Über Messer, Gabel und Löffel für 1600 Euro, Planbarkeit, symbolisches Handeln in der EHEC-Krise und einen Tritt in die Kniekehle.

Wer Bürgermeister Olaf Scholz in diesen Tagen aufsucht, der bekommt bisweilen Erstaunliches zu hören. So erging es den drei früheren Senatoren der GAL. Christa Goetsch (Schule), Anja Hajduk (Stadtentwicklung und Umwelt) und Till Steffen (Justiz) schauten vor Kurzem beim Senatschef vorbei, um ihr Besteck abzugeben. Ganz der hanseatischen Tradition für ausgeschiedene Senatsmitglieder verpflichtet, hatte jeder der drei Grünen Messer, Gabel und Löffel in Silber mit Namensgravur, ergänzt um die Jahreszahlen ihrer Amtszeit, für 1600 Euro anfertigen lassen.

Das Gespräch im repräsentativen, aber etwas steifen Bürgermeister-Amtszimmer, das eigentlich für offizielle Anlässe vorgesehen ist, kreiste um die jüngere politische Vergangenheit, die Wahlen eingeschlossen. Doch dann verblüffte der Sozialdemokrat die GALier mit der Erkenntnis, dass ihn nichts, aber auch gar nichts seit seiner Amtsübernahme überrascht hätte - weder positiv noch negativ. Vorbereitung ist ja gut. Aber so viel Abgeklärtheit, ja Coolness und demonstratives Selbstbewusstsein erstaunte die Grünen dann doch, zumal sie mit den Wechselfällen in der Regierungsverantwortung vertraut sind. Manchmal ist es auch nur ein Schritt von Selbstbewusstsein zu Überheblichkeit, die herablassend wirkt.

Am kommenden Mittwoch ist Scholz 100 Tage Erster Bürgermeister. Selten ist ein Senatschef so unumschränkt und unbeschränkt gestartet. "Es kann nur den einen geben", umreißt ein Sozialdemokrat die Stimmungslage in der eigenen Partei, die ja sonst durchaus für ihre Aufmüpfigkeit und Diskussionsfreude bekannt ist. Es ist der von den meisten nicht für möglich gehaltene Wahlerfolg, der Scholz persönlich zugeschrieben wird und ihn unantastbar macht. Lange war die SPD eine in sich zerrissene und an sich zweifelnde Partei. Im Grunde ist es so: Scholz hat mit den Sozialdemokraten in einem Jahr den Wiederaufstieg geschafft und gleich die Meisterschale geholt.

Nun ist der Bürgermeister politisch so erfahren, dass er sich auf den Augenblickserfolg nicht verlässt. Scholz glaubt an die Planbarkeit der Politik, und so hat er sich Strukturen geschaffen, die ihm die Umsetzung seiner langfristigen Ziele garantieren sollen - allen voran die Sanierung der maroden öffentlichen Finanzen. Scholz ist Bürgermeister und Landesvorsitzender in einer Person. Nie zuvor hat die Landes-SPD eine solche Konzentration der Macht zugelassen. Scholz' Spruch zum Amtsantritt als Parteichef ist inzwischen legendär: "Wer Führung bei mir bestellt, bekommt sie auch!" Das über Jahrzehnte bestehende eiserne Machtdreieck der alten Regierungs-SPD - Bürgermeister, Parteichef und Fraktionsvorsitzender - gibt es nicht mehr.

Wer jedoch meint, der Bürgermeister regiere allmächtig in alles hinein, missversteht die Scholz'sche Machtarchitektur. Der Altonaer hat eine früh dokumentierte Abneigung dagegen, Themen oder Probleme zur Chefsache zu erklären. Wer das mache, so Scholz, gibt zu, dass vorher viel schiefgelaufen sei. Schwächen zuzugeben, ist nicht die Sache dieses Bürgermeisters. Mit Argusaugen wacht der Senatschef allerdings darüber, dass seine Wahlversprechen bis aufs Jota eingehalten werden. So hat er im Wahlkampf mehrfach gesagt, dass er die Präsidialstäbe der Behörden verkleinern will. Wenn er erfährt, dass unabgesprochen Personal an der Spitze einer Behörde aufgebaut wird, kann er ungemütlich werden.

"Was ich versprochen habe, das halte ich. Was ich nicht versprochen habe, habe ich nicht versprochen." Diesen Satz wiederholt Scholz gern als Motto. Er bedeutet auch: Wo nichts versprochen wurde, gibt es angesichts der desolaten Haushaltslage auch nichts zu holen. Wer will, kann das auf die aktuelle Debatte über die Hochschulfinanzierung beziehen. Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) setzt treu die Sparvorgaben des Bürgermeisters um. Scholz mischt sich nicht ein, auch nicht mit Beifall für seine Senatorin. Während die Studierenden, Professoren und Hochschul-Präsidenten in dieser Woche protestierend vor das Rathaus zogen, machte Scholz mit dem Kurztrip an der Seite von Kanzlerin Angela Merkel nach Washington einen Abstecher in die Weltpolitik.

Anders als bei manchen seiner Vorgänger muss man sich bei dem Berlin-erprobten Bürgermeister keine Sorgen machen, dass er auf internationalem Parkett ausrutscht. Scholz, dem öffentliche Auftritte keine Herzensangelegenheit sind, hat in der EHEC-Krise zudem Sinn für symbolisches Handeln bewiesen. Er war zur Stelle, um den Ärzten und Mitarbeitern in den Krankenhäusern für ihren Einsatz zu danken. Und er spendete - ganz solidarisch - öffentlich Blut.

Das alles führt dazu, dass die Opposition derzeit noch etwas ratlos ist, wie sie Scholz beikommen kann, trotz der Angriffsflächen, die einzelne Senatoren bieten. Es kommt hinzu, dass die beiden größten Oppositionsparteien CDU und GAL gerade noch regiert haben, also manchen Missstand mit verursacht haben, den sie jetzt lautstark beklagen.

Und dann war da ja auch noch Ole von Beust, der seinem Amtsnachfolger Olaf Scholz in dieser Woche attestierte, dass er seine Sache "persönlich solide" mache. Das war ein Tritt in die Kniekehle des Parteifreundes und CDU-Oppositionschefs Dietrich Wersich.