Am Volkstrauertag gedachten 1000 Gäste im Hamburger Michel der Opfer von Krieg und Gewalt. Stapelfeldt lobte allen voran Kriegsgräberfürsorge.

Hamburg. Wie gedenken Jugendliche 66 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs der Opfer von Gewalt und Terror? Johannes Helmholz vom Jugendarbeitskreis des Hamburger Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge nutzte den gestrigen Volkstrauertag, um sich Gedanken zu dieser Frage zu machen: "Gedenken ist Dialog geworden", sagte er während der Gedenkstunde im Michel. Diese Erfahrung habe er während internationaler Begegnungen junger Menschen an Soldatenfriedhöfen gemacht, wo "Versöhnung über den Gräbern" praktiziert werde.

Dort und in KZ-Gedenkstätten wie Neuengamme würde die Konfrontation mit Einzelschicksalen auch der in Friedenszeiten aufgewachsenen Generation verdeutlichen, welche Gräuel aus Krieg und Gewalt erwachsen. Leid und Gewalt würden regelrecht spürbar. Das habe auch ihn, der 2004 zum ersten Mal eine Jugendfreizeit nahe Verdun verbracht hat, bewogen, die Erinnerung wachzuhalten. Nach anfänglicher Skepsis sei die unmittelbare Nähe zu einem Schlachtfeld, auf dem 1916 mehr als 300.000 französische und deutsche Soldaten starben, sehr eindringlich gewesen.

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Bei sanft einfallender Herbstsonne hörten 1000 Gäste, unter ihnen Innensenator Michael Neumann, die unkonventionellen Gedanken des jungen Kriegsgräberpflegers im Michel. Während der Gedenkstunde von Bürgerschaft, Senat und dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge erinnerte Reinhard Soltau, Vorsitzender des Landesverbandes, an das kostbarste Gut unserer Gesellschaft: den Frieden.

Dorothee Stapelfeldt, Zweite Bürgermeisterin der Stadt, mahnte in ihrer Gedenkrede, dass es keine Freiheit und keinen Frieden ohne Verantwortung gebe. Mit Bezug auf ein Zitat Rita Süssmuths ("Dort, wo Freude ohne jeden Bezug zum Leid, zur Trauer steht, verliert sie ebenso ihren Sinn wie Freiheit ohne Verantwortung") sprach sich Stapelfeldt dafür aus, sich mit den traditionellen kirchlichen Novemberthemen Tod, Zeit und Ewigkeit auseinanderzusetzen, um den Frieden würdigen zu können. Erinnerung müsse wachgehalten werden, um sich der Verantwortung bewusst zu sein.

Überdies lobte Stapelfeldt die reiche Erinnerungskultur in Hamburg, die das gewachsene Verdienst vieler Institutionen und Vereine sei. Allen voran die Kriegsgräberfürsorge, die den 1922 erstmals mit einer Gedenkstunde begangenen Volkstrauertag 1952 wieder etablierte, nachdem ihn die Nazis zum "Heldengedenktag" instrumentalisiert hatten. Es dürfe nicht vergessen werden, welch "perfides System der Unterdrückung und Vernichtung" auch in und um Hamburg während der Nazi-Diktatur vorherrschte. Alle, die umgebracht wurden, weil sie anders dachten, glaubten oder fühlten, seien Mahnung, nicht zu vergessen. In Friedenszeiten auf deutschem Boden erinnerte Stapelfeldt auch an die deutschen Soldaten, die in Afghanistan im Kriegseinsatz sind. Es erfordere das stete Engagement der Demokratie, die richtigen Schlüsse aus der Geschichte zu ziehen.

Bereits am Vormittag hatten Wissenschaftssenatorin Stapelfeldt und die Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit die KZ-Gedenkstätte Neuengamme sowie das Mahnmal für die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung auf dem Friedhof Ohlsdorf besucht, um dort Kränze niederzulegen.

Das Totengedenken der Opfer von Gewalt, Krieg, Verfolgung, Hass und Unterdrückung sprach Carola Veit. Nachklang fand der programmatische Schlusssatz: "Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden ..." Das anschließende Trompetenstück "Der gute Kamerad" von Friedrich Silcher (vorgetragen von Josa Bambirra S. Malich) war würdevolle Ehrung und Mahnung zugleich. Es ging in die Stille des Gedenkens über. Den musikalischen Rahmen der Gedenkstunde gestaltete das Felix Mendelssohn Jugendsinfonieorchester.