Der Hamburger Renn-Club wehrt sich gegen die bundesweite Ausschreibung. Kritik an “Überfall“ des Galopper-Direktoriums wird laut.

Horn. Aller Voraussicht nach wird die Zukunft des Deutschen Derbys nicht auf dem Grasgeläuf, sondern vor Gericht entschieden. Gestern Nachmittag beschloss der Vorstand des Hamburger Renn-Clubs (HRC) einstimmig, mit juristischen Mitteln für den Erhalt des bedeutendsten deutschen Pferderennens zu kämpfen. "Ab sofort wird mit harten Bandagen gefochten", heißt es hinter den Kulissen.

Seit 1869 wird der Wettstreit um das Blaue Band auf dem Hippodrom in Horn ausgetragen. Traditionell zählt das Derby zu den herausragenden Sportereignissen, die Hamburgs Nimbus als Pferdehauptstadt nähren. Früher hielt der Kaiser Hof, später kamen Bundespräsidenten und Kanzler, heute sind Bürgermeister und Senatoren präsent. Doch nun soll Halali für das Derby in Hamburg sein.

Denn per 18. Juli 2012 hat das Galopper-Direktorium in Köln das Rennen überraschend bundesweit ausgeschrieben. Das siebenseitige Schriftstück liegt dieser Zeitung vor und wird nicht nur in Reihen der hiesigen Derbymacher als Affront gewertet. Der HRC beauftragte die Anwaltskanzlei Huth, Dietrich, Hahn am Jungfernstieg, konkrete rechtliche Maßnahmen zu prüfen. Erste Schritte könnten ein Antrag auf Unterlassung oder eine Schadenersatzklage gegen das Direktorium für Vollblutzucht sein.

+++ Derby in Horn - ein Fall für Anwälte +++

Letztlich würde ein Verlust des Derbys auch den vom Senat favorisierten Plan einer Doppelrennbahn in Horn zunichte machen. Grundidee: Aus einem Teil des Verkaufserlöses der jetzigen Trabrennbahn in Bahrenfeld soll eine neue Anlage für Galopper und Traber geschaffen werden.

"Das Derby gehört nach Hamburg. Basta!" sagte HRC-Vize Albert Darboven. "Ich bin besonders im Brass, weil die Aktion extrem stillos ist." Darboven und seine Vorstandskollegen verstehen den in Deutschlands Turfgeschichte einmaligen Akt als "Überfall". Nie zuvor habe es das Direktorium gewagt, einem etablierten Veranstalter ein großes Rennen streitig zu machen oder gar offiziell auszuschreiben. Während der Derbytage im Juli habe man mit den Präsidiumsherren stundenlang beisammengesessen - doch sei kein einziges Wort gefallen.

"Ganz im Gegenteil", sagt HRC-Präsident Eugen-Andreas Wahler, von Haus aus Jurist. Er verweist auf zwei Schreiben. In dem einen spricht der Dachverband Hamburg die Derby-Ausrichtung bei Finanzierbarkeit quasi zeitlos zu. Das andere datiert vom 15. Mai dieses Jahres, stammt vom Boss der einflussreichen Besitzergemeinschaft, Manfred Ostermann, und attestiert den Derbymachern in Horn nur das Beste: "Die Derbywoche in Hamburg ist für alle im Rennsport Aktiven einer der Höhepunkte im Jahr." Die Schaffung einer neuen Rennbahn würde die Position der Stadt Hamburg "als Deutschlands Pferdestadt Nummer eins" fördern und festigen.

Es zählt zu den Rätseln des Streits, dass eben dieser Manfred Ostermann zu den beiden Unterzeichnern der aktuellen Ausschreibung gehört, die an fast alle deutschen Rennvereine geschickt wurde. Beim Erhalt traute HRC-Präsident Wahler seinen Augen nicht: Unter dem Schreiben steht auch sein Name. Doch gesprochen hatte niemand mit ihm. Von der aktuellen Verunsicherung sind auch Sponsoren betroffen. "Der gesamte Galopprennsport erlebt problematische Zeiten mit sinkenden Wettumsätzen", weiß Eugen-Andreas Wahler. "Umso schlimmer, wenn einem aus den eigenen Reihen Knüppel zwischen die Beine geschmissen werden." Bis morgen müssen rivalisierende Rennvereine ihr Interesse am Deutschen Derby 2013 bis 2015 reklamieren. Binnen vier Wochen müssen Pläne, Ideen und Etats eingereicht werden. Und am 10. Oktober will das Direktorium entscheiden. Dann jedoch, sagt Wahler, hätten die meisten Firmen ihren Werbetat für das Folgejahr im Grunde festgezurrt.

+++ Das Derby gehört hierher +++

Im Management des Direktoriums stößt die Aufregung auf Unverständnis. "Es geht uns nicht um den Ort, sondern um die Zukunft und ein starkes Konzept", sagte das geschäftsführende Vorstandsmitglied Andreas Tiedtke. Gefragt seien frische Ideen, um mehr Medienpräsenz, mehr Zuschauer und neue Sponsoren zu gewinnen: "In Hamburg sind die Zahlen seit Jahren rückläufig." Dies sollte jedem zu denken geben. Besonders in München werden die Signale gehört. Baden-Baden fragte zwar schon nach einem städtischen Zuschuss, will aber wohl zugunsten Hamburgs verzichten. Köln und Hoppegarten bei Berlin scharren mit den Hufen, zögern jedoch. Zwar wird dem Hamburger Renn-Club vielerorts Perspektivlosigkeit vorgeworfen, das offene Duell jedoch wird vermieden.

Im Gegenteil: Von Tag zu Tag wächst die Unterstützung für den Verbleib des Derbys in der Hansestadt. "Hamburg steht eine historische Berechtigung für die Austragung des Derbys zu", sagt der einflussreiche Turfmacher Andreas Jacobs. "Daher darf man es nur an einen anderen Veranstalter geben, wenn Hamburg es nicht mehr austragen kann und will." Der Züchter (Gestüt Fährhof) mit Wohnsitz in Harvestehude meint aber auch: "Ich habe Verständnis, wenn der Dachverband die Austragung an gewisse Bedingungen knüpft - zum Beispiel die Infrastruktur auf der Rennbahn." Auch aus dem Rathaus erklang Solidarität. "Das Derby gehört zu Hamburg", sagte Senatssprecher Christoph Holstein. "Hier hat es lange Tradition. Wir sind optimistisch, was das weitere Verfahren angeht."