Gericht verpflichtet Stadt zur Entschädigung für Mehrarbeit - gehen 1000 Beamte leer aus? Sechs Jahre hatten Bedienstete auf Urteil gewartet.

Hamburg. Das Urteil könnte die Berufsfeuerwehr spalten und die bereits angespannte Lage unter den Beamten verschärfen: Hamburg muss seine Feuerwehrleute nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für rechtswidrige Mehrarbeit entschädigen. Sechs Jahre hatten die Bediensteten auf diesen Richterspruch gewartet - doch er bringt mehr Durcheinander als Klarheit. Denn möglicherweise haben nicht alle Feuerwehrleute trotz geleisteter Mehrarbeit Anspruch auf Entschädigung.

Es geht um Mehrarbeit in den Jahren 1999 bis 2005, die Feuerwehrleute jetzt der Stadt in Rechnung stellen können. Die Nachzahlung wird auf 20 Millionen Euro geschätzt. Noch ist unklar, aus welchem Topf die Innenbehörde diese Summe aufbringen will.

Am Donnerstag hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über insgesamt 23 Revisionsverfahren entschieden, darunter Fälle aus Hamburg und aus Berlin. Um zwei Stunden pro Woche (von 48 auf 50) hatte die Hansestadt die Wochenarbeitszeit im Januar 1999 erhöht, ohne einen Ausgleich zu schaffen. Erst der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg stoppte die 50-Stunden-Woche fünfeinhalb Jahre später wieder - laut europäischem Recht darf die Wochenarbeitszeit 48 Stunden nicht überschreiten. Zu diesem Zeitpunkt hatten die meisten Beamten bereits mehrere Hundert Überstunden angehäuft.

+++ Problemzone Berufsfeuerwehr +++

+++ Einsatzfreudig +++

+++ Hamburger Feuerwehrbeamte bekommen Entschädigung +++

Über die zu leistende Entschädigung folgte ein jahrelanger zermürbender Rechtsstreit zwischen den Beamten und ihrem Dienstherren, der Hansestadt, der nach mehreren Zwischenentscheidungen in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts mündete. Darin heißt es: Die Beamten, die über die zulässige Höchstarbeitszeit Dienst leisten mussten, könnten dafür Freizeitausgleich verlangen. Könne der Dienstherr diese Ausgleichsansprüche nicht erfüllen ohne die Einsatzbereitschaft der Feuerwehr zu gefährden, bestehe Anspruch auf "eine angemessene Entschädigung in Geld" - insgesamt für bis zu 600 Überstunden, nebst Verzinsung. Je nach Besoldungsgruppe könne dies zu Ausgleichsansprüchen von 12.000 bis 15.000 Euro pro Beamtem führen, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts.

Auch wenn das Urteil grundsätzlich und gewerkschaftsübergreifend begrüßt wird, gibt es einen entscheidenden Knackpunkt: Auf volle Entschädigung hoffen dürfen laut Berufsverband Feuerwehr nur die Beamten, die rechtzeitig eine sogenannte Rüge gegen diese unrechtmäßige Mehrarbeit eingelegt hatten. Und die seien mit 768 Widersprüchen in der Minderheit. Rund 1000 Beamte hätten keine oder möglicherweise nur begrenzte Ansprüche, weil sie nicht oder zu spät gegen die Mehrarbeit vorgegangen seien. Grund: Schadensersatzansprüche unterlägen dem Individualrecht. Spannungen seien programmiert.

"Ein rechtlicher Anspruch besteht zwar nicht für alle betroffenen Beamten", sagte der Chef des Berufsverbandes Feuerwehr, Daniel Dahlke, "ein moralischer auf jeden Fall." Er sieht Innensenator Michael Neumann (SPD) und Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) in der Pflicht: "Das jahrelange Herumlavieren muss aufhören. Alle betroffenen Beamten müssen entschädigt werden." 20 Millionen Euro seien für die Stadt eine "machbare Summe".

Die Innenbehörde, die am Donnerstagabend eine ähnliche Hochrechnung veröffentlicht hatte ("Innensenator Neumann: Hamburg wird Ansprüche erfüllen"), wollte sich am Freitag nicht weiter zum Inhalt des Richterspruchs und dessen Auswirkungen äußern. Das schriftliche Urteil werde in drei bis vier Wochen erwartet, sagte die Sprecherin der Innenbehörde, Swantje Glismann. "Die Frage ist, was hat das Gericht genau gesagt?" Erst dann könne genau gesagt werden, wie groß der Kreis der Anspruchsinhaber sei und in welcher Höhe Entschädigung gezahlt werden müsse. Gleichzeitig verwies sie auf eine Entscheidung Neumanns vom März, die bereits unstrittigen Ansprüche auszugleichen, ohne das Urteil abzuwarten. So seien insgesamt bereits 1,5 Millionen Euro an 700 der rund 2400 Feuerwehrleute geflossen.

In einem internen Schreiben der Feuerwehr werden jedoch die Befürchtungen des Berufsverbandes geteilt. Unterzeichnet von Feuerwehr-Chef Klaus Maurer heißt es: "Für den Anspruch nach Treu und Glauben hingegen bedarf es zumindest eines dokumentierten Hinweises bzw. einer Rüge des Beamten, dass er mit der getroffenen Regelung nicht einverstanden ist." Eine Stunde Zuvielarbeit werde zwischen 14,45 und 16,15 Euro entschädigt. "Ob weitere Kürzungen für Krankheiten und Abordnungen vorgenommen werden müssen, wird sich erst aus der Urteilsbegründung ergeben."

Unter den Beamten wurde das Urteil äußerst kritisch aufgenommen. Wie sich die Enttäuschung derjenigen kanalisieren könnte, die sich benachteiligt sehen, zeigte sich bereits am Freitag: 58 Feuerwehrleute meldeten sich krank, mehr als doppelt so viele wie an normalen Tagen.

"Das sind die Maßnahmen des kleinen Mannes", sagte ein Feuerwehrmann. "Jetzt kommt es darauf an, wie der Senat reagiert. Wir wollen keine Zweiklassengesellschaft." Werde nur die Hälfte der Beamten ausgezahlt, würden sich die Kollegen ihre Entschädigung anders zurückholen, sagte er mit Blick auf den Krankenstand.