Heute soll Carola Veit Bürgerschaftspräsidentin werden. Ihre Nominierung nach ihrem Sieg über Mathias Petersen stößt aber auf Kritik.

Hamburg. Die Wahl einer Bürgerschaftspräsidentin ist traditionell dem Parteienstreit enthoben. Doch vor der für heute vorgesehenen Wahl der SPD-Abgeordneten Carola Veit zur Präsidentin gibt es mächtig Ärger. CDU, GAL und Linke kritisieren das von der SPD-Mehrheitsfraktion vorgegebene Verfahren, aber auch die Personalie selbst. Carola Veit hatte sich auch in der SPD-Fraktion nur knapp gegen den früheren SPD-Chef Mathias Petersen durchgesetzt, der überraschend seinen Hut in den Ring geworfen hatte.

"Es gibt deutlichen Unmut in der CDU-Fraktion", sagte der CDU-Verfassungsexperte Robert Heinemann. Vor zwei Wochen erst hatte die Bürgerschaft die SPD-Abgeordnete Dorothee Stapelfeldt zur Präsidentin gewählt. Eine Neuwahl ist nun erforderlich, weil Stapelfeldt heute zur Wissenschaftssenatorin berufen werden soll. Aus Sicht der Union verbietet sich eine Präsidentenwahl für einen so kurzen Zeitraum. Doch auf Kritik in der CDU stößt auch der Personalvorschlag. "Frau Veit hat als Ausschussvorsitzende ein Verhalten gezeigt, das gerade nicht für Überparteilichkeit steht", so Heinemann. Die CDU-Fraktion werde im Grundsatz der parlamentarischen Usance folgen, die Präsidentin im Konsens zu wählen. Heinemann: "Ich schließe aber nicht aus, dass der eine oder andere von uns anders abstimmt."

Eine Marschrichtung der GAL für die Wahl sei nicht vorgegeben, sagte deren Fraktionschef Jens Kerstan. "Es gibt ein großes Unverständnis über den ganzen Vorgang, viele von uns sehen das kritisch", sagte der Grüne. "Erst mit Dorothee Stapelfeldt eine Präsidentin zu wählen, von der die SPD zu dem Zeitpunkt schon annehmen konnte, dass sie dem Senat angehören wird, und dann eine Neuwahl einer Kandidatin, die bislang nicht durch die Eigenschaften aufgefallen ist, die eine Bürgerschaftspräsidentin braucht", das gehöre sich nicht, findet der GAL-Fraktionschef.

Auch bei der Linken wird es laut Fraktionschefin Dora Heyenn neben Ja- einige Neinstimmen geben, einige Fraktionsmitglieder wollen sich enthalten. "Wir hätten Mathias Petersen gern in dem Amt gesehen", sagte Heyenn, zumal dieser vor Kurzem sogar bis vor das Verfassungsgericht zog, um die Auskunftsrechte der Abgeordneten gegenüber dem Senat zu stärken. Dennoch wolle man Veit eine Chance geben.

Nur die FDP-Fraktion wird aller Voraussicht nach geschlossen für Veit stimmen. Das sei auf der Fraktionssitzung am Montagabend Konsens gewesen, so die Fraktionsvorsitzende Katja Suding. "Wir werden hierbei keine parteipolitische Auseinandersetzung starten, um dem Amt keinen weiteren Schaden zuzufügen", sagte Suding.

Der neu gewählte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel versuchte die Wogen nach der Kampfkandidatur im eigenen Lager zu glätten. "Das ist ein normaler demokratischer Vorgang", sagte Dressel. Trotz der 28 Stimmen für Petersen (bei 32 für Carola Veit) werde die Fraktion geschlossen für Veit stimmen. Es gebe seit 25 Jahren zu SPD-Regierungszeiten die Tradition, dass das Parlament von einer Frau geführt werde, wenn der Bürgermeister ein Mann sei.

Andere Genossen werteten die große Zustimmung für Petersen als nicht ganz so alltäglich. Viele halten den Altonaer schlicht für den besseren Kandidaten, andere wollten der Parteiführung signalisieren, dass nicht jede vorab ausgekungelte Personalie widerstandslos hingenommen werde, sagte ein Abgeordneter. SPD-Urgestein Wolfgang Rose konnte die Gegenkandidatur nachvollziehen: "Mathias Petersen weiß, dass er an der Basis und in der Bevölkerung besser ankommt als in den Parteigremien, und das hat ihn wohl bestärkt, für das Amt zu kandidieren."

Für den Fraktionsältesten Jan Ehlers sind die vielen Stimmen für Petersen ein eindeutiges Zeichen für den Unmut der Fraktion über das vorgefertigte Personaltableau. Dass der Bürgermeister die Senatoren auswähle, sei Usus, so Ehlers. Über ein Amt wie das der Bürgerschaftspräsidentin sollte jedoch diskutiert werden. Insofern "schmücke" die Abstimmung die Fraktion, "dieser Akt von innerparteilicher Demokratie hat uns gut angestanden". Ehlers selbst hat Petersen gewählt, auch weil dieser sich durch sein gutes Wahlergebnis ein Amt verdient habe. Die repräsentative Form des Bürgerschaftspräsidenten sei Petersen "auf den Leib geschneidert".

CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich setzte gestern einen anderen Ablauf der Wahl als den ursprünglich geplanten durch. Der sah vor, erst den Senat inklusive Stapelfeldt zu bestätigen und dann ihre Nachfolgerin als Bürgerschaftspräsidentin zu wählen. "Wenn die Präsidentin ein anderes Amt anstrebt, gebietet es die Würde des Parlaments, dass sie es vorab informiert und ihren Posten niederlegt", sagte Wersich. So wird es nun kommen: Stapelfeldt tritt zurück, dann folgt die Wahl ihrer Nachfolgerin und schließlich wird der neue Senat bestätigt. Die SPD folgte am späten Nachmittag dem Wunsch von CDU und GAL.