Nordbank geht in die Offensive und fordert Schadenersatz von Ex-Vorständen. Aber im Fall Roth muss sie selbst zahlen

Hamburg. Der folgende Satz ist etwas lang geraten, aber kürzer geht es leider nicht. Also: Wenn in der Führungsetage einer Bank eine Wanze gefunden wird, wenn diese Bank ihre Fenster mit abhörsicherer Folie bekleben lässt, wenn sie einen Vorstand wegen eines Geheimnisverrats feuert, den er nicht begangen hat, wenn ein anderer Manager entlassen wird, weil auf seinem Computer Kinderpornos gefunden werden, die der Mann dort nicht selbst platziert hat, sondern möglicherweise eine Detektei, die außerdem verdächtigt wird, Politiker ausgespäht und mit Geld der Bank die türkische Justiz geschmiert zu haben, und wenn alle diese Vorgänge von drei Staatsanwaltschaften untersucht werden und letztlich zum Rauswurf des Vorstandschefs führen - dann bleibt festzuhalten, dass in dieser Bank etwas nicht stimmt.

Und es bleibt festzuhalten, dass diese Vorgänge der Bank schaden, und zwar so oder so, egal, was nun stimmt und was nur ein Verdacht ist.

Klaus Landry hat sich daher dafür entschieden, der HSH Nordbank eine neue Rolle zuzuweisen: "die Geschädigte". Der frühere Präsident der Rechtsanwaltskammer Hamburg, der seit einigen Wochen alle Rechtstreitigkeiten der HSH Nordbank koordiniert, formulierte gestern die Ansprüche der Bank, aber auch die Probleme der einzelnen Fälle. Eine Bestandsaufnahme.

Der Fall "Omega": Auch für Nonnenmacher noch eine Gefahr

Gegen die Ex-Vorstände Peter Rieck, Jochen Friedrich, Hartmut Strauß und Eckehard Dettinger-Klemm hat die HSH Schadenersatzforderungen geltend gemacht. Ihnen wirft sie "verschiedene Pflichtverletzungen" bei Transaktionen vor, wobei das mit einem dreistelligen Millionenverlust abgeschlossene "Omega"-Geschäft das prominenteste Beispiel ist. Theoretisch könnten zweistellige Millionenbeträge zurückgefordert werden, aber realistisch sind deutlich niedrigere Summen.

Omega könnte auch Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher noch gefährlich werden. Die Trennung von ihm ist zwar bereits beschlossen, aber noch ist unklar, ob ihm eine Pflichtverletzung nachzuweisen ist oder ob er Anspruch auf eine Abfindung in Millionenhöhe hat. In einem Zwischenbeschluss zu den Ermittlungen gegen den HSH-Vorstand sprach das Landgericht Hamburg am 15. Oktober von gravierenden Pflichtverletzungen des Vorstands.

Der Fall Roth: "Nach einigem Zögern" lenkt Kopper jetzt doch ein

Frank Roth darf sich hingegen auf einige Millionen freuen. Landry zufolge verhandelt die HSH mit dem früheren Vorstand über eine Rehabilitation und auch über Schadenersatz. Roth war vorgeworfen worden, ein vertrauliches Dokument an englische Medien weitergegeben zu haben. Um ein Leck in der Bank zu finden, hatten Nonnenmacher und Chefjurist Wolfgang G. Anfang 2009 gezinkte Unterlagen an alle Vorstände eingetütet - nur das an Roth war an Nonnenmacher zurückgeschickt worden. Am 16. April wurde er fristlos gefeuert und angezeigt.

Die Staatsanwaltschaft Kiel fand jedoch keinerlei Hinweise für die Geheimnisverrat-Vorwürfe und ermittelt nun gegen die HSH, diesen Vorwurf konstruiert zu haben - aber nur gegen den suspendierten Chefjuristen - der die Vorwürfe zurückweist -, nicht gegen Nonnenmacher. Nachdem die HSH zunächst immer absurdere Begründungen für die Vorwürfe gegen Roth vorlegte und Aufsichtsratschef Hilmar Kopper trotz der Einlassung der Staatsanwaltschaft Roth partout nicht rehabilitieren wollte, lenkt die Bank nun ein. "Nach kurzem Zögern", so Landry, habe das auch Kopper akzeptiert.

Der Fall New York: der größte Imageschaden für die HSH

Was sich am 17. September 2009 in New York abspielte, dürfte selbst für die von Skandalen erschütterte Bankenszene einmalig sein. Da stürmte ein ganzer Trupp Juristen, Sicherheitsleute, IT-Spezialisten und sogar ein Ex-FBI-Agent ein Büro im 33. Stock der HSH-Filiale an der Park Avenue, um einen einzigen Mann zu entlassen: Roland K. Weil der Statthalter der HSH Nordbank in den USA aber nicht anwesend war, wurde er kurzerhand per E-Mail gefeuert. Ohne Begründung. Bei der späteren Durchsuchung seines Büros sollen Mitarbeiter der Sicherheitsfirma Prevent zielstrebig auf ein Bild von Roland K.s Tochter hingewiesen haben, und dahinter fand sich - Potzblitz - eine E-Mail-Adresse, die zu Kinderpornos führte.

Dem Ex-FBI-Mann kam die Sache aber nicht koscher vor, und er behielt seine Beobachtungen nicht für sich. Seitdem ermittelt die Staatsanwaltschaft New York gegen HSH-Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher und den früheren Chefjuristen Wolfgang G.

Aktueller Stand: Während die Beweislage gegen Nonnenmacher offenbar dünn ist - an der Aktion war er womöglich nur insofern beteiligt, dass er K. für 10 Uhr zu einer Telefonkonferenz bestellt hatte -, wird das Verfahren gegen Wolfgang G. in New York "sehr ernst" genommen", so Klaus Landry. Merkwürdig: Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt zwar auch wegen des Verdachts der "Manipulation von Beweismitteln", aber nur gegen zwei Preventleute, nicht gegen Nonnenmacher und auch nicht gegen den Ex-Chefjuristen. Dieser werde "in diesem Verfahren nicht als Beschuldigter geführt", bestätigte die Staatsanwaltschaft seinem Anwalt erst am 24. November - das Schreiben liegt dem Abendblatt vor. Mit Roland K. hat die HSH inzwischen einen Vergleich geschlossen. Etwa 7,5 Millionen Dollar soll er erhalten haben.

"Wir betrachten uns als Geschädigte", sagte Landry über diesen Fall, der wie kein Zweiter das Image der Bank ramponiert hat. Finden die Ermittler einen Schuldigen, wird er mit massiven Schadenersatzforderungen der HSH rechnen müssen.

Der Fall "Shisha": Prevent soll 3,5 Millionen Euro zurückzahlen

In den Fällen Roland K. und Frank Roth durchsuchte die Staatsanwaltschaft bereits Büros und Privatwohnungen von Preventmitarbeitern. Die Firma weist alle Verdächtigungen, gegen Gesetze verstoßen zu haben, zurück. Mögliche Schadenersatzforderungen der HSH gegen Prevent hängen vom Ausgang der Ermittlungen ab.

Im Fall "Shisha" - so der Codename für einen Auftrag in der Türkei - dürfte es hingegen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Millionenforderung kommen. Denn zumindest das "Erfolgshonorar" in Höhe von 3,5 Millionen Euro, das die Sicherheitsfirma eingestrichen hatte, nachdem ein Rechtstreit mit einem türkischen Reeder zwischenzeitlich zugunsten der HSH ausgegangen war (siehe Seite 1), wird die Bank zurückfordern, nachdem der Prozess doch verloren wurde.

Fraglich bleibt aber, wer die Zahlung des Honorars überhaupt angewiesen hat, obwohl keine Einigung mit dem Reeder vorlag, und warum es nicht längst zurückgefordert wurde. "Mit ist vieles unverständlich", sagt Landry über den Fall, aber eines weiß er: Nonnenmacher hat damit nichts zu tun.

Das ändert aber nichts mehr daran, dass kommende Woche ein neuer Vorstandschef präsentiert wird.