Drastische Kürzungen bei den Ein-Euro-Jobs führen dazu, dass etliche soziale Dienste in Hamburg bald nicht mehr angeboten werden können.

Hamburg. Im Pottkieker gibt es an diesem Mittag Bratwurstschnecke mit Steckrüben und Salzkartoffeln. Archibald Felsch, 85, trägt sein Tablett an den Tisch, er kommt seit fünf Jahren in die Stadtteilküche in Dulsberg, seit seine Frau tot ist. Jeden Tag um zwölf Uhr steht er an der Ausgabe, es schmeckt ihm. Und vor allem kann er es sich hier leisten. 2,80 Euro für Rentner, das Stück Kuchen ein Euro. Jetzt stellt er sich auf eine Scheibe Brot mittags ein. Und dazu eine große Portion Existenzangst. "Ich komm doch gerade so eben längs", sagt Felsch.

In Sichtweite hinter der Ausgabe steht Silvia Kudwien, 53. Die rote Schirmmütze lässt sie freundlich aussehen, die Sorge in ihrem Blick kann sie nicht verdecken. "Deprimierend ist das", sagt sie. "Arbeitsangebote gibt's für mich doch schon lange nicht mehr."

Silvia Kudwien macht einen Ein-Euro-Job, seit drei Jahren kocht, bedient und putzt sie im Pottkieker, ihre Maßnahme wurde mehrmals verlängert, diese läuft noch bis April. Doch spätestens im Dezember ist für sie Schluss. Die gemeinnützige Einrichtung kann sie nicht mehr bezahlen. Und den Pottkieker, der für Archibald Felsch und rund 280 weitere Menschen täglich ein warmes Essen kocht, wohl auch nicht.

Das Beispiel aus Dulsberg ist nur eines von vielen. Die Lage der Beschäftigungsträger von Langzeitarbeitslosen spitzt sich in ganz Hamburg immer mehr zu. Mit drastischen Folgen nicht nur für die Ein-Euro-Jobber. Mit ihren Jobs bricht die Hilfe für Tausende Hamburger weg, einige sprechen von weit über 10.000 Menschen, die sich andere Unterstützung nicht leisten können. Haushaltshilfe für Senioren und behinderte Menschen, Suppenküchen, Stadtteilcafés, Kleiderkammern, Sprachunterricht, Bewerbungscoaching, Umzugs- und Hausmeisterhilfen - lauter sozialpolitische Maßnahmen, die auch für die Stadtteile sinnvoll sind, stehen auf dem Spiel.

"Wir wussten ja, das etwas kommt", sagt Martina Nolte, stellvertretende Geschäftsführerin von Mook Wat. "Aber nicht, dass es so drastisch wird." Der Verein, der unter anderem den Pottkieker betreibt, steht vor einer Etatkürzung von 50 Prozent. Dass der Bund die Mittel zur Förderung von Langzeitarbeitslosen in diesem Jahr um 50 Millionen auf 134 Millionen Euro reduziert, ist schon seit Längerem klar. Doch in Hamburg sind mit einem Mal fast 2000 Ein-Euro-Jobs weggebrochen. Und wie es im kommenden Jahr mit den Maßnahmen für Langzeitarbeitslose weitergeht, entscheidet sich laut Sozialbehörde voraussichtlich erst kommenden Monat. "Uns Trägern fehlt momentan jegliche Planungsgrundlage", sagt Nolte. In so einer Situation bleibt den meisten nichts anderes übrig, als Projekte in naher Zukunft zusammenzulegen und zu schließen. Eine jahrelang gewachsene Struktur, so Nolte, die so schnell nicht wieder aufzubauen ist.

Die Arbeitsloseninitiative Wilhelmsburg wird ihr Sozialkaufhaus, den Buchladen und die Möbelhilfe zusammenlegen. Das Jobkontor im Schanzenviertel, in dem Jugendliche qualifiziert werden, muss vielleicht ein Café, das Haus der Familie, eine Werkstatt für Holzspielzeug und eine Fahrradwerkstatt auflösen. Die Passage gGmbH wird wohl das "gesunde Frühstück" einstellen, mit dem im Süderelberaum zehn Schulen beliefert werden. In Steilshoop werden die Angebote der Wäscherei, der Näherei und des Second-Hand-Kaufhauses stark eingeschränkt. Die Alraune gGmbH hat ihren Kulturtreff in Steilshoop bereits geschlossen, die hauswirtschaftlichen Hilfen und das Tierhaus sind in Gefahr. In Jenfeld gibt es ab kommendem Jahr vielleicht die Quartiershelfer der Quadriga gGmbH nicht mehr, die Spielplätze sauber halten, Bühnen und Zelte für Stadtteilfeste aufstellen und die Stadtteilzeitung verteilen. Und Koala e.V. in Altona bereitet sich auf die komplette Schließung vor.

Ausbildungsrestaurant, Stadtteilkantine, Tischlerei, die Beratungsstelle für Arbeitslose und fünf Einrichtungen für Frauen würden dann im Stadtteil fehlen. "Das ist Zynismus pur", sagt Alraune-Geschäftsführer Holger Stümpel. "Es geht hier um lebenswichtige Hilfe." Mit den Kürzungen bei Ein-Euro-Jobbern werde das soziale Elend auch in den Stadtteilen zunehmen.

Gerda Aldermann, 83, aus Dulsberg hat sich bereits hingesetzt und gerechnet. Die gelernte Versicherungskauffrau liegt mit ihrer Rente ganz knapp über dem Sozialhilfesatz. 250 Euro bleiben ihr zum Leben, 20 Euro gibt sie für eine Haushaltshilfe von Mook Wat aus, die vier Stunden im Monat für sie einkaufen geht und die Wohnung putzt. Eine dreimal so teure Hilfe, wie sie soziale Dienste vermitteln, kann Gerda Aldermann nicht bezahlen. "Das ist ein Trauerspiel", sagt Aldermann. Für sie bleibe dann nur noch das Heim.