Was waren das noch für Zeiten. Damals, als Bürgermeister Ole von Beust (CDU) die Zusammenarbeit zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein in lyrischen Worten als "stattliche Blume" bezeichnete, die sich aus einem "kleinen verbalen Pflänzchen" entwickelt habe. Damals, als die Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis (SPD), Lobeshymnen über von Beust ausschüttete. Von der "Chemie" sprach sie, die zwischen den beiden "einfach stimme" und sie ihn deshalb auch "öfter sehe". Die gemeinsame Kabinettssitzung im Schloss Reinbek im Oktober 2004 gilt noch heute als Inbegriff der Harmonie zwischen den beiden Nordländern. Das war einmal.

Heute weht ein anderer Wind. Und der ist in den vergangenen Wochen zunehmend eisig geworden. Aktueller Anlass ist der Streit um die Windenergiemesse "Husum WindEnergy". Bisher war es die weltgrößte Messe dieser Art. Doch für Schleswig-Holstein ist es eben mehr als eine Messe. Die "Husum Wind" ist d a s Aushängeschild für die Schleswig-Hosteiner, ein Prestigeprojekt. Das hat sich der Landtag auch etwas kosten lassen. Für 15 Millionen Euro entstand im August 2010 mit dem Nordsee-Congress-Centrum Schleswig-Holsteins modernstes Messegelände. Und nun - so befürchten die Schleswig-Holsteiner (nicht ganz zu unrecht) - soll das alles vorbei sein.

Hamburg hat sich, ohne vorher mit den Nachbarn gesprochen zu haben, an einem Ausschreibungsverfahren des Branchenverbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) beteiligt und vor Hannover und Husum gewonnen. Das bedeutet, künftig wird es in Hamburg eine Windkraftmesse geben.

Eine Tatsache, die in der Windkraftbranche zwar zu einem Aufatmen geführt hat - beengte Platzverhältnisse in Husum, Absagen wegen ausgeschöpfter Kapazitäten und eine "katastrophale Infrastruktur" verleideten vielen Unternehmen die Messe mittlerweile. Schleswig-Holsteins Politiker aber war es Anlass zu Proteststürmen. Diese gipfelten am Donnerstag in den Aussagen von Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Jost de Jager, der nun die gesamte Kooperation mit Hamburg infrage stellte. "Wenn die Zusammenarbeit nur darin besteht, dass die eh schon vorhandene Sogwirkung von Hamburg nur noch ausgebaut wird, dann müssen sich eben die Verantwortlichen in Hamburg fragen, ob es sinnvoll ist, diese Zusammenarbeit noch fortzusetzen", sagte de Jager bei Hamburg 1. (Lesen Sie dazu auch den Bericht über die aktuelle Landtagssitzung S. 14.)

Dabei ist die Husum-Messe nur jüngstes Beispiel für das gestörte Verhältnis. Angefangen hat die Störung viel früher. Als Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am 23. März 2011 im Rathaus seine Regierungserklärung verlas, hörte man in Kiel ganz genau hin. Aber das, worauf sie warteten, kam nicht. Weil Scholz den nördlichen Nachbarn nicht ein einziges Mal erwähnte, ging "ein Aufschrei" durch den Kieler Landtag. So beschreiben es Beobachter. Einhellige Meinung der Abgeordneten: "So etwas macht man nicht." Es gehöre "zum guten Ton", den Nachbarn in die Politstrategie mit einzubinden - und dies auch öffentlich zu formulieren. In Schleswig-Holstein nimmt Hamburg traditionell in jeder Regierungserklärung einen Absatz ein.

Tatsache ist: Es war schon immer schwierig zwischen den beiden Nordländern. Ursache ist dafür wohl eine Grundangst, die Heide Simonis einmal so formulierte: "Meine Schleswig-Holsteiner haben Angst, von der Landkarte zu verschwinden." Erfolgreich war die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern nur, wenn der jeweilige Hamburger Regierungschef es verstand, den Kieler Kollegen genau diese Angst zu nehmen. Parteibücher spielten dabei keine Rolle. Gut war das Verhältnis etwas zwischen Uwe Barschel (CDU) und Klaus von Dohnanyi (SPD) in den 80er-Jahren. Als eine "Katastrophe" bezeichnen die Schleswig-Holsteiner noch heute die Zusammenarbeit mit Henning Voscherau (SPD). Weder Björn Engholm (SPD) noch seine Nachfolgerin Heide Simonis kamen mit dem Hanseaten klar. Er galt als "arroganter Hamburger, der auf die Schleswig-Holsteiner herabblickte und zur Bevormundung neigte". Inhaltlich stritten sie um den Transrapid oder eine zusätzliche Elbquerung.

Mit Ortwin Runde (SPD) konnte Heide Simonis dann wieder besser. Er war wohl uneitel genug für sie und suchte nicht den großen Auftritt. So konnte Simonis diesen Part übernehmen, was der Atmosphäre zwischen den beiden Ländern gut tat.

Überhaupt spielen Stimmungen und Atmosphäre eine große Rolle im Binnenverhältnis beider Länder. Für die Schleswig-Holsteiner sind Zwischentöne und Gesten wichtig. Für Olaf Scholz zählen vor allem Fakten. Auf "Befindlichkeiten" nimmt er wenig Rücksicht. Für Scholz gilt die Devise: "Für die Stadt ist gut, was für die Wirtschaft gut ist", heißt es aus seinem Umfeld. Doch für die Wirtschaft wäre eine bessere Kooperation der nördlichen Nachbarn gut.

Denn die süddeutschen Länder laufen dem Norden in Berlin immer mehr den Rang ab. "Die südlichen Länder haben langjährige Netzwerke in den Ministerien, und sie sind immer auf der Ministerebene präsent, wenn es um Veranstaltungen in Berlin geht, die die Kernthemen der Länder betreffen", sagt Dirk Fischer (CDU). Der Hamburger ist langjähriger Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag. Und er weiß: Diese Netzwerkarbeit führt dazu, dass aus dem Bundeshaushalt die Milliarden für Infrastrukturprojekte viel öfter in den Süden fließen als in den Norden. Bei einer Veranstaltung mit dem zentralen Thema Hafen seien aus Hamburg aber weder Bürgermeister noch Wirtschaftssenator oder Staatsräte vertreten gewesen, klagt Fischer. "So etwas wird in Berlin wahrgenommen." Versäumnisse, die richtig teuer werden können.