Die 23-jährige Tina Streiff war die beste ihres Bachelor-Jahrgangs. Einen Masterplatz bekam die junge Akademikerin aber nicht: zu viele Bewerber.

Hamburg. Tina Streiff flog beruhigt in ihr Praktikum nach Spanien. Mit ihrem Bachelor-Abschluss , dem besten ihres Jahrgangs in Betriebswirtschaftslehre (BWL), sollte es doch kein Problem sein, auch einen BWL-Masterplatz an der Universität Hamburg zu bekommen. Ein freiwilliger Auswahltest? "Bei Ihrem Schnitt und der aktuellen Bewerberlage brauchen Sie den nicht", versicherte ihr die zuständige Mitarbeiterin der WiSo-Fakultät.

Umso mehr staunte Tina Streiff, als sie die E-Mail der Uni las. Ihre Bewerbung zum Masterplatz: abgelehnt! "Das ist komisch, von seiner eigenen Uni nicht genommen zu werden, obwohl man die Beste ist", sagt die 23-Jährige.

Zum ersten Mal bewerben sich in großer Zahl Bachelor-Absolventen auf Masterplätze. Das ist Folge der Bologna-Reform . Weil die Bewerberzahl das Platzangebot deutlich übersteigt, gibt es für jeden Studiengang spezifische Auswahlverfahren. Dabei kommt es nicht nur bei Tina Streiff zu Problemen an der Hamburger Uni.

Nur 2497 Plätze für einen weiterführenden Masterstudiengang konnte die Uni den 5773 Bewerbern anbieten. Zum Vergleich: Für Bachelor-Studiengänge stehen 5558 Plätze zur Verfügung. Das ist eine Übergangsquote von nicht einmal 50 Prozent. "Die Kapazitäten reichen definitiv nicht aus und müssen erhöht werden", sagt der Bürgerschaftsabgeordnete Philipp-Sebastian Kühn (SPD). Er denkt an eine Quote von 80 bis 90 Prozent. "Jeder, der einen Master machen möchte, muss dies auch tun können", so Kühn. Uni-Präsident Lenzen geht sogar noch weiter. "Ich bin der Auffassung, dass die Übergangsquote von Bachelor auf Master eigentlich 100 Prozent betragen muss", sagte Lenzen auf Abendblatt-Anfrage.

Um aus den vielen Bewerbern die Richtigen herauszufiltern, erlaubt das landesweite Hochschulzulassungsgesetz (HZG) den Fakultäten, eigene Auswahlkriterien festzulegen. Motivationsschreiben, Praktika und Leistungsnachweise sind überall erforderlich - oder ein spezieller Test, der nur für den Hamburger BWL-Master gilt.

Diesen sogenannten TM-WiSo-Test hatte Tina Streiff nicht wahrgenommen, da sie zu der Zeit in Spanien war. Laut Auswahlsatzung der WiSo-Fakultät zählt die Bachelor-Note genauso viel wie das Testergebnis. Bei Fernbleiben am einzigen möglichen Termin bekommt man die Note 4,0. Bei einer Abschlussnote von 1,6 stand Tina Streiff dann mit einer Bewerbernote von 2,8 auf der Rangliste - das war zu schlecht.

Eingeführt hat die Uni den speziellen Test, "um die Auswahlkriterien objektivierbarer zu machen", so ein Mitarbeiter der Zulassungsstelle. Ein externes Unternehmen bietet den Test an. "Ein Test, der 97 Euro kostet und nur für die Uni Hamburg gilt, kann die Auswahlentscheidungen nicht verbessern und stellt die Gültigkeit des BachelorAbschlusses infrage", sagt Aida Golghazi vom Vorstand des Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA).

Der AStA kritisiert nicht nur die Auswahlverfahren für den BWL-Master. Der Fakultät 5, "Sprache, Literatur und Medien", wirft er vor, das Motivationsschreiben jedes Bewerbers in die Auswahl mit einbezogen zu haben, obwohl die Auswahlsatzung dies nur für den Fall vorsieht, dass die Bachelor-Noten mehrerer Studenten gleich sind. "Das Motivationsschreiben muss jeder verfassen, weil wir wissen wollen, warum die Bewerber zu uns möchten. Wir halten uns aber grundsätzlich an die Satzung", sagt dazu Bernd Struß von der Studienberatung der Fakultät 5 dem Abendblatt.

Auch bei dem Auswahlverfahren zum Masterstudiengang Biologie soll sich die Uni nicht korrekt verhalten haben, kritisiert der AStA. Bei der Bewertung der Motivationsschreiben soll der Notenrahmen nicht voll ausgenutzt worden sein.

Dass die Zulassungsstellen ob des neuen Studiensystems überfordert sind, glaubt die Uni-Leitung nicht. "Das Bewerbungssystem ist komplexer, da aber die Zugangsvoraussetzungen zu den einzelnen Studiengängen klar definiert sind, sollte dies keine Überforderung darstellen", heißt es in einer Stellungnahme für das Abendblatt.

Anders sieht das Joachim Schaller. "Ich kann feststellen, dass die Uni mittlerweile ihre eigenen Regelungen nicht einhält", sagt der Rechtsanwalt. Schaller hat sich auf Studienplatzeinklagen der Hamburger Studenten spezialisiert. Er kann die Vorwürfe des AStA aufgrund der Fälle seiner Mandanten dem Abendblatt gegenüber bestätigen. "Dieses Durcheinander ist die Konsequenz der politischen Entscheidung, das Zulassungsrecht den einzelnen Fakultäten zu überlassen", so Schaller. Er prüft zurzeit, ob die Auswahlkriterien überhaupt rechtskonform sind.