Vermieter verlangt 244 Prozent mehr Miete. 43 Jahre lang haben die Schröders in ihrer Wohnung an der Tresckowstraße 33b gelebt.

Eimsbüttel. Als Hans Hermann Schröder den Brief seines Vermieters öffnet, will er zunächst seinen Augen nicht trauen: Ihr Wohnhaus werde modernisiert und deshalb müssten seine Frau und er für die Zweizimmerwohnung nun jeden Monat 600 Euro mehr Miete zahlen, steht dort. Die Kaltmiete betrage nach Abschluss der Arbeiten 846,12 Euro für 54 Quadratmeter. Für den Rentner, der früher Schutenfahrer im Hafen war, eine Summe, die er nicht aufbringen kann.

43 Jahre lang haben die Schröders an der Tresckowstraße 33b gewohnt. Sie haben dort drei Kinder großgezogen, mit sechs Enkeln gespielt. Als sie 1967 eingezogen sind, gab es in der Wohnung einen Kohleofen und nur drei Steckdosen, die Miete betrug 92 Mark, warm. "Wir haben alles selber gemacht", sagt Hans Hermann Schröder. Sie bauten eine Gasheizung ein, fliesten das Badezimmer, legten neue Steckdosen. "Unsere Wohnung war tipptopp", sagt der 67-Jährige.

"Wir haben uns dort wohlgefühlt." Die Modernisierung des Hauses bedeutete für sie den Auszug - und den Abschied von Eimsbüttel. Helga Schröder hat mehr als 18 Jahre lang bei Aldi an der Bismarckstraße gearbeitet. "Ich kannte da die ganze Welt", sagt sie. "Wenn ich durch die Osterstraße bin, hieß es ständig: guten Tag, guten Tag, guten Tag." Jetzt wohnen die Schröders in Schnelsen. Hier kenne sie niemanden, sagt die 64-Jährige, aber nach Eimsbüttel zum Einkaufen und Klönen fahren wolle sie auch nicht: "Da bekomme ich sofort Heimweh, das halte ich nicht aus."

Das Haus, in dem die Schröders gewohnt haben, ist Baujahr 1900, die Anlagentechnik auf dem Stand von 1985. Ihre Wohnung ist eine von rund 120.000 Hamburger Wohnungen, die laut Mieterverein zu Hamburg "energetisch sanierungsbedürftig" sind. Denn nach dem Willen der Bundesregierung sollten bis zum Jahr 2050 alle Häuser in Deutschland so modernisiert sein, dass keine Wärme mehr nach außen dringt. Die Kosten für die Wärmedämmung würden die Mieter durch niedrigere Heizkosten einsparen, argumentiert Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Laut geltendem Recht können Vermieter elf Prozent der Kosten, die bei der energetischen Sanierung anfallen, auf ihre Mieter umlegen - jedes Jahr, unbefristet. Bei einer Investition von 20 000 Euro erhöht sich die Miete um mehr als 180 Euro im Monat, rechnet der Deutsche Mieterbund vor. Dem stehen Heizkosten von durchschnittlich 80 Euro für eine 70 Quadratmeter große Wohnung gegenüber. "Wichtig ist deshalb, dass die Mieterhöhungen künftig durch mögliche Heizkostenersparnisse begrenzt werden", fordert Franz-Georg Rips, Präsident des Deutschen Mieterbundes.

Die Schröders seien mit einer Mieterhöhung von 244 Prozent "ein krasser Fall", sagt Eckhard Pahlke, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. "Aber schon wenn sich die Miete verdoppelt, ist das heftig - und das wird viele betreffen." Schon jetzt müssten viele Hamburger 50 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufwenden, es könne daher nicht sein, dass nun auch die Modernisierungskosten "dem Mieter aufgedrückt werden", so Pahlke. Er plädiert für eine Drittelung der Kosten: Ein Drittel der Modernisierungskosten soll der Staat tragen, ein Drittel der Mieter und ein Drittel der Vermieter.

Heinrich Stüven vom Hamburger Grundeigentümerverband hält diesen Vorschlag für "nicht sachgerecht". Der Staat könne solch hohe Subventionen gar nicht auftreiben: "Die Regelung, die wir jetzt haben, ist sinnvoll."

Für die energetische Sanierung von Mietwohnungen zahlen zurzeit zwei Parteien: der Staat und die Mieter. Mit Krediten und Zuschüssen von rund neun Milliarden Euro hat die staatseigene KfW-Bankengruppe im vergangenen Jahr energieeffizientes Bauen und Sanieren gefördert. Der Mieterverein zu Hamburg hat mittlerweile für das Ehepaar Schröder eine Entschädigung von 12.000 Euro ausgehandelt. "Wenn ich überlege, wie viel ich in die Wohnung hineingesteckt habe, ist das ein Witz", sagt Hans Hermann Schröder.