Peter Ulrich Meyer leitet das Landespolitik-Ressort des Hamburger Abendblatts und schaut für Sie hinter die Kulissen des Hamburger Rathauses.

Hamburg. SPD-Bürgermeisterkandidat Olaf Scholz hat sich einen Ton bei Ankündigungen angewöhnt, der potenzielle Koalitionspartner namentlich von den Grünen schon mal leicht frösteln lässt. Scholz klingt einfach nicht so, als ob er Widerspruch dulden würde, wenn es denn zu ernsthaften Gesprächen über ein Bündnis kommt. Wie es mit der Stadtbahn weitergeht (besser gesagt: nicht), wie gespart und der Kita-Besuch trotzdem bald kostenfrei werden soll - das alles hat Scholz im Stile der Basta-Politik des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder vorgegeben.

Am Donnerstagvormittag war es wieder einmal so weit: Scholz steckte seinen Kurs für die Zeit nach dem 20. Februar ab. Das Forum war unverdächtig. Der Verein der ausländischen Presse in Deutschland hatte sich in der SPD-Parteizentrale Kurt-Schumacher-Haus in St. Georg angesagt: rund 20 Journalisten unter anderem aus Frankreich, Großbritannien, Österreich, der Schweiz, Griechenland und Japan - darunter auch drei Fernsehteams.

Bei Kaffee und Keksen gewährte Scholz Einblick in seine Personalplanungen - sonst ein absolutes Tabuthema. Einzige Ausnahme: Scholz hat bereits angekündigt, den früheren Handelskammer-Präses Frank Horch (parteilos) zum Wirtschaftssenator zu machen, falls er Bürgermeister wird. Ansonsten gilt: Selbst Parteifreunde, die sich Hoffnungen auf einen Senatoren- oder Staatsratsposten machen, tappen völlig im Dunkeln. Scholz ist eben ein Politik-Profi, für den innerparteiliche Disziplin ein hohes Gut ist.

Er werde, so der Sozialdemokrat zu den Journalisten, einige Senatsposten extern besetzen, also nicht mit Hamburger Parteifreunden. Das dürfte die Nervosität von Aspiranten aus dem hiesigen Sprengel noch erhöht haben. Das Risiko, übergangen zu werden, ist nach dieser Ankündigung größer geworden.

Bislang darf lediglich als sicher gelten, dass SPD-Fraktionschef Michael Neumann in einen Scholz-Senat wechseln wird, wenn er es denn will. Das ist die Anerkennung für Neumanns Kärrnerarbeit als Oppositionschef in der Bürgerschaft. Neumann dürfte sich, wenn überhaupt, für das Innenressort entscheiden. Als Nachfolger auf dem Posten des Fraktionschefs stünde der Innenpolitiker und Parteivize Andreas Dressel bereit, der alternativ auch Innensenator werden könnte.

Als relativ sichere Bank für den Posten des Finanzsenators muss SPD-Haushaltsexperte Peter Tschentscher gelten. Er hat das Sparkonzept der SPD entwickelt, das sich Scholz zu eigen gemacht hat. Einiges spricht dafür, dass Scholz auch Ex-Parteichef Mathias Petersen bedenkt, der 2007 durch den Stimmenklau bei der parteiinternen Urwahl um die eigene Spitzenkandidatur gebracht worden war. Der Mediziner Petersen könnte Bürgerschaftspräsident werden und müsste dafür, anders als für einen Senatsposten, seine Praxis nicht aufgeben.

Scholz' zweite Ansage vor den ausländischen Journalisten birgt erhebliche Brisanz. Er wolle nur Spitzenbeamte aus der Verwaltung zu Staatsräten ernennen. Versorgungsposten werde es ebenso wenig geben wie den Karrieresprung vom Staatsrat zum Senator. Vordergründig besinnt sich der Bürgermeister-Kandidat damit auf die klassische Rolle der Staatsräte als Verwaltungschefs der Behörden. Während der Senator, die Senatorin die "Politik" der Behörde bestimmt und nach außen vertritt, wirkt der Staatsrat in den Apparat hinein und sorgt für die Abstimmung zwischen den Behörden.

In den zurückliegenden Jahren sind die Staatsräte zunehmend nach Parteibuch besetzt worden und waren bisweilen ohne große Verwaltungserfahrung. In Koalitionsverhandlungen sind sie längst auch Teil des Personalpokers. Das will Scholz offensichtlich nicht mehr praktizieren, auch weil es seiner Vorstellung vom guten Regieren - dem zentralen Ansatz seiner Wahlkampagne - nicht entspricht.

Ole von Beust berief zum Beispiel 2008 den damaligen CDU-Fraktionschef und Lehrer Bernd Reinert zum Staatsrat der Wissenschaftsbehörde. Auch sein Vorgänger Roland Salchow war ein langjähriger, verdienter CDU-Bürgerschaftsabgeordneter ohne große Verwaltungserfahrung. Der CDU-Abgeordnete und Diplom-Kaufmann Andreas Ernst wurde 2006 für zwei Jahre Sport-Staatsrat - zuvor war er Sprecher der Hochbahn. Ohne Verwaltungserfahrung kam Walter Wellinghausen ins Amt: Ronald Schill berief den versierten Rechtsanwalt 2001 zum Innen-Staatsrat. Es gab auch andere Beispiele: Robert Heller, acht Jahre lang Finanz-Staatsrat, ist Verwaltungsjurist.

Auch die "Beförderung" vom Staatsrat zum Senator, die Scholz abschaffen will, war in den Von-Beust-Jahren üblich: Sozialsenator Dietrich Wersich, Ex-Wirtschaftssenator Axel Gedaschko, Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach und Bürgermeister Christoph Ahlhaus (alle CDU) haben als Senatssyndici, wie die Staatsräte auch genannt werden, angefangen. Allerdings gibt es auch in der SPD-Geschichte solche Beispiele: Sowohl der frühere Innensenator Werner Hackmann als auch sein Nachfolger Hartmuth Wrocklage kamen aus dem Syndikat. Während der inzwischen gestorbene Hackmann ein ausgebuffter Senator wurde, konnte Wrocklage den Beamten nie ablegen.

Die spannende Frage lautet, ob Scholz seine Vorgaben auch zur Richtschnur für einen Koalitionspartner erheben will. "Man soll aus der Verwaltungserfahrung kein Dogma machen", sagt ein Spitzen-Grüner. Schließlich gebe es Politiker, die sich als fachlich engagierte Abgeordnete eine solide Behördenkenntnis erarbeitet haben. Und umgekehrt müsse ein Topbeamter nicht zwingend politisches Fingerspitzengefühl haben. Klingt nicht so, als ob sich die GAL von Olaf Scholz vorschreiben lassen wollte, wen sie zum Staatsrat ernennt - für den Fall der Fälle.