Vermeintlicher Täter wehrt sich gegen den Vorwurf der sexuellen Nötigung. Der Nimbus einer altehrwürdigen Institution steht auf dem Spiel.

Hamburg. Edle Täfelung an den Wänden, schön herausgearbeiteter Stuck an der Decke, Ölgemälde ehemaliger Präsidenten, Holzgestühl mit geschnitzten Ornamenten: Saal 206 der Handwerkskammer bietet einen würdigen Rahmen, der gediegener kaum sein kann. Doch der schöne Schein trügt: Hinter den Kulissen des Hauses am Holstenwall ereignet sich in diesen Tagen eine Schlammschlacht, die mit Anstand und hanseatischer Tradition nichts gemein hat. Es geht um Schulden, Intrigen, personelle Scharmützel und Mobbing. Erschwerend stehen Vorwürfe sexueller Nötigung und sogar Mordversuch im Raum. Gestern schaltete sich die Hamburger Staatsanwaltschaft ein. Der Nimbus einer altehrwürdigen Institution steht auf dem Spiel.

Daran ändern klare Mehrheitsverhältnisse auf der Vollversammlung der Kammer gestern Nachmittag in Saal 206 nichts. Auch wenn die von einigen Zunftvertretern erwartete Revolution gegen den Präsidenten Josef Katzer ausblieb, werden Ränkespiele und persönliche Attacken hinter den Kulissen fortgesetzt. Katzer verbuchte einen klaren Punktsieg, hatte die Sitzung im Griff, erhielt auch von Arbeitnehmerseite Zuspruch und durfte sich über die einvernehmliche Wahl ihm genehmer Vorstandskandidaten freuen. Der in erster Linie gegen ihn gerichtete Antrag, die Abstimmung bis zur Klärung aller Vorwürfe auszusetzen, wurde von den 36 Delegierten ebenso abgelehnt wie die Forderung nach detaillierter Information über einen schmutzigen Skandal auf Führungsebene.

In dessen Fokus steht der just zurückgetretene Vizepräsident Gernot Grohnert, Meister der einflussreichen Sanitärinnung. Nach angeblichen sexuellen Belästigungen einer Sekretärin und Anschlägen auf Autos in der Garage der Kammer hatte dieser eine Unterlassungserklärung unterschrieben, 850 Euro Schadenersatz geleistet und dem von Josef Katzer geforderten Rückzug Folge geleistet.

Gestern ging Grohnert in die Offensive. "Ich habe niemanden sexuell belästigt, bewusst keine Beulen in Autos gefahren und auch keine Spaxschrauben in Reifen gedreht, um einen Anschlag zu verüben", sagte er dem Abendblatt. "Dafür gebe ich mein Wort." Und warum dann das vermeintliche Schuldanerkenntnis? Die Antwort: "Ich habe mich dem Druck gebeugt, um Ruhe zu haben." Nach einer Chemotherapie sei er angeschlagen gewesen und habe auf den Rat seiner Frau gehört, dem zufolge der Klügere nachgebe. Zumal die Juristen beider Seiten Stillschweigen vereinbarten und somit keine Öffentlichkeit drohte.

Nun jedoch prüft Grohnert rechtliche Schritte gegen die Kammer. Unter Umständen kann er sich die Mühe ersparen, weil die Staatsanwaltschaft von sich aus aktiv wird. "Wir haben das Landeskriminalamt beauftragt, Kontakt mit der Handwerkskammer aufzunehmen", sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers, "um herauszufinden, ob ein Verdacht von Straftaten gegeben ist."

An der Basis zumindest genießt Grohnert Vertrauen. "Die Vorwürfe sind uns seit Langem bekannt", sagte Obermeister Fritz Schellhorn als Chef der Sanitärinnung, "uns hat Herr Grohnert mündlich wie schriftlich glaubhaft versichert, dass die Vorwürfe haltlos sind." Seine persönliche Vermutung: "Wer etwas gegen Herrn Katzer sagt oder seine Haushaltsgebaren kritisiert, wird mit allen möglichen lauteren oder unlauteren Methoden herausgemobbt." Schellhorn sagt frank und frei: "Herr Katzer sollte den Weg für einen Neubeginn ebnen und zurücktreten."

Schellhorns Meinung nach befindet sich die Handwerkskammer finanziell "in einem desolaten Zustand". Mehrere vom Abendblatt befragte Innungsbosse teilen diese Einschätzung, wollen aus Furcht vor Repressalien jedoch ihre Namen nicht gedruckt sehen. Einheitliche Meinung: "Eine von beiden Seiten muss lügen. Den Schaden aber haben wir alle." Das Image des ehrbaren Handwerks habe enorm und langfristig gelitten, sagten einige.

"Ich habe keinen undemokratischen Führungsstil", entgegnete Präsident Katzer seinen Kritikern auf der gestrigen Versammlung. "Wir haben oft stundenlang diskutiert und grundsätzlich mit großer Mehrheit entschieden." Zwar habe die Kammer rund 16 Millionen Euro Schulden, doch hätten sich diese in Jahrzehnten summiert und seien in vollem Umfang erst nach einer Umstellung des Bilanzverfahrens offenkundig geworden. "Wir sind auf einem sehr, sehr guten Weg", versprach er. "Es handelt sich um Altlasten", sagte er dem Abendblatt. "Mittlerweile haben wir eine Transparenz geschaffen wie noch nie." Zudem konnten die laufenden Kosten um 1,7 Millionen Euro gesenkt werden. Dagegen habe sich der Bau des Bildungszentrums Elbcampus in Harburg von 50 auf 55 Millionen Euro erhöht.

Jetzt sickerten weitere vertrauliche Zahlen durch. Danach wird bis 2013 mit zusätzlichen Schulden in Höhe von 1,5 Millionen Euro kalkuliert. Erst 2014 sollen schwarze Zahlen erwirtschaftet werden.