Streitpunkt Elbphilharmonie: Aus den Gesprächen des Bürgermeisters mit den Fraktionschefs ist zu hören, dass vor allem der CDU-Anführer für giftige Atmosphäre sorgte.

Wann genau das alles anfing, lässt sich nicht exakt sagen. Aber vielleicht konnte man es an jenem 1.Februar 2011 schon erahnen. Seinerzeit trat der damalige Zweite Bürgermeister Dietrich Wersich von der CDU vor die versammelte Rathauspresse und kanzelte das Finanzkonzept des SPD-Bürgermeisterkandidaten Olaf Scholz ab: Das sei ja wohl „Verarsche“. Mancher sah in der Wortwahl des sonst so feingeistigen Senators einen Ausrutscher, andere eher eine Bewerbung um das Amt des Fraktionsvorsitzenden für den – mehr als wahrscheinlichen – Fall einer Wahlniederlage. Wenige Wochen später hatte er das Amt und ist seitdem inoffizieller Leiter der Abteilung Attacke der CDU-Fraktion.

Als solcher hat Wersich die Aufgabe, den Senat zu kritisieren und sich als Bürgermeisteralternative zu präsentieren – Format und Ambitionen hat er zweifellos. Das Gehalt auch, denn in der CDU-Fraktion ist es üblich, die Diäten des Fraktionschefs zu verdoppeln, damit er in etwa soviel verdient wie der Bürgermeister. „Augenhöhe“ zu schaffen ist das Ziel. Was sich in Sachen Elbphilharmonie in den vergangenen Monaten abspielte und in der Entscheidung der Bürgerschaft am Mittwoch gipfelte, ging jedoch weit über eine Debatte auf Augenhöhe hinaus und trug Züge einer persönlichen Fehde.

Auch deren Beginn lässt sich nur vage eingrenzen. Nehmen wir den Frühsommer 2012. Da stellte Wersich Scholz in einem Vier-Augengespräch die Vorschläge der CDU für eine Neuordnung des Projekts Elbphilharmonie vor, die auch Verhandlungen mit Hochtief über einen neuen Preis vorsahen. Der Bürgermeister verfolgte damals aber noch den konfrontativen Kurs: Hochtief solle einfach weiter bauen, mehr Geld werde es auf keinen Fall geben – von Wersichs Vorschlägen zeigte er sich daher wenig angetan. Im Ergebnis kam jedoch genau das dabei heraus: Eine Einigung mit Hochtief und ein Nachschlag von 195 Millionen Euro.

Dass andere das schon lange gefordert hatten, die CDU, der Steuerzahlerbund, der Freundeskreis der Elbphilharmonie, darüber sprach Scholz nicht so gern – denn aus seiner Sicht hatte erst seine harte Verhandlungsstrategie inklusive der Drohung mit Kündigung den Durchbruch gebracht. Den sah er vor allem darin, dass Hochtief im Gegensatz zum CDU-Konzept erstmals eine umfassende Garantie für Vergangenheit und Zukunft gegeben habe. Wie dem auch sei: Wersich sah seine Vorschläge nicht ausreichend gewürdigt, empfand das als überheblich und verschärfte die Rhetorik. Scholz pflege einen „autistischen Regierungsstil“, ätzte er im Januar. Und an jenem denkwürdigen 27.Februar 2013 wurde dann offensichtlich, dass da mehr ist als ein inhaltlicher Konflikt. In einer Bürgerschaftsdebatte warf Wersich Scholz fantasielose Politik, „Wählertäuschung“ und einiges mehr an den Kopf und vergab abschätzig die Note: „Ausreichend ist nicht gut genug." Reichlich schräg angesichts der Tatsache, dass kurz zuvor 62Prozent der Wähler in einer Umfrage gesagt hatten, sie würden Scholz wählen. Seine Wirkung verfehlte es jedoch nicht, denn es folgte etwas, was bei dem Politiker Olaf Scholz als nahezu ausgeschlossen galt: Er verlor die Contenance. „Bleiben Sie mir mit Ihren Fantasien vom Halse“, brüllte er geradezu in Richtung Wersich, „wir zahlen noch heute für diese Fantasien, die eine heißt HSH Nordbank, die andere Elbphilharmonie.“

Für den CDU-Fraktionschef war das ein Coup: Ihm ist bewusst, dass die Wahl 2015 ganz überwiegend von der Beliebtheit des Bürgermeisters entschieden wird, die anzukratzen muss sein oberstes Ziel sein. Daher setzte er die Provokationen fort. Als die Verträge mit Hochtief unterschrieben waren, eröffnete Wersich am 24.April die Aktuelle Stunde in der Bürgerschaft gleich mit den Worten: „Herr Bürgermeister, Ihr Umgang mit dem Parlament in Sachen Elbphilharmonie ist inakzeptabel.“ Das bezog sich die kurze Beratungszeit bis zum 30.Juni. Als das Thema am 15.Mai erneut auf der Tagesordnung stand, drehte Wersich unter Hinweis auf den Verzicht der Stadt auf Forderungen gegenüber Hochtief weiter an der Eskalationsschraube: „Olaf Scholz hat die Hamburger belogen.“

Auch Scholz war irgendwann genervt von den persönlichen Attacke

Auch aus den Gesprächen des Bürgermeisters mit den Fraktionschefs ist zu hören, dass vor allem der CDU-Anführer für giftige Atmosphäre sorgte. „Die nöligsten und genervtesten Fragen kamen immer von Wersich“, heißt es. Scholz sei ziemlich genervt gewesen. Selbst CDU-Kollegen rieten ihrem Chef mittlerweile, es nicht zu übertreiben. Da müsse wohl etwas Persönliches zwischen den beiden sein, unkte ein Christdemokrat.

Zum Eklat kam es dann am 14.Juni im Kaisersaal des Rathauses. Obwohl Scholz die Verhandlungen mit Hochtief in der Endphase persönlich geführt und die Ergebnisse auch selbst präsentiert hatte, verzichtete er darauf, bei der Anhörung im Haushaltsausschuss anwesend zu sein. Das entsprach zwar den Gepflogenheiten, dennoch spuckte die Opposition Gift und Galle. „Ich kann nicht verstehen, wovor er Angst hat“, schimpfte Wersich. Eine geschlagene Stunde ging das so, sogar ein Boykott der Sitzung stand im Raume, und der Versuch, Scholz per Antrag herzuzitieren, scheiterte nur an rechtlichen Bedenken der Bürgerschaftskanzlei. In der späteren Befragung von Kultursenatorin Barbara Kisseler war die Atmosphäre dann völlig vergiftet.

Das hielt bis zur Bürgerschaftssitzung am Mittwoch an. Genervt davon, dass sich CDU und Grüne trotz der Hinterlassenschaft ihrer Regierungszeit „vom Acker machen“ (SPD-Fraktionschef Andreas Dressel) und davon, dass auch vier neutrale Gutachter, die die Neuordnung in den höchsten Tönen gelobt hatten, niemanden umstimmen konnten, bemühten sich Scholz & Co gar nicht erst um versöhnliche Töne. „Was machen Sie eigentlich, wenn es gut läuft?“, giftete der Bürgermeister die Christdemokraten an. „Streichen Sie dann Ihre Reden aus dem Bürgerschaftsprotokoll?“ Wersich wiederum begann wie so oft mit den Worten „Olaf Scholz...“ und endete mit „ein dunkles Kapitel“, das noch aufzuarbeiten sei. Einen dritten Untersuchungsausschuss kündigte er zwar noch nicht an – aber eines wurde endgültig klar: Freunde werden die beiden vorerst nicht.