Große Namen wie Brahmfeld & Gutruf und Beutin müssen am Jungfernstieg weichen. Die hohen Mieten können sich nur Konzerne leisten.

Hamburg. Es ist eine "Verjüngungskur" für den Einzelhandel, die Traditionsgeschäfte alt aussehen lässt: Zunehmend verdrängen auch in der Hamburger Innenstadt internationale Großkonzerne mit ihren Filialen inhabergeführte Läden. Aktueller Fall: Brahmfeld & Gutruf, der älteste Juwelier Deutschlands (gegründet 1743), verlässt in drei Wochen den Jungfernstieg. Auch das Modehaus Beutin, direkter Nachbar des Juweliers an der Pachtstraße, geht Ende Mai. Einziehen wird voraussichtlich ein Apple-Store, für den beide Flächen zusammengelegt werden sollen.

"Unser Vertrag wurde gekündigt, weil die Eigentümer sich von dem neuen Mieter offensichtlich höhere Einnahmen versprechen", sagt Alfred Wurster, Inhaber von Brahmfeld & Gutruf, die am Jungfernsteig auf mehr als 300 Quadratmetern vertreten waren. Derzeit liefen Verhandlungen wegen einer Ladenfläche am Neuen Wall, sagt Wurster. "Wir wollen weiterhin in zentraler Lage präsent sein, aber ob wir dort den Zuschlag bekommen, ist fraglich."

Die Nachfrage sei deutlich größer als das Immobilien-Angebot in Hamburgs begehrten Einkaufsstraßen, bestätigt Bert Pfeffer vom Essener Immobilienunternehmen Brockhoff & Partner, das den Mietenspiegel in mehr als 300 deutschen Städten untersucht hat. "Es sind mittlerweile fast ausschließlich Ketten, die Läden in begehrten Lagen überhaupt noch bezahlen können", sagt Pfeffer, Bereichsleiter Nord bei Brockhoff & Partner. So liege der durchschnittliche Quadratmeterpreis an der Mönckebergstraße für eine Fläche, die zwischen 60 und 130 Quadratmetern groß ist, mittlerweile zwischen 180 und 230 Euro.

Allein deshalb besteht das Abc der Shopping-Meilen längst aus C&A, H&M, P&C. An der Spitalerstraße sind nach Auswertung von Brockhoff & Partner 90 Prozent der Geschäfte Filialen. Was unterscheidet die Einkaufsstadt Hamburg also noch von München oder Oberhausen? "Kleine Geschäfte mit individuellem Angebot sind ohne Zweifel das Salz in der Suppe. Aber für sie wird es in der Tat immer schwieriger, gegen die Riesen zu bestehen", sagt Ulf Kalkmann, Geschäftsführer des Hamburger Einzelhandelsverbandes.

Zum Vergleich: Waren 1979 noch insgesamt 2600 inhabergeführte Fachgeschäfte bei dem Verband registriert, sind es aktuell weniger als 500. "Blickt man nicht nur auf die Mitgliederbetriebe, kann man sagen: Vor 20 Jahren gab es in Hamburg etwa doppelt so viele inhabergeführte Geschäfte wie heute", sagt Kalkmann. Gegen sogenannte vertikale Systeme - also Großkonzerne, die in Fernost fertigen lassen und die Ware direkt hierher schiffen, hätten kleine Läden kaum eine Chance. "Die Wertschöpfungskette ist bei den Großen eine ganz andere, die Rendite viel höher."

Trotz allem seien die Erfolgsaussichten für inhabergeführte Geschäfte nicht schlecht: "Vorausgesetzt, sie können mit Service, Beratung und Kompetenz punkten", so Kalkmann. Citymanagerin Brigitte Engler sieht in der Filialisierung auch einen "Spiegel der Kundenwünsche": "Es gibt viele Einkäufer, die gern in den Läden der Ketten fündig werden." Außerdem werde die Anzahl inhabergeführter Geschäfte oft unterschätzt. "Lenffer, Braun, Unger, Ladage & Oelke, Falkenhagen - das sind nur einige, die in der City sehr erfolgreich bestehen." Entscheidend sei, dass Traditionsgeschäfte sich nicht vor der Moderne verschließen, so Brigitte Engler. "Wichtig ist ein professioneller Internetauftritt. Denn online wird mittlerweile viel verkauft."

Zu den Geschäften, die sich gegen große Anbieter behaupten, gehört beispielsweise der Optiker Belle vue! an der Bleichenbrücke. Inhaberin Karin Stehr hat im vergangenen Jahr gemeinsam mit Tina Benecke vom Juwelier Sönnichsen eine Initiative gegründet, um inhabergeführte Läden besser zu vermarkten. "Wir hatten mithilfe von ,Google Maps' eine Karte erstellt, in der allein 120 Geschäfte eingezeichnet waren." Läden wie Oschätzchen, Hanse-CD oder die Buchhandlung Felix Jud hätten sich sehr engagiert in die Initiative eingebracht. "Mal sehen, wie es weitergeht", sagt Stehr. Was das Erfolgsrezept ist, um als kleiner Laden den Großen zu trotzen? "Ein exakt definiertes Profil, sodass man den Kunden tiefgründiger beraten kann."