Die GAL- und SPD-Fraktionschefs im Bezirk Mitte, Michael Osterburg und Hansjörg Schmidt werben für eine neue Koalition in Hamburgs Zentrum.

Hamburg. Während sich CDU und GAL auf eine Fortsetzung ihrer Koalition in der Bürgerschaft vorbereiten und Neuwahlen nahezu ausgeschlossen scheinen, werben Spitzenpolitiker des Bezirks Mitte vehement für eine rot-grüne Landesregierung. "SPD und Grüne, das ist ein Erfolgsmodell", sagte Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) dem Abendblatt, der dieses Bündnis ab sofort auch auf Landesebene fordert - so eindeutig hatte sein Parteichef Olaf Scholz mögliche Neuwahlen bisher nicht angestrebt. Doch auch die Grünen im Bezirk werben grundsätzlich für eine Kooperation mit der SPD: "Unsere erfolgreiche Koalition im Bezirk zeigt, dass rot-grüne Politik näher am Menschen ist und intern auf weniger Widerstände stößt", sagte Michael Osterburg, GAL-Fraktionschef in Mitte.

Seit sechs Jahren regieren SPD und Grüne gemeinsam Hamburgs größten Bezirk und ziehen zur Halbzeit der Wahlperiode eine positive Bilanz - zufällig dürfte der Zeitpunkt nicht gewählt sein, denn am Sonntag stimmt die GAL auf ihrer Mitgliederversammlung über die Fortsetzung des schwarz-grünen Bündnisses ab. Laut aktuellen Umfragen würde eine Mehrheit der Hamburger eine rot-grüne Koalition wählen.

"Hamburgs Herz schlägt schon jetzt rot-grün", sagte auch Hansjörg Schmidt, SPD-Fraktionschef in Mitte. Besonders in der sozialen Stadtentwicklung hätten SPD und GAL gemeinsame Ziele - was GAL-Politiker Osterburg bestätigt: "Die CDU versucht hier insgesamt viele unserer Projekte zu blockieren." In der Frage, Bürger in Planungsprozesse einzubeziehen, habe die CDU eine andere Auffassung. "Wir sind nicht ohne Grund der einzige Bezirk, in dem es bisher keine Bürgerbegehren gegen geplante Baumaßnahmen gab", so Osterburg.

So sei die CDU skeptisch, soziale Erhaltungsverordnungen zu erlassen. Diese Maßnahme, die auf rot-grüne Initiative kürzlich von Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk (GAL) für St. Georg de facto bereits eingeführt wurde, soll eine drastische Aufwertung des Viertels durch sogenannte Luxussanierungen verhindern. Eine soziale Erhaltungsverordnung bedeutet zwar kein Bleiberecht für Mieter oder eine Festlegung der Mieten - laut Gesetz soll aber der "gegenwärtige Zustand des Gebietes" erhalten bleiben, soweit die Bevölkerung darauf angewiesen ist. Die Union kritisiert, diese Maßnahme sei kein "Allheilmittel" und könne die Aufwertung von Stadtteilen höchstens abbremsen, nicht aufhalten. "Hier ist Rot deutlich näher an Grün", sagt GAL-Politiker Osterburg.

So auch bei der Besetzung des Gängeviertels, die bundesweit durch die Medien ging - und in der Gentrifizierungsdebatte vielerorts als Meilenstein für eine umsichtigere Stadtentwicklung betrachtet wird: Die rot-grüne Bezirkskoalition beansprucht es als ihren Erfolg, dass das Grundstück nicht nach dem Höchstpreis-Verfahren versteigert wurde. Allerdings hat auch der scheidende CDU-Bürgermeister Ole von Beust eingestanden, dass die Privatisierungspolitik der vergangenen Jahre "nicht immer zum erwünschten Erfolg" geführt habe. Nach Ansicht des rot-grünen Bezirksbündnisses blockiere die CDU auch Pläne, leer stehende Büroflächen in Wohnraum umzuwandeln. Im Quartier Hamm-Süd setzen sich GAL und SPD für bezahlbare Wohnungen ein. "Obwohl selbst Teile der Wirtschaft unsere Vorhaben unterstützen, stellt sich die CDU rein ideologisch dagegen", sagt jedenfalls SPD-Fraktionschef Hansjörg Schmidt. Das gelte auch für den Erhalt alter Bausubstanz: Es sei nicht der CDU zu verdanken, dass etwa Häuser in der Wohlwillstraße oder der Bernhard-Nocht-Straße (beide St. Pauli) saniert und nicht abgerissen werden. Stichwort: bauliche Erhaltungsverordnung.

Auch ökologisch sei Rot-Grün erfolgreich: Das "Spatzenschutzkonzept" habe zur Wiederansiedlung des Haussperlings geführt, immerhin das "Patentier" des Bezirks. Hier zeigt sich jedoch der Unterschied zwischen Politik im Stadtteil und auf Landesebene: Hartnäckige Konflikte wie um das Kohlekraftwerk Moorburg oder die Elbvertiefung tauchen hier nicht auf - bei beiden Themen sind, zumindest aktuell, keine rot-grünen Kompromisse erkennbar. Zwar peilt die SPD-Bürgerschaftsfraktion laut Strategiepapier langfristig wieder ein Bündnis mit dem alten Partner GAL an.

Doch die alltägliche Stimmung zwischen vielen Abgeordneten der SPD und GAL ergibt noch ein anderes Bild. Die SPD-Innenpolitik ist vielen GALiern zu rechtslastig, zudem hat der harte Oppositionskurs der Sozialdemokraten das Verhältnis in Teilen zerrüttet. GAL-Landeschefin Katharina Fegebank sagte kürzlich, es liefen keine Gespräche mit der SPD. "Ich sehe nicht, dass uns die SPD ein Angebot macht", sagte Fegebank. Sie schloss nicht aus, dass die SPD auf eine Große Koalition mit der CDU zusteuere.

In rechteren SPD-Kreisen ist dieses Szenario zumindest schon mal diskutiert worden.