Wirtschaftssenator Ian Karan befürchtet “existenzielle Belastungen“ für Wirtschaft durch neue Sielabgabe. Privathaushalte profitieren.

Hamburg. Während Haus- und Wohnungsbesitzer sich darauf freuen dürfen, stößt die vom Senat gestern angeschobene Aufsplittung der Sielbenutzungsgebühr in der Wirtschaft noch auf Skepsis. Denn die Berechnung der künftigen Regenwassergebühr anhand der versiegelten Fläche eines Grundstücks wird viele Firmen hart treffen. Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) rechnet zum Beispiel für einen Supermarkt mit Mehrkosten von 1400 Euro pro Jahr. Für große Industriebetriebe kann die Mehrbelastung mehrere 10.000 Euro betragen.

Wirtschaftssenator Ian Karan (parteilos) bereitet das Sorgen: "Es ist klar, dass von dieser neuen Regelung insbesondere Logistikunternehmen, der Airport und solche Unternehmen mit einem großen Aufkommen versiegelter Fläche betroffen sind", sagte er dem Abendblatt und fügte hinzu: "Insgesamt muss unbedingt verhindert werden, dass es hier zu existenziellen finanziellen Belastungen für die Betroffenen kommt." Er werde die Neuordnung "konstruktiv und kritisch" begleiten.

Wie die meisten anderen Bundesländer es bereits tun, will auch Hamburg vom 1. Januar 2012 an getrennte Gebühren für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung erheben. Bislang gibt es nur eine Gebühr von 2,67 Euro pro Kubikmeter, die nach dem Trinkwasserverbrauch bemessen wird. Diese heißt künftig Schmutzwassergebühr und sinkt auf 1,94 Euro. Dafür kommt eine neue Niederschlagswassergebühr von 67 Cent pro Quadratmeter versiegelter Fläche hinzu. Das betrifft etwa Dachflächen, Parkplätze, Auffahrten oder Terrassen. Die meisten privaten Grundeigentümer kommen unterm Strich besser weg. So sinken die Kosten für ein Einfamilienhaus um etwa zwölf Euro im Jahr, für ein Reihenhaus um 50 Euro und für ein Mehrfamilienhaus mit zehn Parteien gar um 600 Euro. Mehreinnahmen erwartet Hamburg Wasser durch die Maßnahme nicht.

Für die Neuregelung gibt es zwei Motive: Erstens erscheint es unlogisch und ungerecht, die Gebühr für die Einleitung von Regenwasser ins Sielnetz nach dem Trinkwasserverbrauch zu errechnen. Zweitens sollen Anreize geschaffen werden, Flächen zu renaturieren. Umwelt-Staatsrat Christan Maaß (GAL) zufolge wurden allein von 1999 bis 2006 in Hamburg 750 Hektar neu versiegelt. Das könne nach Starkregenfällen zu Überflutungen und einem Überlaufen der Kanalisation beitragen.

In der Handelskammer hält man die Neuregelung für "logisch und rechtlich geboten", so Ulrich Brehmer, Geschäftsführer Innovation und Umwelt. Es müssten aber "Abmilderungsmechanismen für Härtefälle" eingebaut werden. "Bislang sind nur Stundung und Ratenzahlung geplant, das ist uns zu wenig", sagte Brehmer. Denkbar sei, für Betriebe, die ihre Flächen gar nicht entsiegeln dürfen, weil sie mit Gefahrstoffen arbeiten, eine Gebührenobergrenze festzulegen. Außerdem müsse eine Frist eingeräumt werden, auf die Neuregelung zu reagieren - zum Beispiel durch das Verlegen von Rasengittersteinen.

"Wir wollen mit der Abwasserregelung keine Unternehmen in den Ruin treiben", sagte Hamburg-Wasser-Chef Wolfgang Werner. So sei es Hafenbetrieben gestattet, ihr Regenwasser, sofern es nicht verunreinigt ist, direkt in die Elbe zu leiten. Zu den Industriebetrieben, die schon lange reagiert haben und von der Neuregelung daher weitgehend verschont bleiben dürfen, gehört Aurubis: Europas größter Kupferproduzent sammelt Regenwasser, bereitet es auf und nutzt es als Kühlwasser. "Das nochmals gereinigte Kühlwasser darf in die Elbe eingeleitet werden", sagte Sprecherin Michaela Hessling. Außerdem bereitet die Firma Elbwasser auf und nutzt es für die Schwefelsäureherstellung - das spart Trinkwasser. Die versiegelte Fläche wird von Januar an anhand von Luftbildern ermittelt. Daraufhin werden alle Grundbesitzer angeschrieben und können die Berechnung gegebenenfalls beanstanden.