Der stockendene Ausbau der Kantinen an Ganztagsschulen wird beklagt. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe verteidigt das Konzept.

Hamburg. "Es kann nicht sein, dass es heißt, nach den Sommerferien machen wir Ganztag, aber die Schulkantine kommt irgendwann später." In der Stimme von Jörg Gröndahl, Mitglied im Landeselternausschuss (LEA), liegt Empörung. Dabei ist der schon mehrfach beklagte schleppende Ausbau der Küchen an Grundschulen nur einer der Punkte, die dazu geführt haben, dass der für die Kindertagesbetreuung zuständige LEA Alarm schlägt.

Der massive Umbau gerade der Grundschulen zum Ganztagsbetrieb ist eines der ehrgeizigsten Reformprojekte des SPD-geführten Senats. Die nüchternen Zahlen: Vom kommenden Schuljahr an werden 200 der 204 staatlichen Grundschulen Ganztagsangebote machen. Die meisten Standorte haben das Modell der Ganztägigen Bildung und Betreuung an Schulen (GBS) gewählt, bei dem die Schule mit einem Träger der Jugendhilfe kooperiert. Allein im laufenden Schuljahr sind 45 Ganztagsstandorte hinzugekommen, im Schuljahr 2014/15 werden es mit 75 Grundschulen noch mehr sein.

Aus Sicht des LEA ist dieses Tempo viel zu hoch. "Die Lawine ist losgetreten, aber die Qualität bleibt auf der Strecke", sagt LEA-Mitglied Gröndahl. Selbst an den Schulen, die seit dem Schuljahrsbeginn ihre Kinder ganztägig betreuen, seien die Kantinen vielfach immer noch nicht fertiggestellt. Und schon jetzt sei absehbar, dass es an vielen der neuen Standorte des kommenden Schuljahres ebenfalls so sein werde.

Eltern müssen beim Start von Ganztagsschulen mit Provisorien rechnen

Schulsenator Ties Rabe (SPD) bestreitet den Engpass beim Küchenausbau nicht. "Den Eltern, die an ihren Schulen den Antrag auf Umstellung auf den Ganztag gestellt haben, war aber klar, dass es im Übergang zu Provisorien kommen würde", sagt Schulbehördensprecher Peter Albrecht.

Gründe für die Verzögerung sind die Abstimmungsprobleme mit den Bezirken und anderen Beteiligten bei den Planungen, aber auch Kapazitätsengpässe bei den Baufirmen. "Dann muss Schulbau Hamburg eben außerhalb Hamburgs suchen. Es kann nicht sein, dass es keine Firmen in Deutschland gibt, die Schulküchen bauen", sagt Gröndahl.

Auch dort, wo Mittagessen bereits ausgegeben werden, sieht der LEA Probleme. "An den meisten GBS-Standorten kann von Essenskultur keine Rede sein. Da werden Kinder im Viertelstundentakt durch die Essensausgabe geschleust", sagt Gröndahl.

Der LEA kritisiert außerdem, dass an zahlreichen der neuen GBS-Schulen die Anmeldefrist der Eltern für die Ganztagsangebote schon verstrichen ist, obwohl die konkreten Betreuungskonzepte noch gar nicht stünden. "Wie soll ich mein Kind für einen Kurs anmelden, wenn ich gar nicht weiß, welche Kurse es gibt?", fragt der GBS-Experte des LEA. Eltern seien gezwungen, die "Katze im Sack zu kaufen".

Aus Sicht der Elternvertreter werden die Väter und Mütter nicht ausreichend oder widersprüchlich informiert. So würden Eltern in dem Glauben gelassen, sie könnten ihre Kinder nur um 16 Uhr von den Schulen abholen. "Richtig ist dagegen, dass dies auch nach dem Mittagessen oder um 15 Uhr möglich ist", sagt LEA-Mitglied Lili Gries. Zudem werde zum Teil verbreitet, dass Betreuung und Mittagessen nur zusammen gebucht werden könnten. Dabei sei ausdrücklich vorgesehen, dass es auch sogenannte "Nur-Esser" gebe. Zudem ist aus Sicht des LEA auch fraglich, ob es GBS-Trägern an den neuen Standorten überhaupt gelingen wird, bis zum Sommer genügend Fachpersonal zu finden.

Wegen der massiven organisatorischen Probleme fordert der LEA Rabe auf, den Ganztagsschulausbau zur Chefsache zu erklären. Der Schulsenator erwecke den Eindruck, das Thema sei für ihn bereits abgehakt. "Stimmt nicht. GBS ist längst Chefsache", entgegnet Behördensprecher Albrecht. Alle 14 Tage treffe sich der Schulsenator mit Vertretern der beteiligten Behörden, Ämter und Verbänden.

Dem LEA reicht das nicht. "Wir brauchen ein GBS-Notfallpaket, das mit zusätzlichen Mitteln und zusätzlichem Personal die schlimmsten Probleme abfedert", fordert Gröndahl. Aber die Elternvertreter können sich auch vorstellen, den GBS-Start an problematischen Standorten zu verschieben. "Wenn es für Kitas möglich ist, Hortkinder länger als geplant zu betreuen, sollten sie auf die Krippenbremse treten", so der LEA. Viele Kitas gleichen den Verlust der Hortgruppen durch den Ausbau ihrer Krippenplätze aus.

"Wir gehen bei der Systemumstellung keinen Schritt zurück", sagt der Behördensprecher. Im Prinzip würden aus zwei Hortplätzen drei GBS-Plätze. Der Bedarf für die Kapazitätserweiterung sei vorhanden. "In Einzelfällen kann man sehen, was möglich ist", ergänzt Albrecht. Wichtig sei, dass die Behörde von konkreten Schwierigkeiten vor Ort erführe. Beim Schulinformationszentrum ist speziell für das Thema Ganztagsschulausbau eine Hotline (Tel. 428 99 22 11) eingerichtet worden.