Die angespannte Lage der HSH-Nordbank sorgte unter der Woche für Wirbel. Abendblatt-Redakteur Andreas Dey fasst zusammen.

Gerade einmal zwei Monate ist es her, dass Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) der Stadt ein Rätsel aufgab. Bei der Einbringung seines Haushalts 2013/2014 in die Bürgerschaft wies er "ausdrücklich" auf die Milliarden-Risiken hin, die die HSH Nordbank für die Stadt darstellt. Er wolle die Lage nicht "schönreden". Nur wenige Beobachter haben seinerzeit dechiffriert, welche Botschaft Tschentscher da versteckt hatte. Viele fragten sich angesichts der scheinbar gelungenen Rettung der Bank, warum der Senator wieder die Risiken betonte. Mittlerweile hat sich der Nebel verzogen: Die Lage der Bank ist wegen der EU-Auflagen und der Schifffahrtskrise so angespannt, dass Hamburg und Schleswig-Holstein als Haupteigentümer möglicherweise ihre Garantie wieder von sieben auf zehn Milliarden Euro erhöhen müssen.

Dem Vorwurf, er verharmlose ein Problem, hat der Finanzsenator also wirksam vorgebeugt - was ihm sehr wichtig war, nachdem er selbst zu Oppositionszeiten genau das dem damaligen Finanzsenator Michael Freytag (CDU, "Die Bank ist im Kern gesund") immer vorgeworfen hatte. Dennoch sind die Verhaltensmuster des damaligen und heutigen Senats vergleichbar.

Als es im Frühjahr 2009 darum ging, gemeinsam mit Schleswig-Holstein ein 13 Milliarden Euro schweres Rettungspaket für die HSH zu schnüren, hatte sich Schwarz-Grün sehr darum bemüht, die SPD als größte Oppositionspartei mit ins Boot zu holen. Bis kurz vor der Abstimmung in der Bürgerschaft verhandelte die SPD der Koalition Zugeständnisse ab - zum Beispiel die Begrenzung der HSH-Vorstandsgehälter auf 500.000 Euro. Ein Genosse scherzte später: "Wir hätten denen auch die Abschaffung der Studiengebühren abtrotzen können."

Nun ist die heutige Lage nicht mit der Dramatik des Jahres 2009 vergleichbar, aber auch die SPD nimmt langsam Tuchfühlung zur Opposition auf. Als herauskam, dass HSH-Aufsichtsratschef Hilmar Kopper den Vorstandschef Paul Lerbinger ablösen will, musste die CDU zwar erst noch um ein Gespräch mit dem Finanzsenator bitten. Und das Treffen Tschentschers mit den Finanzexperten aller Fraktionen am 18. Oktober war nach Aussage von Teilnehmern noch wenig ergiebig. Doch als der Senat für diese zurückhaltende Informationspolitik Kritik einstecken musste und kurz darauf auch noch die Nachricht vom erhöhten Garantiebedarf die Runde machte, ging Tschentscher in die Offensive: Am Donnerstagabend bat er die Runde der Finanzexperten am Rande der Bürgerschaftssitzung erneut - und von sich aus - zum Gespräch. Gut eine Stunde saß man im Senatsgehege zusammen, und aus der Opposition hieß es danach, man fühle sich jetzt gut informiert. Wer Unterstützer für eine Entscheidung über Milliarden sucht, muss halt Entgegenkommen zeigen - wobei noch umstritten ist, ob die Bürgerschaft überhaupt zustimmen müsste.

Auch in der Frage, ob der Finanzsenator im Aufsichtsrat der HSH Nordbank vertreten sein sollte, vertritt Tschentscher heute die damalige CDU-Position. Hatte er als Oppositionspolitiker noch Freytag dafür kritisiert, dass er das Kontrollorgan verlassen hatte, ist er nun auch der Meinung, dass die Stadt durch den fachlich unumstrittenen Chef der städtischen Beteiligungsgesellschaft HGV, Rainer Klemmt-Nissen, gut im HSH-Aufsichtsrat vertreten wird. Jedenfalls will er daran vor 2014 nichts ändern. Die CDU reibt ihm den Meinungswechsel immer wieder genüsslich unter die Nase, auch weil sie zumindest aus politischen Erwägungen nichts gegen einen Aufsichtsrat Tschentscher hätte - dadurch würde er mehr Angriffsfläche bieten. Inhaltlich kann sie das kaum fordern. Es war ihr Senator Freytag, der 2009 nach seinem eigenen Ausscheiden aus dem Gremium in einem seltsamen Anflug von Selbstkritik getönt hatte, nun bekomme die HSH "den besten Aufsichtsrat", den sie je hatte.

Nachdem dort zuvor Ministerpräsidentinnen (Heide Simonis, SPD) und Ex-Finanzsenatoren (Wolfgang Peiner, CDU) am Ruder waren, wird die Kontrollinstanz seitdem unpolitisch geführt. Mehr noch: Ex-Deutsche-Bank-Chef Kopper hält wenig von Politikern, und Einmischung in seine Belange mag er schon gar nicht. Dass er Lerbinger ablösen will, stimmte er mit den Ländern nicht ab, sondern "informierte" sie am 11. Oktober nur. Das entspricht dem Aktiengesetz, nicht aber den Erwartungen der Opposition. So musste sich Tschentscher scharfe Kritik dafür anhören, dass er nach eigener Aussage nicht an der Personalie beteiligt war.

Der Senat müsse endlich "aktiv" Verantwortung übernehmen, forderte Anja Hajduk (Grüne). Wobei offenblieb, was sie damit meinte. Vielleicht hatte sie ihren Fraktionschef Jens Kerstan als Vorbild vor Augen. Der hatte Ende 2010 via "Spiegel" gefordert, "alles andere als eine Entlassung" des HSH-Chefs Dirk Jens Nonnenmacher würden die Grünen nicht mehr akzeptieren. Koalitionspartner CDU kuschte, und "Dr. No" musste gehen. Das war mal aktive Geschichtsschreibung.