnerstag nicht zu erreichen.

Normalerweise würden sich Parteien in Zeiten schwindender Mitgliederzahlen über den Andrang freuen. Nicht aber dann, wenn dahinter eine gezielte Beeinflussung vermutet wird. „Ich habe die Distriktvorsitzenden gebeten, diese Anträge kritisch unter die Lupe zu nehmen, damit es bei der Wahlversammlung im September nicht zu Manipulationen kommt“, sagt Kreischef Petersen. Das bedeutet: keine Aufnahme, wenn ein Bezug zu Ciftlik herzustellen ist. Die Anträge werden also abgelehnt, wenn klar ist, dass es dem Antragssteller nicht darum geht, sich in der Partei zu engagieren, sondern der Eintritt nur der Wunsch eines anderen ist, damit dieser unterstützt wird. Eine Ablehnung ist allen Parteien möglich. Damit sollen Parteien verhindern können, unterwandert zu werden. „Eine Partei muss durch die Aufnahme oder die Ablehnung von Personen die Möglichkeit haben, ihr Profil zu schärfen“, sagt SPD-Landesgeschäftsführer Tim Petschulat.

Gerüchteküche brodelt seit einigen Wochen

Anfang Juli waren erstmals Gerüchte um eine mögliche Rückkehr Ciftliks in die Politik bekannt geworden. Der ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete hatte der Landespartei mitgeteilt, dass er wieder als aktives Parteimitglied geführt werden wolle. Das Parteiausschlussverfahren gegen ihn war im vergangenen Jahr vor dem Kammergericht Berlin gescheitert. Der SPD-Bundesvorstand hat daher Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingelegt. Dort liegt es nun.

Ciftlik, der einstige Hoffnungsträger der Hamburger SPD, war nach einer Reihe von mutmaßlichen Straftaten und Eskapaden in Ungnade gefallen. Unter anderem soll er eine Scheinehe angestiftet haben. Bereits im Juni 2010 wurde er deshalb verurteilt, weil er seine Ex-Freundin überredet haben soll, einen türkischen Bekannten zu heiraten. Ciftlik hatte gegen den erstinstanzlichen Schuldspruch Berufung eingelegt. Er muss sich darüber hinaus aber noch wegen neun weiterer Straftaten verantworten, darunter Körperverletzung, Wahlfälschung und Anstiftung zur Urkundenfälschung. Die Verfahren wurden zu einem einzigen zusammengefügt. Doch der Prozess war vor gut einem Jahr nach 16 Monaten geplatzt. Ciftlik saß wegen eines angeblichen Autounfalls monatelang in Indien fest. Möglicherweise wird der Prozess Ende dieses Jahres neu aufgenommen.

Derweil hat die SPD nicht nur in Altona mit einer Eintrittswelle zu kämpfen, sondern auch in Harburg. Dort herrscht schon seit geraumer Zeit ein großer Richtungsstreit. Auch dort sollen die Kandidaten für die Bürgerschaftswahl aufgestellt werden, und auch dort verzeichnen die Sozialdemokraten vermehrte Beitritte. Ein Phänomen, das die Harburger Genossen bereits im Frühjahr vor der Bezirksversammlungswahl beschäftigt hat. Bei der Kür der Kandidaten hatten einige Sozialdemokraten in ihren Distrikten Mitglieder angeworben, die ihnen mit ihren Stimmen gute Listenplätze sichern sollten.

So kam es, dass bei der Abstimmung über die Kandidaten im Distrikt Harburg-Mitte der bis dahin relativ unbekannte Martin Celik den langjährigen Fraktionschef in der Bezirksversammlung, Jürgen Heimath, von Platz eins verdrängte. Solche Manöver um gute Listenplätze haben die Harburger SPD Anfang des Jahres in eine ihrer schwersten Krisen gestürzt.