Union befürwortet Gesetz, das zeitlich befristete Maßnahmen an Brennpunkten erlaubt. SPD spricht sich für stärkere Kontrollen aus.

Hamburg. Soll es ein Alkoholverbot an Brennpunkten der Stadt geben? Im Innenausschuss der Bürgerschaft prallen nach der Anhörung von Experten die Meinungen aufeinander.

"Wir fühlen uns durch die Anhörung bestätigt", sagt der CDU-Abgeordnete Kai Voet van Vormizeele. Gemeinsam mit anderen Abgeordneten seiner Fraktion hatte er bereits im Januar in einem Antrag gefordert, die rechtlichen Grundlagen für ein Alkoholverbot in Hamburg zu schaffen. An mehreren Orten, heißt es darin, hätten sich "Trinkertreffs" etabliert: "Betrunkene lungern herum und urinieren in aller Öffentlichkeit, bepöbeln Reisende und belästigen Passanten." Ein Gesetz, so die Forderung, solle dem Senat erlauben, den Alkoholkonsum an öffentlichen Plätzen zu verbieten. "Es geht uns nicht um ein flächendeckendes Verbot", sagt Voet van Vormizeele. "Aber wir wollen ein Handwerkszeug schaffen für den Fall, dass wir an einem bestimmten Ort Bedarf feststellen."

Die Idee: Zeigt sich an bestimmten Plätzen ein Anstieg an Straftaten und Ordnungswidrigkeiten als Folge übermäßigen Alkoholkonsums, könnte der Senat dort ein zeitlich begrenztes Verbot erlassen.

Martin Schäfer, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sieht einen solchen Gesetzentwurf skeptisch. "Die Juristen haben uns in der Anhörung klar gesagt: Ein solches Gesetz würde gleich wieder einkassiert."

Schon mehrmals haben Städte versucht, ein Alkoholverbot durchzusetzen. In der Freiburger Innenstadt war es von Ende 2007 an in Kraft - und wurde zwei Jahre später gekippt. Ein Jura-Doktorand hatte geklagt, das Alkoholverbot sei eine pauschale Freiheitsbeschränkung, der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof gab ihm recht. Erst im Juli dieses Jahres erklärte das Weimarer Oberverwaltungsgericht das Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen in Erfurt für unzulässig. Die Begründung unter anderem: Für ein solches Verbot müsse es auf Landesebene ein Gesetz zur Gefahrenabwehr geben. Auch in Hamburg weiß man um die Schwierigkeiten. "Aber wenn wir jetzt eigens ein Gesetz schaffen, glauben wir, dass wir rechtssicher wären", sagt Voet van Vormizeele.

+++ Stadt geht Probleme mit Trinkerszene an +++

+++ Hamburg will absolutes Alkoholverbot am Steuer +++

FDP, GAL und die Linke stellen sich gegen ein Verbot. Kritik gibt es nicht nur in der Frage der rechtlichen Machbarkeit. Strittig ist vor allem auch, ob ein solches Verbot überhaupt nötig ist, ob es nicht die Freiheit im öffentlichen Raum zu sehr beschränkt - und ob es die Probleme überhaupt lösen kann. "Wir halten ein Verbot für politisch falsch und ungerecht", sagt Antje Möller, Innenexpertin der GAL. "Man kann nicht in Kneipen das teure Konsumieren erlauben und auf der Straße davor das mitgebrachte Bier verbieten. Wie will man überhaupt entscheiden, welche Straftat alkoholbedingt ist? Außerdem sind es meist nur kleine Gruppen junger Männer, die unter Alkoholeinfluss Ordnungswidrigkeiten begehen, aber ein Verbot trifft alle." Verbiete man in einem Stadtteil Alkohol, wandere das Problem ohnehin einfach woanders hin. "In einer Großstadt wie Hamburg kann man nicht eine Szene auflösen, indem man einen Brennpunkt angeht. Mit einem Verbot wird kein einziger Partyexzess verhindert, und ein Mittel gegen Alkoholkrankheit und Verelendung ist es auch nicht." Die FDP hält das bestehende Ordnungsrecht für ausreichend; wichtiger sei außerdem, die Präventionsarbeit zu stärken.

Als Brennpunkte nennt die CDU momentan etwa den Hauptbahnhof, den Bahnhof Altona, den Harburger Rathausplatz und Bereiche Bergedorfs. Akut wurde das Thema in diesem Jahr auch in der Schanze. Rund um Schulterblatt und Susannenstraße beschweren sich Anwohner über Lärm und Betrunkene, Lärmschutzschilde wurden aufgebaut, die Außengastronomie muss um Mitternacht schließen, doch die Kioske verkaufen Getränke bis spät nachts. Der Bezirk diskutierte daher bereits Maßnahmen wie ein Alkohol- oder Glasflaschenverbot und reduzierte Verkaufszeiten. Derzeit arbeitet er an einem Handlungskonzept. "Letztlich ist unser Spielraum aber gering", sagt Kerstin Godenschwege vom Bezirksamt Altona. Ein Verbot ist nur auf Senatsebene möglich. "Das ist eine Frage der Gleichbehandlung. Man kann so etwas nicht auf der Schanze anders regeln als auf St. Pauli."

Als Alternative, so Martin Schäfer, wäre es denkbar, die Kontrollen zu verstärken - etwa, indem die Bezirklichen Ordnungsdienste über die Grenzen mitarbeiten. Den CDU-Antrag hält der SPD-Mann für zu pauschal. "Man weiß ja gar nicht, wer da verschoben werden soll", sagt er. "Man muss doch unterscheiden zwischen Alkoholikern wie auf dem Hauptbahnhof und Event-orientierten Jugendlichen." Für Alkoholiker könnten Trinkerräume eingerichtet werden, für ganz junge Trinker ist ein Testkäuferprogramm im Gespräch.

Auch in einigen anderen Bundesländern wie etwa Bayern wird zurzeit ein Alkoholverbotsgesetz diskutiert, in München gilt ein Verbot bisher ebenfalls nur im öffentlichen Verkehr. In Sachsen ist ein Gesetz schon eingeführt, dort können Gemeinden ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen und Straßen verhängen, die größten Städte Leipzig und Dresden machen davon aber keinen Gebrauch.

In Hamburg soll nun erst einmal die Anhörung ausgewertet werden. Handlungsbedarf gebe es auf jeden Fall, sagt Andreas Dressel von der SPD: "Aber wir müssen die Fälle differenziert betrachten und uns eng mit den Bezirken beraten." Letztlich gelte es, maßvoll zu bleiben. "Wir sind schließlich noch immer eine Freie und Hansestadt und keine Verbotsstadt.