Finanzsenator Tschentscher: Sondereffekte haben den Geschäftsbericht 2011 negativ beeinflusst. Minus auf 713 Millionen Euro gestiegen.

Hamburg. Die finanzielle Lage des "Konzerns Hamburg" hat sich weiter verschärft, zumindest auf dem Papier. Das Minus in der Bilanz ist per 31. Dezember 2011 gegenüber dem Vorjahr von 392 auf 713 Millionen Euro gestiegen. Um diese Summe übersteigen also die Schulden den Wert der gesamten Stadt inklusive ihrer öffentlichen Unternehmen und Beteiligungen. In der Kernverwaltung als größtem Teil des Konzerns ist dieses negative Eigenkapital sogar von 542 Millionen auf 1,7 Milliarden Euro angewachsen.

Die Zahlen gehen aus dem Geschäftsbericht 2011 hervor, den Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) gestern vorgestellt hat. Dieser kaufmännische Jahresabschluss ergänzt seit einigen Jahren die Berichte über den Haushalt der Stadt. Die Konzernbilanz solle den Menschen "bewusst machen, in welcher Vermögenslage sich die Stadt Hamburg befindet", so der Finanzsenator. Und diese Lage sei "besorgniserregend", zumindest auf den ersten Blick.

Tschentscher wies aber nachdrücklich darauf hin, dass das Ergebnis 2011 durch Sondereffekte negativ beeinflusst worden sei, während es 2010 von solchen Effekten noch profitiert habe. Zwei Beispiele: Der SPD-Senat hatte 2011 auf die maroden Schulgebäude 742 Millionen Euro abgeschrieben, ihren Wert also nach unten berichtigt. Das verhagelt nun die Bilanz. 2010 war hingegen die Bilanzierung der Steuererträge so umgestellt worden, dass das Geld zum Zeitpunkt der Forderungserhebung bilanziert wird und nicht mehr zum Zeitpunkt des Eingangs. Folge: Obwohl 2011 deutlich mehr Steuern eingenommen wurden als 2010 ist der Wert in der Bilanz 2011 niedriger als im Vorjahr. Tschentschers Fazit war daher insgesamt positiv: "Bereinigt um Sondereffekte sind die Jahresergebnisse in der Kernverwaltung und in der Konzernbilanz besser als im Vorjahr."

Das rief Kritik der Opposition hervor. "Der Finanzsenator versucht, seine magere Bilanz im Geschäftsbericht 2011 wieder mal mit Sondereffekten und den Entscheidungen früherer Senate zu erklären", sagte Robert Bläsing (FDP). "Über die selbst verschuldete miserable Lage kann er aber so nicht mehr hinwegtäuschen. Für den Jahresfehlbetrag von mehr als 1,1 Milliarden Euro trägt der SPD-Senat die Verantwortung."

Die Finanzexpertin der Grünen, Anja Hajduk, forderte den Finanzsenator zum Gegensteuern auf. "Wir erwarten, dass er darlegt, wie er die finanzielle Entwicklung der Stadt in eine positive Richtung lenken und den andauernden Vermögensverzehr beenden will."

CDU-Haushaltsexperte Roland Heintze nannte die Konzernbilanz "ernüchternd". "Unsere Stadt ist überschuldet. Es ist deshalb Zeit für einen sofortigen Schuldenstopp, um mindestens bei den Zinsausgaben keine weiteren Risiken einzugehen."

Aus Sicht des SPD-Haushaltsexperten Jan Quast zeigt der Bericht, dass "noch erhebliche Anstrengungen vor uns liegen, bis die Staatsfinanzen konsolidiert sind". Derzeit gehe es vor allem darum, den "jährlichen Wertverlust an städtischer Infrastruktur", zum Beispiel an Schulen und im Hafen, durch Investitionen aufzuhalten.

Der Geschäftsbericht unterscheidet grundsätzlich zwei Bereiche: Erstens die Kernverwaltung, darunter fällt alles, was direkt mit staatlichem Handeln zu tun hat, also etwa Behörden, Bezirksämter, Polizei und Feuerwehr. Diese Kernverwaltung wird aus dem Haushalt der Stadt finanziert, der kommende Woche von der Bürgerschaft für die Jahre 2013 und 2014 verabschiedet werden soll und ein Volumen von gut 11,5 Milliarden Euro pro Jahr hat.

Der zweite Bereich ist der übergeordnete "Konzern Hamburg": Er besteht zu gut 80 Prozent aus besagter Kernverwaltung, aber darüber hinaus zählen alle Bereiche mit, in denen die Stadt unternehmerisch tätig ist.

Mit rund 112 000 Beschäftigten ist der "Konzern" der größte Arbeitgeber der Stadt. 67 667 Mitarbeiter gab es Ende 2011 in der Kernverwaltung. Das waren 1004 oder 1,5 Prozent mehr als Ende 2010, was der Senat auf den Personalzuwachs im Bereich Schule und Hochschule zurückführt. Die restlichen 45 000 Mitarbeiter verteilen sich auf die Unternehmen, an denen die Stadt mehr oder weniger direkt beteiligt ist.

Mit einer Bilanzsumme von 65,1 Milliarden Euro hat Hamburg in etwa der Größe eines mittleren DAX-Konzerns. Zum Vergleich: Die HSH Nordbank, die zu gut 40 Prozent der Stadt gehört, hat eine Bilanzsumme von 130 Milliarden Euro, ist also doppelt so groß wie ihr größter Anteilseigner.

Der Konzern Hamburg hat 107 Tochtergesellschaften "voll konsolidiert", also deren Zahlen in seine Bilanz aufgenommen. Darunter sind so bekannte Unternehmen wie der Flughafen, die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA), die städtischen Friedhöfe, die Saga, die Universitäten oder die Staatsoper. Zu den "verbundenen Organisationen", an der die Stadt zwar beteiligt ist, die sie aber nicht in ihren Konzernabschluss integriert, gehören etwa die Alster-Touristik GmbH (betreibt die Alsterdampfer), die HafenCity Hamburg GmbH und das Thalia-Theater, aber auch Dutzende mehr oder weniger unbekannte Firmen. Bei etlichen ist auch kein direkter Hamburg-Bezug zu erkennen, etwa bei der Fulda Bus GmbH oder "IBZ Pankrac" mit Sitz in Tschechien. Insgesamt nennt der Beteiligungsbericht 331 Firmen und Gesellschaften, wovon sich 92 im direkten Besitz der Stadt befinden.