Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) will die festgeschriebene Studienzeit lockern, Lehrkräfte besser bezahlen und ist offen für eine grundlegende Änderung.

Hamburg. Zu starr, zu verschult und nicht immer berufsqualifizierend: Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) kritisiert die umstrittenen Bachelor-Studiengänge an den Hochschulen und zeigt sich offen für eine grundlegende Änderung. So könnte die Studiendauer von bisher festgeschriebenen sechs auf acht Semester erhöht werden. Im Abendblatt plädiert die SPD-Politikerin dafür, die Studiengänge so weiterzuentwickeln, dass sie den Erfordernissen der einzelnen Fächer stärker gerecht werden. Auch sollen der wissenschaftliche Nachwuchs sowie die bisher schlechter gestellten Professoren besser bezahlt werden.

Hamburger Abendblatt: Hat sich die Bologna-Reform als Fehler erwiesen?

Dorothee Stapelfeldt: Der Bologna-Prozess hat dazu geführt, dass sich die europäischen Hochschulsysteme auf eine gemeinsame Entwicklung begeben haben und angleichen. Die Schaffung eines europäischen Hochschulraums ist begrüßenswert. Allerdings hat die Umsetzung in den Ländern und in Deutschland zu vielen Problemen geführt. Diese sollten wir uns vornehmen und Lösungen finden - im Interesse jetziger und künftiger Studenten. Kurz: Wir müssen sehen, was ist, und nicht, was wir gern sehen würden.

Wo hakt es konkret?

Stapelfeldt: In Deutschland wurden die Vorgaben für die Bachelor-Studiengänge sehr statisch umgesetzt. Nach allem, was wir von den Hochschulen hören, funktioniert es aber nicht, diese Vorgaben in allen Fächern gleichermaßen starr anzuwenden. Im Sinne einer besseren Studierbarkeit muss es nicht richtig sein, dass ein Bachelor-Studiengang in allen Fächern sechs Semester umfasst, auf den dann ein viersemestriges Masterstudium aufsetzt. Ich sage ganz deutlich: Der sechssemestrige Bachelor-Studiengang ist für mich kein Dogma. Die Studiengänge müssen so weiterentwickelt werden, dass sie den Erfordernissen der einzelnen Fächer entsprechen. Wenn es beispielsweise in einem geisteswissenschaftlichen Fach besser ist, den Bachelor in acht statt in sechs Semestern zu machen, dann sollte das möglich sein.

Die Hochschulreform sollte die Mobilität der Studierenden in Deutschland, aber auch innerhalb Europas erhöhen.

Stapelfeldt: In Deutschland gibt es keinen Beleg dafür, dass das ausreichend gelungen ist. Wir müssen schauen, an welchen Stellen ein Wechsel oder Auslandssemester in einzelnen Fächern sinnvoll ist - innerhalb des Bachelor-Studiengangs oder beim Übergang zum Master - und die Studiengänge stärker auf diese Möglichkeit ausrichten.

Viel wird darüber diskutiert, ob der Bachelor überhaupt für einen Beruf qualifiziert.

Stapelfeldt: Auch hier gibt es keine einfachen Antworten. Richtig ist aber: Nicht alle Bachelor-Studiengänge sind berufsqualifizierend. In den Ingenieur- und Naturwissenschaften sind sie es zum Beispiel teilweise nicht. Die Studiengänge sind in einigen Fächern so organisiert, dass der Master der eigentliche Regelabschluss ist. Wir müssen in jedem Fach genau schauen, was notwendig ist, damit der Bachelor-Abschluss tatsächlich für den Beruf qualifiziert.

Ein Ziel der Reform war es auch, für mehr Studienabschlüsse und weniger Studienabbrecher zu sorgen. Ist das geglückt?

Stapelfeldt: Es ist sehr schwer, dies anhand der vorliegenden Zahlen zu ermitteln. Wir können jedenfalls nicht zweifelsfrei feststellen, dass es gelungen ist. Doch es ist wichtig, die Studienerfolgsquoten zu erhöhen. Dafür brauchen wir Daten, die zeigen, wo genau im Studienverlauf es hakt. Diese Frage richtet sich auch an die Hochschulen. Studierende haben sehr unterschiedliche Hintergründe. Man muss schauen, ob sie teilweise vielleicht zu wenig Vorwissen mitbringen und zunächst stärker fit für das Studium gemacht werden müssen oder ob die Arbeitslast und die Prüfungsdichte zu hoch sind.

Ist es nicht grundsätzlich falsch, junge Leute erst schneller durch die Gymnasien zu schleusen und dann auch noch an den Universitäten mit sehr zielorientierten, teils verschulten Studiengängen aufs Tempo zu drücken. Geht dabei nicht der Bildungsanspruch baden?

Stapelfeldt: Das ist in der Tat die Gefahr. Wir müssen jungen Menschen mehr Zeit geben und die Freiheit, sich nicht nur auf das eigene Studium zu konzentrieren, sondern auch Impulse aus anderen Lehrveranstaltungen aufzunehmen. Nur so können sich Persönlichkeiten ausbilden.

Sollte man die Reform also zurücknehmen?

Stapelfeldt: Nein. Der Bologna-Prozess bleibt Grundlage der Hochschulentwicklung. Es geht jetzt darum, aus den Erfahrungen und auch den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und innerhalb des Systems die nötigen Verbesserungen anzupacken.

Eine große Baustelle, wo sind die Lösungen?

Stapelfeldt: Ich werde im September in Hamburg zu einer Konferenz zum Bologna-Prozess einladen, an der Hochschulvertreter, Studierende und externe Experten teilnehmen werden, um die Situation zu bewerten und konkrete Lösungsvorschläge zu diskutieren.

Ein anderes Problem: Viele Bachelor-Absolventen bekommen keinen Masterstudienplatz in Hamburg und verlieren Zeit. Sie haben eine Härtefallregelung auf den Weg gebracht, um den Übergang für einige von ihnen zu erleichtern. Das reicht nach Meinung vieler aber nicht aus.

Stapelfeldt: In der Hochschulvereinbarung haben wir das Ziel festgeschrieben, rechnerisch für alle Bachelor-Absolventen der Universität auch ausreichend Masterstudienplätze bereitzustellen. Die Härtefallregelung ist gedacht für Bachelor-Absolventen, die aus besonderen persönlichen Gründen auf Hamburg als Studienort angewiesen sind. Sie sieht hohe Quoten für Menschen vor, die aus sozialen, familiären oder gesundheitlichen Gründen in der Hansestadt weiterstudieren müssen. Das ist die Erleichterung, die wir auf der Gesetzesgrundlage anbieten können.

Wer den Wissenschaftsstandort stärken will, muss den Nachwuchs fördern. Doch 85 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter an den Hochschulen haben befristete Verträge. Viele hangeln sich von Projektantrag zu Projektantrag. Drohen denen, die sich voller Begeisterung für eine akademische Karriere entscheiden, nicht prekäre Beschäftigungssituationen?

Stapelfeldt: Hamburg hat gerade mit Nordrhein-Westfalen eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, mit der gesetzliche Mindestlaufzeiten für befristete Beschäftigungsverhältnisse in der Qualifizierungsphase festgeschrieben werden sollen.

Wir haben außerdem im Herbst 2012 ein Institut beauftragt, die Situation in Hamburg zu evaluieren. Demnächst erwarten wir seinen Bericht. Zudem habe ich eine Arbeitsgruppe mit Hochschulleitungen, Vertretern der Fakultäten und des akademischen Mittelbaus sowie der Gewerkschaften eingesetzt, die eine Art Code of Conduct für die Beschäftigung an Hochschulen entwickeln soll. Es wird darum gehen, Lösungen für die einzelnen Beschäftigtengruppen zu finden. Gegen befristete Verträge, die teilweise projektbezogen aus Drittmitteln finanziert werden, ist im Grundsatz nichts zu sagen. Aber teilweise ist die Befristung sehr kurz und der Projektdauer nicht angepasst. Klar ist, dass es für den wissenschaftlichen Nachwuchs eine gute Perspektive geben muss.

Das Bundesverfassungsgericht fordert, W2-Professoren besser zu bezahlen, weil ihr Grundgehalt für zu niedrig befunden wurde. Wann bekommen sie auch in Hamburg mehr Geld?

Stapelfeldt: Wir sind bei den letzten Berechnungen. Die W2-Professoren werden höhere Gehälter bekommen. Die Leistungszulagen, die die Professoren mit den Hochschulen vereinbaren, sollen zur Hälfte auf die Erhöhung angerechnet werden. Denn wir wollen am Leistungsgedanken festhalten und nicht zur reinen Bezahlung nach Dienstalter zurück.

Stört es Sie eigentlich, dass die Hochschulen bei jeder neuen Aufgabe, die auf sie zukommt, nach mehr Geld rufen?

Stapelfeldt: Ja. Nicht nur dort gibt es eine gewisse Haltung, für jede neue Aufgabe müsse es automatisch mehr Personal oder Sachmittel geben. Es muss jedoch darum gehen, diesen Reflex zu überwinden und neue Herausforderungen auch vor dem Hintergrund anzupacken, dass wir das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts meistern.

Wann geht es endlich los mit dem Bau des Campus an der Bundesstraße?

Stapelfeldt: Beim Neubau am Geomatikum stehen wir kurz vor Fertigstellung der Entwurfsplanung. Wenn alles den Vorstellungen entspricht, wird als Nächstes der Bauantrag eingereicht. Beim MIN-Forum und Informatik ist der hochbauliche Wettbewerb abgeschlossen. Die drei Preisträger haben ihre im Hinblick auf Funktionalität, Fassaden und Einhaltung des Kostenrahmens überarbeiteten Entwürfe im März eingereicht. Diese werden jetzt ausgewertet. Wer den endgültigen Planungsauftrag bekommt, wird in enger Abstimmung mit der Universität voraussichtlich im Juni entschieden.

Und die Sanierung Von-Melle-Park?

Stapelfeldt: Die Raum- und Funktionsplanung ist fertig, und wir sind dabei, konkrete Gebäudenutzungen vorzuschlagen. Danach haben wir eine längerfristige Konzeption, welche Gebäude für welche Nutzung modernisiert werden sollen und was eventuell an zusätzlichen Flächen benötigt wird.

Entdecken Sie Top-Adressen in Ihrer Umgebung: Hochschulen in Hamburg