Der Bund der Steuerzahler Hamburg fordert, das Übergangsgeld zu streichen. Kitaexperte Thomas Böwer von der SPD verteidigt Regelung.

Hamburg. Der politische Neuanfang nach der Bürgerschaftswahl am 20. Februar ist beinahe schon Geschichte. Senat und Opposition haben in neu verteilten Rollen ihre Arbeit aufgenommen. Dabei gerät leicht in Vergessenheit, dass das Wählervotum für 54 der 121 Abgeordneten zumindest vorläufig das politische Ende bedeutete: Sie schieden freiwillig oder nicht wiedergewählt im März aus dem Parlament aus.

Damit die ehemaligen Abgeordneten nicht in finanzielle Schwierigkeiten geraten, steht ihnen für drei Monate Übergangsgeld in Höhe der bisherigen Diäten von 2456 Euro pro Monat zu. Funktionsträger wie die Fraktionsvorsitzenden erhalten den doppelten oder dreifachen Betrag. Von der Übergangsregelung haben nach Abendblatt-Informationen 17 der 54 Ex-Abgeordneten Gebrauch gemacht.

Einer von ihnen ist der Sozialdemokrat Thomas Böwer. Der Kitaexperte, der sich auch als hartnäckiger Nachfrager in Sachen HSH Nordbank oder Elbphilharmonie einen Namen gemacht hat, war trotz des Wahlerfolges der SPD überraschend nicht wieder in die Bürgerschaft gewählt worden. Das Aus stellte den Vater von fünf Kindern auch vor finanzielle Probleme. Böwer hatte seinen Job als Projektleiter beim Schiffsfinanzierer Lloyd Fonds während der Finanzkrise verloren.

"Das Übergangsgeld ist eine sinnvolle Einrichtung", sagt Böwer. Er geht davon aus, die Zahlung noch einen Monat in Anspruch nehmen zu müssen, ehe er beruflich neu startet.

Die meisten Abgeordneten reduzieren ihre berufliche Tätigkeit, um ihr Mandat auszuüben. Die Bürgerschaft ist formal ein Teilzeit-Parlament, das den Kontakt seiner Abgeordneten zur Arbeitswelt bewusst erhalten will. So war das politische Karriere-Aus für den Christdemokraten Marino Freistedt jedenfalls beruflich kein Problem. Der Oberschulrat hat seine zuvor reduzierte Arbeitszeit im Katholischen Schulamt wieder aufgestockt.

Die ehemalige GAL-Abgeordnete Martina Gregersen bezieht dagegen das Übergangsgeld. "Bei dem zeitlichen Anspruch, den die GAL an ihre Mandatsträger stellt, ist eine berufliche Tätigkeit nebenbei nicht möglich", sagt die Malerin und Lackiererin. Gregersen hatte sich vor einigen Jahren gegen die Übernahme des elterlichen Betriebs und für die Politik entschieden. "Nach 18 Jahren in der Politik gebe ich mir jetzt etwas Zeit, um zu überlegen, wie es weitergeht", sagt die GALierin.

Die Kosten für die Zahlungen des Übergangsgelds liegen bei mehr als 100 000 Euro. Das bestätigte Ulfert Kaphengst, Sprecher der Bürgerschaftskanzlei, auf Abendblatt-Anfrage: "Das ist ein ganz normaler Vorgang, damit die Abgeordneten nach ihrem Ausscheiden aus der Bürgerschaft finanziell abgesichert sind, wenn sie nicht sofort einen neuen Job finden." Sollten die Ex-Parlamentarier allerdings andere Einkünfte haben, werden diese auf das Übergangsgeld angerechnet. Deshalb haben viele der ehemaligen Abgeordneten auch diese Leistung nicht beantragt. Der Bund der Steuerzahler Hamburg fordert, das Übergangsgeld zu streichen. "Es profitieren vom sogenannten Übergangsgeld vor allem jene Abgeordneten, die ohne Arbeitsplatz sind. Die Bürgerschaft ist aber ein Feierabend- und kein Berufsparlament", sagt Geschäftsführer Marcel Schweitzer. Wer vom Bürger also nicht wiedergewählt werde, solle vom Steuerzahler auch keine "Abfindung" erhalten, so Schweitzer weiter.

Zum Vergleich: Zum Ende der vorletzten Legislaturperiode 2008 hatten 20 Abgeordnete, die aus der Bürgerschaft ausschieden, Übergangsgeld beantragt und verursachten so Kosten in Höhe von rund 130 000 Euro.

Nach den drei Monaten Übergangsgeld - die Unterstützung wird von April bis einschließlich Juni gewährt - steht den Abgeordneten für neun weitere Monate eine Übergangshilfe von 1228 Euro pro Monat zu: "Dieses wird aber in der Regel erst beantragt, wenn das Übergangsgeld ausläuft und die Abgeordneten kein anderes Einkommen haben", sagt Kaphengst.

Welche Fraktionen und Abgeordneten das Übergangsgeld beantragt haben, verrät die Bürgerschaftskanzlei nicht. "Das fällt unter den Datenschutz", so Sprecher Kaphengst.

Die Abgeordneten haben nicht nur Anspruch auf das Übergangsgeld, sondern auch auf die Weiterzahlung des Zuschusses für ihr Abgeordnetenbüro bis zum 30. Juni 2011. "Eigentlich wird der Bürokostenzuschuss nur bis zum Ende des Monats bezahlt, in dem die Wahlperiode endet. Aber wenn das Büro nicht sofort gekündigt werden kann, dann gilt auf Antrag diese Regelung", sagt Kaphengst. Wie viele Abgeordnete davon Gebrauch machten, konnte der Sprecher nicht sagen. Aber die Kosten stehen fest: mehr als 50.000 Euro.