Globale Experimente an der Atmosphäre bergen große Risiken, weil Wirkungen und Nebenwirkungen oft nur schwer zu ermitteln sind.

Kiel/Hamburg. Durch den Ausstoß von Treibhausgasen, allen voran Kohlendioxid (CO2), beeinflusst die Menschheit das Klima, warnen Wissenschaftler. Einige haben den Ehrgeiz entwickelt, mit großtechnischen Maßnahmen gegenzusteuern, dem sogenannten Geo- oder Climate Engineering. Sie wollen die Sonneneinstrahlung reduzieren oder CO2 aus der Atmosphäre entfernen, um die Erderwärmung zu bremsen. Gerade vor dem Hintergrund der stagnierenden internationalen Klimapolitik gewinnt die Diskussion um gezielte Klimamanipulationen an Fahrt. Doch von der Umsetzung in die Realität sind die Konzepte noch weit entfernt.

In der Studie "Gezielte Eingriffe in das Klima?" hat das Kieler Earth Institute jetzt alle gängigen Ansätze des Climate Engineering (CE) zusammengestellt und, soweit möglich, bewertet. Generell gilt: Für viele Konzepte ist die Wirksamkeit nicht belegt, für andere bestenfalls anhand von Computermodellen abzuschätzen. Noch weniger ist über mögliche Nebenwirkungen bekannt. Oft fehlt es auch an technischen Möglichkeiten, die Ideen in die Tat umzusetzen. Zudem lasse sich "für die überwiegende Anzahl der CE-Technologien keine Möglichkeiten der kommerziellen Verwertung der Verfahren und Ergebnisse feststellen", heißt es in der Studie.

Generell gibt es zwei Ansätze: Der erste will die Strahlenbilanz, also die Sonneneinstrahlung und deren Abstrahlung ins All, beeinflussen. Der zweite setzt beim CO2 in der Atmosphäre ein, will dieses aus Kraftwerksschloten oder direkt aus der Luft abfiltern und einlagern (Carbon Capture and Storage, CCS) oder durch zusätzliche Pflanzen (Algen, Bäume) vermehrt aufnehmen und binden lassen.

Grundlagendaten für drei verschiedene Methoden, die Sonneneinstrahlung zu reduzieren, will das Projekt IMPLICC liefern, das das Max-Planck-Institut (MPI) für Meteorologie in Hamburg koordiniert. Die Forscher nutzen das am KlimaCampus laufende Erdsystemmodell, um die Effekte einer künstlichen Beschattung des Planeten zu berechnen. So gibt es Überlegungen, große Reflektoren im All zu installieren, an denen Sonnenstrahlen abprallen. Idee Nummer zwei will über dem Meer schwebende Wolken mit feinsten Seewassertröpfchen spicken. Dadurch wird die Wolke heller und reflektiert mehr Sonnenstrahlen ins All. Beim dritten Ansatz werden Schwefelpartikel in Form von Sulfat in die Stratosphäre eingebracht, die stärker reflektierende Staubwolken bilden.

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Alle drei Ansätze bedeuteten "einen ziemlichen Aufwand", sagt Ulrike Niemeier, die beim IMPLICC-Projekt mitarbeitet. "Es ist sicherlich sinnvoller, viel Geld zu investieren, um konsequenter Energie zu sparen." Spiegelreflektoren im All zu installieren sei technisch viel zu aufwendig, so Niemeier: "Die EADS-Tochter Astrium schickt derzeit jährlich sieben Trägerraketen ins All. Zur Umsetzung des Projekts müssten es 700 pro Tag sein."

Seewassertröpfchen gezielt in Wolken zu injizieren sei technisch höchst anspruchsvoll: "Die Wirkung schwankt, je nachdem, unter welchen Bedingungen die Injektion erfolgt. Es kann sogar der gegenteilige Effekt auftreten", sagt Niemeier. Sie hält die Sulfat-Variante am ehesten darstellbar, fragt sich allerdings, wo die riesigen Sulfatmengen herkommen sollten.

Die Kieler Studie kommt zu ähnlichen Bewertungen. Die Reflektoren im All seien zwar theoretisch unbegrenzt wirksam, könnten aber in erdnahen Umlaufbahnen nicht voll ausgenutzt werden, da ein Teil des Schirmes immer auf der Nachtseite der Erde liege. Zudem stellten sie Hindernisse für Satelliten und Raumfahrzeuge dar, die die Kollisionsgefahr im All erhöhen.

Zum Ansatz, Wolken mit Seewasser aufzuhellen, schreiben die Kieler: "Bei diesem Vorschlag werden als Nebenwirkungen insbesondere Einflüsse auf den hydrologischen Kreislauf (und damit auf die Niederschläge, die Red.) erwartet. Diese werden zunächst lokal begrenzt induziert, durch die Beeinflussung der atmosphärischen Zirkulation sind jedoch auch Auswirkungen auf entfernte Regionen nicht auszuschließen."

Für das dritte Konzept, das Ausbringen von Sulfaten oder anderen Aerosolen (Stäuben), haben britische Forscher bereits mit einem vertikalen, von Ballonen getragenen Riesenschlauch experimentiert, der die Substanzen in die oberen Luftschichten tragen könnte. Auch in Form von Zusätzen im Flugzeugtreibstoff könnten die Partikel im Himmel verteilt werden.

Martin Claußen, Direktor am MPI und Professor an der Uni Hamburg, weist auf ein Problem hin, das auch für andere CE-Konzepte gilt: "Die Methode lässt sich nicht wirklich testen. Denn wir wissen nicht, ob die Effekte, die sich zeigen, wenn Staub nur kleinräumig oder in geringen Mengen ausgebracht wird, einfach addiert werden können zu einem großen Effekt eines globalen Experiments. Auch beim Flugzeugbau verlässt man sich nicht auf den Test der Einzelteile, sondern Testpiloten prüfen das gesamte Flugzeug, bevor Passagiere mitfliegen dürfen. Beim globalen Climate Engineering sind wir alle Testpiloten in einem Flugzeug, das zum ersten Mal fliegen soll."

Feldversuche sind bei den Ansätzen, die CO2 aus der Luft entfernen wollen, eher möglich. Für die Eisendüngung der Meere sind seit 1993 bereits 13 Experimente durchgeführt worden. Hier werden Meeresgebiete, in denen von Natur aus Eisenmangel herrscht, der das Wachstum von Phytoplankton (Mikroalgen) begrenzt, mit Eisen gedüngt. Die dadurch entstehenden Algenblüten nehmen während ihres Wachstums CO2 aus der Atmosphäre auf und tragen den Kohlenstoff auf den Meeresboden, wenn sie sterben und absinken. Dort wird er über lange Zeit klimaschonend eingelagert, so die Hoffnung der Forscher.

Doch die Meere reagierten in den Versuchen anders als theoretisch erdacht, wie ein Autorenteam des Umweltbundesamts im gerade erschienenen Buch "Warnsignal Klima - die Meere" beschreibt: "Zwar bildeten sich Algenblüten, doch sie waren stets kurzlebig, und nur ein geringer Teil des Phytoplanktons sank wie erhofft in größere Meerestiefen ab. Der Hauptteil wurde vom Zooplankton gefressen oder durch Bakterien sehr schnell zersetzt." Fazit der Autoren: "Ein Nachweis für die Klimawirksamkeit steht bis heute aus."

Dies sei generell ein großes Problem des CE, betont Claußen: "Starke natürliche Temperaturschwankungen überlagern den allmählichen Erwärmungstrend. Die globale Erwärmung kann - natürlicherweise - über mehrere Jahre stagnieren, das Klima kann sogar für einige Jahre abkühlen. Man kann nicht innerhalb weniger Jahre nachweisen, ob CE schon wirkt oder gar ob es zu stark oder zu schwach wirkt. Wollen hochrangige Regierungsvertreter aus aller Welt vor dem Hintergrund dieser Unsicherheit einmal im Jahr über den jährlichen Staubeintrag in die Stratosphäre entscheiden?"

Eine zweifelsfreie Identifizierung der Wirkungen und Nebenwirkungen sei auch "bei einem bestmöglich angelegten Großversuch" erst nach vielen Jahren bis Jahrzehnten möglich, schreiben die Autoren der Kieler Studie. Deren Auftraggeber, das Bundesforschungsministerium, betont mit Blick auf die drängende Zeit im Vorwort: "Es muss klar sein, dass wir unsere Kompetenzen und Ressourcen uneingeschränkt der Reduktion des CO2-Ausstoßes sowie der Anpassung an den unabwendbaren Klimawandel widmen müssen."