Senat will Stadtteile wie Hamm und Horn für Wohnungsuchende attraktiver machen. Zustimmung von der Opposition

Hamburg. Für Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ist die Entwicklung des Hamburger Ostens eine Aufgabe für die nächste Dekade. Sie könne sich angesichts des Wachstums der gesamten Stadt allerdings auch sehr beschleunigen, glaubt er. Nachdem in den 70er- und 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts zunächst die sogenannte innere Stadt entwickelt wurde und Stadtteile wie Eimsbüttel und Altona profitierten, richtete sich dann mit dem Sprung über die Elbe der Blick gen Süden – auf die neu entstehende HafenCity und weiter nach Wilhelmsburg und auf die Veddel. Jetzt soll die Stadtentwicklung auch den Osten einschließen.

Nach dem Krieg waren die Quartiere dort mit den typischen roten Backsteinbauten aufgebaut worden, die ihr Bild prägen. Bis heute fristen die Quartiere überwiegend ein Schattendasein, auch wenn zunehmend junge Familien und Studenten wegen der noch niedrigen Mieten nach Hamm oder Horn ziehen. Es gibt aber auch mehr Armut als in anderen Stadtteilen. In Rothenburgsort beispielsweise lebte Ende 2012 fast jeder Dritte von Sozialleistungen.

„Wenn die HafenCity an den Elbbrücken ankommt, müssen wir dafür sorgen, dass die Kraft, die aus dieser Entwicklung entsteht, sich nach Süden und Osten weiterverbreitet“, so Scholz. Der Senat sei derzeit dabei, konkrete planerische Vorstellungen zur Stärkung der östlichen Stadtteile zu entwickeln. Scholz legt Wert darauf, dass dabei der Grundsatz „Aufwerten ohne zu verdrängen“ gilt. Man wolle, dass die Stadtteile im Osten attraktiver würden und viele Menschen hier für sich ein neues Zuhause entdeckten – ohne Nachteile für die bereits dort lebenden Hamburger. „Es ist sehr plausibel, dass das klappt, wenn wir uns Mühe geben“, so Scholz. „Und wir geben uns Mühe.“

Während der Senat derzeit die strategischen Leitplanungen für den Osten konzipiert, soll ein „Bündnis für Quartiere“ konkrete Maßnahmen zur Aufwertung der Quartiere entwickeln. Das städtische Wohnungsunternehmen Saga GWG wird in Zusammenarbeit mit Genossenschaften, privaten Bauunternehmen, dem Bezirk Mitte und der Wirtschaftsförderung einzelne Projekte entwickeln. Im Sommer will das Bündnis sein Programm vorstellen. Ziel ist es, „in innenstadtnahen und bislang weniger im Fokus stehenden Quartieren wie Rothenburgsort oder Hamm Wohnungsneubau im Rahmen einer nachhaltigen Quartiersentwicklung zu realisieren“, hieß es. Geplant ist zunächst ein Pilotprojekt für Rothenburgsort und im Süden Hamms. Scholz sieht keinen Grund zur Sorge, dass es trotz des massiven und schnellen Wohnungsbaus derzeit in Hamburg zu städtebaulichen Sünden wie in den 1960er- oder 70er-Jahren kommen könnte. Es gebe eine gute Baukultur in Hamburg, außerdem würden so gut wie keine vollständig neuen Großsiedlungen ins Grüne gebaut, sagte Scholz. Von Ausnahmen wie beispielsweise der Neuen Mitte Altona abgesehen würden neue Wohnungen meist in bereits voll entwickelten Quartieren gebaut. Sein wichtigstes Ziel sei es, „dass auch alle in unserer Stadt einen Platz haben, die hier leben wollen“.

CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich begrüßte am Sonntag den Vorstoß von Scholz in der Sache. Entsprechende Pläne fänden sich allerdings auch in einem Konzept, das die Christdemokraten im Februar verabschiedet hatten. Das werde sogar konkreter und fordere den Bau von bis zu 20.000 neuen Wohnungen in hoch attraktiver, innenstadtnaher Lage im Osten. „Den wichtigsten Impuls hat die Internationale Bauausstellung geliefert“, sagte Wersich. Es sei aber gut, dass der Bürgermeister dies nun auch erkannt habe. Der Sprung über die Elbe sei allerdings keineswegs abgeschlossen, sondern müsse parallel vorangetrieben werden. Daran hapere es, wie sich insbesondere am Harburger Binnenhafen und in Neugraben-Fischbek zeige, sagte Wersich.

„Durch Verdrängung aus den anderen Stadtteilen passiert im Osten Hamburgs schon eine Menge. Trotzdem ist es richtig, diesen Teil der Stadt jetzt mehr in den Blick zu nehmen“, sagte Katharina Fegebank, Landesvorsitzende der Grünen und Bürgerschaftsabgeordnete. Sie forderte aber eine „langfristige Strategie, die auch tatsächlich das soziale Gefüge und die örtlichen Gegebenheiten nach der teilweise verfehlten SPD-Stadtplanungspolitik der 70er-Jahre berücksichtigt“. Nur Bauen allein funktioniere nicht, man müsse die Menschen vor Ort einbeziehen.

Fegebank forderte auch, aus den Gentrifizierungsentwicklungen auf St.Pauli, im Schanzenviertel und Ottensen zu lernen. Zudem sei auch der Sprung über die Elbe noch lange nicht vollzogen, die Stadtplanung dürfe den Süden nicht aus dem Blick verlieren.

Heike Sudmann, Abgeordnete der Linken, ist skeptisch: „Wohnungsneubau und Aufwertung ohne Verdrängung? Das ist nur eine verbale Beruhigungspille, solange Scholz die soziale Infrastruktur weiter plattmacht und die Armut in Hamburg ausblendet.“