Hitzige Debatte in der Bürgerschaft über den Haushaltsplan-Entwurf. Finanzsenator Tschentscher verteidigt sein langfristiges Sparkonzept.

Hamburg. Anja Hajduk ist eigentlich eine sehr beherrschte Politikerin. Selbst in der Opposition zieht die frühere GAL-Stadtentwicklungssenatorin die ruhige Argumentation den markigen Worten vor. Umso bemerkenswerter war ihr kurzer Wutausbruch gestern Abend in der Bürgerschaft. "Das ist der Gipfel der Frechheit", wetterte sie gleich zweimal in Richtung des SPD-Senats. Ungewöhnlich scharfe Worte anlässlich eines schlichten Tagesordnungspunktes: "Haushaltsplan-Entwurf 2013/2014".

+++Bürgerschaft: Scharfe Kritik an Doppelhaushalt+++

+++Etat mit 12 Milliarden Euro: Schwerpunkt Kinder und Wohnen+++

Worum ging es? Der SPD-Senat hat ein "Sanierungsprogramm 2020" aufgelegt, mit dessen Hilfe die marode Infrastruktur der Stadt instand gesetzt werden soll. Hajduk verwies darauf, dass dieses Projekt schon vom schwarz-grünen Vorgängersenat gestartet worden war und dass es vorsah, von 2012 bis 2016 etwa 170 Millionen Euro zu investieren. "Das haben Sie zurückgeführt auf 100 Millionen Euro und rühmen sich noch dafür", rief sie. Aus Sicht der Grünen eben "der Gipfel der Frechheit". SPD-Finanzexperte Jan Quast rechnete hingegen mit anderen Zahlen und bestand darauf, dass die SPD mehr Sanierungsmittel einplant als die Vorgänger.

Den Auftakt zu einer insgesamt bissig geführten Debatte hatte Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) gemacht. "Was wir jeden Tag in den Zeitungen lesen, unterstreicht die Notwendigkeit, sich über den Zustand der eigenen Vermögenslage im Klaren zu sein", sagte er bei der Vorstellung seines ersten "eigenen" Doppelhaushalts. Allzu oft hätten Senate die Ausgaben beeindruckend gesteigert, um dann in schlechten Zeiten ebenso spektakulär zu sparen, so Tschentscher. "Diese schwankende, prozyklische Finanzpolitik war wirtschaftlich schädlich und hat uns in eine Verschuldung geführt, für die wir jedes Jahr bis zu einer Milliarde Euro Zinsen zahlen müssen." Der jetzige Senat setze hingegen auf ein langfristiges Konzept. "Die berühmten Giftlisten", so Tschentscher, werde man daher in seinem Etat nicht finden - eine deutliche Kritik am schwarz-grünen Vorgängersenat, den der sozialdemokratische Finanzsenator aber nicht direkt nannte.

Ausdrücklich betonte Tschentscher die Risiken im Haushalt. So sei die HSH Nordbank, für die Hamburg und Schleswig-Holstein immer noch Milliarden-Garantien stellen, noch nicht über den Berg; die historisch niedrigen Zinsen könnten jederzeit steigen und den Haushalt massiv belasten; und nicht zuletzt basiere die Steuerprognose, die dem Etat zugrunde liegt, auf der Annahme, dass das Konjunkturhoch bis 2016 stabil bleibt. Ihm sei hingegen wichtig, "auch damit zu rechnen, dass es anders kommt". In dem Zusammenhang attackierte Tschentscher vor allem die CDU scharf, die in ihrer Regierungszeit "Wetten auf die Konjunktur" eingegangen sei, jetzt schon wieder den positiven Prognosen glaube und ein Vorziehen der Schuldenbremse auf 2015 fordere. "Solche Wetten sollte man nicht in die Verfassung schreiben", so der Finanzsenator.

+++Kommentar: Etat mit Fragezeichen+++

Die Replik von CDU-Haushaltsexperte Roland Heintze fiel entsprechend deftig aus: "Wenn das solide und transparente Haushaltspolitik sein soll, bin ich im falschen Film." Der Etat gefährde den Zusammenhalt in der Stadt, weil der Senat im Sozialbereich spare, um seine Wahlversprechen wie die Abschaffung der Studiengebühren zu finanzieren; er koste unnötig Zinsen, weil auf Kredit die Reserven aufgestockt würden; und er koste Transparenz, weil die Bürgerschaft kaum Einblick habe, wofür diese Reserven genutzt würden.

Heintze nannte das "Politik der vollen Taschen", Robert Bläsing (FDP) sprach gar von einem "veritablen Skandal". Darum geht es: Der Senat hat drei neue Töpfe geschaffen, die 2013 mit insgesamt 510 Millionen Euro gefüllt sind, ohne dass im Detail ersichtlich wird, wofür das Geld verwendet werden soll. So gibt es künftig unter anderem eine "allgemeine zentrale Reserve" von 50 Millionen Euro, über die es in der Finanzplanung des Senats heißt, sie solle "zur Absicherung politisch prioritärer Bedarfe" genutzt werden. Da hätte man auch gleich "für alles" schreiben können, kritisierte Heintze im Vorfeld der Debatte.

GAL-Finanzexpertin Hajduk lobte zwar die langfristige Strategie des Senats zur Haushaltskonsolidierung, warf der SPD aber vor, die Investitionen massiv zurückzufahren. 2008 bis 2011 seien im Schnitt gut 1,2 Milliarden Euro pro Jahr investiert worden, jetzt seien es durchschnittlich nur noch 850 Millionen Euro. Das sei kein Zukunftsprogramm für Hamburg, der SPD-Senat verwalte nur, anstatt zu gestalten.

Zum Vergleich: Der Etat 2013 sieht Ausgaben von 11,8 Milliarden Euro vor, der für 2014 von 11,9 Milliarden Euro. Das Finanzierungsdefizit, also die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben, liegt 2013 bei 580 Millionen Euro und 2014 bei 360 Millionen. Bis spätestens 2019 soll es auf null heruntergefahren werden. Sollte die Konjunktur sich weiter so positiv entwickeln, könnte dieses Ziel schon 2016 erreicht werden.

Auch Norbert Hackbusch (Linkspartei) forderte vom Senat mehr Gestaltungswillen, allerdings mit einem anderen Akzent als die anderen Oppositionsparteien. Damit die "soziale Spaltung der Stadt" nicht weiter voranschreite, müsse der Senat für höhere Einnahmen sorgen, statt die Ausgaben zu kürzen. In dem Zusammenhang appellierte Hackbusch an das Selbstverständnis der SPD: "Sie sind doch eine politische Partei und kein Sparkassenverband!"