Vorwurf: Zu viel Bürokratie. Vom Senat beschlossener Ausbau der Betreuung gefährdet. Innerhalb kurzer Zeit quittierten 350 Tagesmütter den Dienst.

Hamburg. Rückschlag für die Kinderbetreuung in Hamburg: Immer mehr Tagesmütter geben ihre Arbeit auf, weil - so ihr Verband - die bürokratischen Hürden in der Hansestadt so hoch geworden sind.

Innerhalb weniger Monate quittierten 350 Tagesmütter und -väter ihren Dienst. "Zum Stichtag 31. März 2011 betreuten in Hamburg 1653 Tagespflegepersonen insgesamt 5063 öffentlich geförderte Kinder, davon 2377 unter drei Jahren", sagte Julia Seifert, Sprecherin der Sozialbehörde. Anfang 2011 hatte die Sozialbehörde noch die Zahl von etwa 2000 Tagesmüttern genannt.

Tagesmütter sind in Hamburg traditionell eine wichtige Säule bei der Betreuung von Kleinkindern unter drei Jahren. Aktuell betreuen sie rund 15 Prozent der Krippenkinder. Um die Tagespflege weiter auszubauen, hatte die Sozialbehörde im vergangenen Jahreine Reihe von Neuregelungen verkündet - die Arbeit der Beschäftigten sollte professioneller, aber auch besser bezahlt werden.

Doch dieser Vorstoß ist bislang alles andere als ein Erfolg. Auch die Förderung sogenannter Tagespflegezusammenschlüsse ist offenbar weitgehend wirkungslos. Nach Angaben von Seifert ist die Zahl der Kooperationen mehrerer Tagesmütter mit 165 auf demselben Stand wie im Jahr 2008.

+++ So wird man Tagesmutter in Hamburg +++

+++ Ämter lassen Tagesmütter monatelang warten +++

Anja Reinke, 1. Vorsitzende des Vereins Hamburger Tagesmütter und -väter, kritisiert: "Die Anforderungen sind deutlich gewachsen. Man muss eine richtige Buchführung machen, es gibt strenge Sicherheits- und Bauauflagen und Hygienevorschriften." Viele altgediente Tagesmütter hätten auf all die neuen Bestimmungen keine Lust. "Und von den jungen höre ich, dass viele eine völlig falsche Vorstellung davon haben, was dabei zu verdienen ist. Die springen dann wieder ab."

Nach Ansicht der Sozialbehörde gibt es für die unerfreuliche Entwicklung der Tagesmütterzahlen aber noch weitere Gründe: So sei durch den massiven Ausbau der Krippenplätze in Kitas die Konkurrenz größer, sagte Seifert. Die Senkung der Elternbeiträge im Kita-Bereich habe die Krippenplätze wieder deutlich attraktiver gemacht.

Insgesamt wurden beim Investitionsprogramm Krippenausbau für die Jahre 2008 bis 2010 in Hamburg bereits Zuwendungen in Höhe von etwa 29,2 Millionen Euro bewilligt. Hintergrund: Eltern haben von August 2013 an bundesweit einen Rechtsanspruch auf eine Betreuung ihrer Kinder ab einem Jahr; in Hamburg können sie für ihre Kinder ab zwei Jahren sogar schon ab August 2012 einen Krippenplatz beanspruchen. Bislang wurden 4600 neue Krippenplätze in Kitas geschaffen, bei Tagesmüttern dagegen erst knapp 500. "Wir gehen davon aus, dass bis Ende 2013 noch bis zu 5200 weitere Krippenplätze gebraucht werden", sagte Behördensprecherin Seifert.

Christoph de Vries, familienpolitischer Sprecher der CDU, forderte, die Kinderbetreuung durch Tagesmütter müsse eine wichtige Säule bleiben, weil sie "den individuellen Bedürfnissen von Kindern und Eltern" gerecht werde. Er kündigte an, das Thema im Familienausschuss aufzugreifen. Die jugendpolitische Sprecherin der GAL, Christiane Blömeke, sieht zwar einen Trend zur Betreuung in der Krippe: "Wir brauchen aber auch zukünftig die Kindertagespflege." Sie verlangte vom Senat, "die Tagespflegegeldanträge zügig zu bearbeiten. Es kann nicht sein, dass Tagesmütter und -väter Monate auf den Eingang dieses Geldes warten müssen." Mehmet Yildiz (Linke) sagte, Tagesmütter sollten nicht mit administrativen Dingen belastet werden. "Ihre Zeit sollte für die Pflege zur Verfügung stehen und nicht für Bürokratie."