Kapitän und Crew verstecken sich gut 20 Stunden in einem kleinen, versteckten Schutzraum. Die US Navy nimmt die Piraten fest.

Neustadt. Es war gegen 10 Uhr, als im fünften Stock des Hauses Domstraße 17 das Telefon im Büro der DS Schiffahrt GmbH klingelte. In gebrochenem Englisch verlangte ein Mann energisch Auskunft: "Wo ist die Mannschaft, wieso läuft die Maschine nicht?" Perplex registrierten die Mitarbeiter der Reederei, dass dort Piraten aus dem Golf von Aden in Hamburg anriefen. Es war der bizarre zweite Akt eines Kidnapping-Dramas, das gestern glücklich beendet werden konnte. Am frühen Morgen enterten US-Marinesoldaten die entführte "Magellan Star" und nahmen neun Seeräuber fest. Der polnische Kapitän und seine zehnköpfige Crew hatten da gut 20 Stunden in einem kleinen, versteckten Schutzraum ausgeharrt - ohne dass sie von den Piraten gefunden werden konnten.

"Wir sind sehr glücklich über den Ausgang und auch stolz auf unsere Leute, die nun so schnell wie möglich zurück zu ihren Familien fliegen sollen", sagt Jürgen Salamon, Eigentümer der Dr.-Peters-Gruppe, zu der die Hamburger Reederei gehört. Salamon, der von Dortmund aus die wohl größte deutsche Tanker- und Handelsflotte lenkt, will nun in den nächsten Tagen nach Dubai fliegen, wohin auch die "Magellan Star" in Begleitung eines amerikanischen Kriegsschiffs ihren Kurs abgesetzt hat.

Das 133 Meter lange Schiff ist ein relativ kleiner Containerfrachter, der meist im Zubringerdienst in Ost- und Nordsee eingesetzt war. In Zeiten geringer Frachtraten hatte das Schiff jetzt eine Ladung mit schweren Ankerketten übernommen, die es nach Vietnam bringen sollte. Dabei muss auch die gefährliche Piraten-Passage im Golf von Aden passiert werden. Die DS Schiffahrt meldete daher den Frachter bei den Behörden für einen der dort üblichen Konvois an, die von Marineschiffen begleitet werden.

Am frühen Mittwochmorgen gab es von einem Schnellboot aus die erste, offenbar erfolglose Attacke auf ein Schiff des Konvois. Wenig später gelang es dann den Piraten, die "Magellan Star" zu entern, während sich Militärschiffe außerhalb der Sichtweite befanden. Der 61-jährige Kapitän ließ sofort die Maschine abstellen und zog sich mit der Crew in den Schutzraum zurück. Die vielen Stunden, Hitze, verbrauchte Luft und das Brüllen der Piraten muss zermürbend gewesen sein. "Das muss sein, als wäre man verschüttet", sagt Reeder Salamon. Die Piraten brachen etliche Türen auf, um die Mannschaft zu finden, für die sie Lösegeld erhofften.

Da auf der Brücke für Notfälle auf einem Schild die Telefonnummer der Reederei angebracht ist, riefen sie auch in Hamburg an - gerieten aber auf einen ausgebufften Reederei-Inspektor: "Die Mannschaft ist im Urlaub, der Motor kaputt", so die knappe, mit einem Fluch garnierte Antwort aus Hamburg. Inzwischen war allerdings auch die Gegenreaktion angelaufen. Am frühen Morgen gegen 3.30 Uhr schlugen die Soldaten zu, überwältigten die Piraten und befreiten die unverletzte Mannschaft. Da viel technische Ausrüstung der "Magellan Star" von den Seeräubern zerstört wurde, muss sie nun in Dubai repariert werden.

Unklar ist, was mit den neun Piraten geschieht. Da kein deutscher Staatsbürger auf dem Schiff betroffen war, wäre eine Auslieferung nicht automatisch die Folge wie im Fall von zehn anderen somalischen Piraten, die in Hamburg derzeit auf ihren Prozess warten. "Wir prüfen diesen neuen Fall jetzt", teilt die Hamburger Staatsanwaltschaft mit.