Heyenn kritisiert schlechte Bezahlung und berufliche Unsicherheit. Ordentliche Professoren dürfen nicht ohne Ausschreibung berufen werden.

Hamburg. Eigentlich war es das Bauchgefühl, das Eike Grossmann zur Japanologie gebracht hat. Ein damals unbekannter Fachbereich, ein gutes Gedächtnis und ein Gefühl für Sprache - genügend Gründe für die heute 35-Jährige, sich für dieses Fach in Tübingen einzuschreiben. "Die richtige Entscheidung", sagt die gebürtige Reutlingerin heute, die seit März 2012 nach Stationen in Tokio und Frankfurt als Juniorprofessorin an der Universität Hamburg angestellt ist. In ihrem Job hat die Wissenschaftlerin im Prinzip die gleichen Rechte und Pflichten wie ordentliche Professoren. Einzige Unterschiede sind eine niedrigere Besoldung, weniger Lehrverpflichtungen und weniger Budget - das, so die Wissenschaftlerin, recht knapp bemessen ist. "Wie gut man mit dem Geld zurechtkommt, hängt sehr davon ab, wie der Fachbereich aufgestellt ist", sagt Eike Grossmann. "Ich habe Glück, kann von vielem profitieren. Aber ich brauche ja glücklicherweise auch keine technische Ausrüstung, wie beispielsweise ein Physiker."

Für Dora Heyenn, hochschulpolitische Sprecherin der Links-Fraktion, sind das keine idealen Bedingungen für wissenschaftlichen Nachwuchs in Hamburg. Aus einer Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage Heyenns geht hervor, dass derzeit 86 Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren an der Universität Hamburg (UHH), der Technischen Universität (TUHH), der HafenCity-Universität (HCU), der Bucerius Law School und der Kühne Logistic University in Hamburg beschäftigt sind. Den größten Anteil machen die Juniorprofessoren an der Uni mit 78 Stellen aus, 27 davon an der Fakultät Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften (MIN-Fakultäten). Sie alle fallen unter die Besoldungsgruppe W1 (3926 Euro). "Damit verdienen die hoch qualifizierten Wissenschaftler ungefähr genauso viel wie eine Realschulkraft", kritisiert Dora Heyenn. "Ich denke nicht, dass das für die Leistung, die sie erbringen, angemessen ist." Ein weiterer Kritikpunkt der Linken ist die Tatsache, dass nach der Statistik des Senats besonders in den MIN-Fakultäten von 27 Juniorprofessoren lediglich sechs weiblich sind. In den Geisteswissenschaften sind von 21 Juniorprofessoren 14 weiblich. "Auch in den Hochschulen sind die Geschlechterrollen offenkundig festgeschrieben", sagt Heyenn.

Um dem entgegenzuwirken, ist die MIN-Fakultät der Uni Hamburg bestrebt, den Frauenanteil an ihren Professuren zu erhöhen. "Juniorprofessorinnen werden dort zusätzlich mit einer halben Mitarbeiterstelle ausgestattet", heißt es seitens des Präsidiums. Grundsätzlich werden an der Uni den Juniorprofessoren je nach Fakultät einmalige Sachmittel in Höhe zwischen 3300 und 27 000 Euro als Erstausstattung zur Verfügung gestellt. "Zudem werden sie jährlich an der Verteilung von Sachmitteln berücksichtigt", so die Hochschule. "Ein Anfang", sagt Heyenn, "nun muss man schauen, ob die jungen Wissenschaftler damit auch arbeiten können."

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Seitens der Wissenschaftsbehörde ist man überzeugt, dass Hamburg mit seinem breiten Fächerspektrum für interdisziplinären Forschungsnachwuchs besonders attraktiv sei. "Darüber hinaus hat Hamburg mit der Landesexzellenzinitiative in den letzten Jahren zahlreiche Graduiertenschulen und Landesexzellenzcluster mit einer Vielzahl interessanter Stellen für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefördert."

Eine Sicherheit, nach einer Juniorprofessur an einem Hochschulstandort bleiben zu können, gibt es jedoch in Hamburg bislang noch nicht. Die Regelung durch einen sogenannten Tenure Track, also die Möglichkeit, einen Juniorprofessor ohne Ausschreibung auf eine ordentliche Professur zu berufen, sieht das Hamburgische Hochschulgesetz nicht vor. Deshalb ist Professor Bernhard Pörksen nach seiner Juniorprofessur in Hamburg im Fachbereich Journalistik und Kommunikationswissenschaft auch an die Universität Tübingen gewechselt und hat dort mittlerweile einen Lehrstuhl im Bereich Medienwissenschaft inne. "So, wie die aktuelle Situation ist, müssen sich die Juniorprofessoren schon viel zu früh wieder in die Bewerbungsmanege begeben und dort nach einer Anstellung im Anschluss suchen", sagt Pörksen. "Das ist für beide Seiten nicht optimal: für den Kandidaten selbst, aber auch für die Universität, die von vollem Engagement lebt." Seitens der Uni heißt es dazu: "Häufig werden Juniorprofessoren noch vor Ablauf von sechs Jahren an andere Hochschulen berufen. Ein solcher Wechsel ist wissenschaftsimmanent sinnvoll und begrüßenswert."

Ob die Japanologin Eike Grossmann nach ihrer Zeit als Juniorprofessorin in der Hansestadt bleiben kann und will, ist noch unklar. Fünfeinhalb Jahre seien noch eine lange Zeit, so die gebürtige Reutlingerin. "Natürlich wäre es für mich persönlich schön, eine gewisse Sicherheit zu haben. Zudem fühle ich mich sehr wohl hier im Institut", sagt Eike Grossmann. "Jedoch ist es schwer, sich bei dieser Frage zu positionieren." Einerseits sei es wünschenswert, wenn eine Kontinuität bestehe, besonders wenn es um die Betreuung von Studierenden oder bei Promotionen gehe. "Andererseits ist es aber vielleicht auch ganz gut, wenn ab und zu mal ein frischer Wind in die ganze Sache kommt und immer mal wieder neue Kollegen ins Institut wechseln."