Die Entwicklung von Stadtteilen wie Hamm, Horn oder Rothenburgsort ist eine gute Idee, braucht aber ihre Zeit

Erfolgreiche Stadtentwicklung ist ein komplizierter und langwieriger Prozess, der – das haben die vergangenen Jahrzehnte gezeigt – nur bedingt von „oben“ verordnet werden kann. Wenn Bürgermeister Olaf Scholz sagt, in der kommenden Dekade das Augenmerk der Politik auf die Entwicklung von Hamburgs Osten zu richten, so ist das eine wichtige Ankündigung – aber zunächst auch nicht mehr.

Bei der Entwicklung der Stadt den Fokus auf Stadtteile wie Hamm, Horn oder Rothenburgsort zu legen ist eine nachvollziehbare Idee. Sie gehören zu den problembeladenen Gebieten – die Zahlen von Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfängern liegen hier deutlich über dem Durchschnitt. Hinzu kommt, dass Hamburgs Osten in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs großflächig zerstört wurde.

Zugleich wohnen diesen Stadtteilen große Chancen inne. Hammerbrook ist bei Büro suchenden Unternehmen längst kein Geheimtipp mehr. Und wer einmal etwas aufmerksamer am Billebecken entlanggegangen oder mit einem Boot auf den unterschiedlichen Kanälen gefahren ist, dem dürften der Charme und das Potenzial der Gegend nicht entgangen sein.

Zudem ist in Hamburg der Bedarf an lebenswertem Siedlungsraum ungebrochen. Der Zustrom junger Menschen in die faszinierende 1,8-Millionen-Metropole ist ungebrochen. Oft absolvieren sie an der Elbe ihre Ausbildung, studieren hier oder finden anschließend einen gut bezahlten Job. Es liegt auf der Hand, dass viele der Zuwanderer bleiben und eine Familie gründen werden.

Zugleich altert die Bevölkerung der Hansestadt rasant. Spätestens im Jahr 2030 wird jeder dritte Einwohner älter als 65 Jahre sein. Hamburg muss also ein Spagat gelingen. Die Stadt muss wachsen und zugleich lebenswert bleiben. Exzellente Chancen dafür bietet der Osten der Stadt, und diese zu nutzen scheint sinnvoll.

Allerdings liegt in diesem politisch determinierten „Nutzenwollen“ die Gefahr einer – zugespitzt formuliert – Kopfgeburt. Dazu muss man gar nicht auf die Viertel Osdorfer Born oder Mümmelmannsberg verweisen, in die über die Jahrzehnte Hunderte Millionen Euro öffentlicher Gelder geflossen sind, ohne dass die Stadtteile bis heute als attraktiv wahrgenommen werden.

Es reicht der Blick auf Hamburgs Süden, dessen vordringliche Entwicklung zur Jahrtausendwende vom damaligen Finanzsenator Wolfgang Peiner ausgerufen und die vergangenen 15 Jahre finanziell ordentlich gefördert wurde. Es gab eine Internationale Bauausstellung, eine Internationale Gartenschau, ein millionenschweres Förderprogramm für Studenten.

Die Ergebnisse dieses Engagements können sich durchaus sehen lassen. Wer durch das sanierte „Welt-Quartier“ spaziert, wird ein charmantes Wohnviertel entdecken. Großstädtisch geht es im Zentrum Harburgs zu. Und doch gehört Hamburgs Süden nach wie vor nicht zu den von Zuwanderern bevorzugten Stadtteilen. Auch im Norden der Stadt hat sich an der Wahrnehmung wenig geändert, nach der Hamburg an der Elbe endet.

Das spricht nicht gegen eine politische Zielsetzung und millionenschwere Förderung an sich. Es macht lediglich deutlich, dass Stadtentwicklung Jahrzehnte und Freiraum benötigt. So ehrenwert der Anspruch von Olaf Scholz ist, man wolle den Osten der Stadt „aufwerten ohne zu verdrängen“. In letzter Instanz ist diese Formulierung eine Worthülse.

Wer beispielsweise die Ufer des Billebeckens umgestalten will, wird sich mit der Wirtschaft auseinandersetzen müssen, die dortige Gewerbeflächen verteidigen wird. Wer den Osten entwickeln will, wird Investoren benötigen, die nicht nur Sozialwohnungen bauen. Vor allem aber wird ein langer Atem gebraucht. Ein Stadtteil wird nicht dadurch zu einem angesagten Wohngebiet, nur weil das im Rathaus so beschlossen wurde.

Der Autor ist Reporter und berichtet über Themen der Stadtentwicklung