Der Senat will Etats um 22,5 Millionen Euro kürzen. Sparpläne könnten Hamburger Behörden zu Streichungen beim Bürgerservice zwingen.

Hamburg. Das sieben Seiten lange Papier aller sieben Bezirksamtsleiter beginnt diplomatisch. "Die Bezirksverwaltung bewegt sich in einem erheblichen Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit, Konsolidierungsbeiträge zu erbringen und bestehende Aufgaben zu erfüllen bzw. Aufgabenzuwächse zu realisieren." Das Papier, das dem Abendblatt vorliegt, richtet sich an den für die Bezirke zuständigen Finanzsenator Peter Tschentscher und Christoph Krupp, den Chef der Senatskanzlei (beide SPD). Doch das, was so scheinbar harmlos eingeleitet wird, ist in Wahrheit ein Alarmruf. Wenn das Sparvorhaben des Senats eins zu eins umgesetzt wird, sind die Bezirke laut Verfasser nicht nur allesamt in spätestens zwei Jahren pleite. Sie seien dann sogar mit gut 40 Millionen Euro in den Miesen.

Lediglich 65 Prozent der Vorgaben könnten sie erbringen. Wesentlicher Bestandteil davon: Die Bezirke erklären sich bereit, kurzfristig 170 Stellen abzubauen. Das würde einer Ersparnis von etwa 8,5 Millionen Euro pro Jahr entsprechen. So lautet ihr Angebot an den Senat. Allerdings will der Senat mehr: 22,5 Millionen Euro sollen es im Jahr 2015 sein.

"Das Ende der Fahnenstange ist erreicht", heißt es aus dem Umfeld der Bezirksverwaltungen. Sie selber haben bis zum Treffen mit Tschentscher und Krupp Stillschweigen vereinbart. Eines der Mittel, das Sparziel zu erreichen, sei eine "neue Standortkonzeption von Kundenzentren".

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Das bedeutet nichts anderes als die Schließung einiger Zentren, von denen es derzeit 21 in Hamburg gibt. Wer also seinen Personalausweis verlängern will, müsste künftig längere Wege in Kauf nehmen. Zur Diskussion stehen zudem die Schließungen von sozialen Dienstleistungszentren. Dies betrifft Bürger, die Wohngeld oder Kita-Gutscheine beantragen wollen. Auch das Aus für Zentren für Wirtschaftsförderung und Bauprüfung wird nach Abendblatt-Informationen erwogen.

Sollten die Vorschläge aus dem Papier umgesetzt werden, kommen auf den Bürger weitere, zum Teil einschneidende Veränderungen zu. Der Kontakt zur Verwaltung würde sich auf Telefon und Internet verlagern. Es soll nicht nur gespart, sondern verdient werden. So ist von einer "Neuorganisation des Bezirklichen Ordnungsdienstes und der Parkraumüberwachung" die Rede. Im Klartext heißt das: Hamburg droht eine "Knöllchenoffensive".

"Ich begrüße deshalb, dass die Bezirke Nein zu der Sparvorgabe sagen", sagt Sieglinde Friess, Fachbereichsleiterin der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Es sei gut, dass die Amtsleiter klarmachten, dass sie mit den vorgegebenen Sparzielen ihre Aufgaben nicht erfüllen könnten. "Die Bezirke werden geschwächt, und deren Beschäftigten haben ihre Belastungsgrenze erreicht."

Eigentlich war ein Treffen der Bezirksamtsleiter mit Tschentscher und Krupp für den 30. September geplant. Es wurde nun auf Ende Oktober vertagt. Dann soll das Papier offiziell übergeben werden. Dennoch wissen die Beteiligten schon jetzt über dessen Inhalt Bescheid, waren doch Mitarbeiter der Finanzbehörde bei der Ausarbeitung dabei. Darin machen die Verfasser zunächst deutlich, dass die Bezirke immer mehr Aufgaben übernommen haben. So wurden etwa der Allgemeine Soziale Dienst und die Arge personell verstärkt. Zudem seien mehrere Aufgaben aus Justiz- und Sozialbehörde übernommen worden.

Und die Aufgaben wachsen weiter. Es werden etwa der neue elektronische Personalausweis, Amtsvormundschaften und die Eingliederungshilfen in dem Papier genannt. Darin heißt es weiter: "Insbesondere im Bereich gesetzlicher Leistungen sind aktuell Bedarfszuwächse zu verzeichnen. Diese stehen im Gegensatz zum verringerten Personalkörper." Weder Senat noch Finanzbehörde wollten sich dazu äußern. Die Sprecher verwiesen darauf, dass die Gespräche mit den Verwaltungschefs noch nicht stattgefunden hätten.

"So kann man den Laden garantiert nicht am Laufen halten", sagt ein hochrangiger Verwaltungsmitarbeiter. Angedacht sind mehrere Varianten bei den Schließungen der Kundenzentren. So könnte lediglich eines pro Bezirk bestehen bleiben. Eine andere Überlegung ist, dass es ein großes, zentrales gibt und daneben etwa zehn kleinere. Sicher ist nur, dass es zu Personaleinsparungen kommen wird. Das ist fast die einzige Möglichkeit der Bezirke, überhaupt zu kürzen. Schließlich sind fast alle Mittel, die sie zur Verfügung gestellt bekommen, für Personal vorgesehen.

Die Verfasser hoffen nun, dass ihr eigener Sparvorschlag Eingang in die Beschlussfassung findet. Schon Ende November wird in der Bürgerschaft über den Haushalt beraten.