Hamburg ist zwar Patenstadt der “Gorch Fock“ . Doch rund 21 Jahre war das Schiff nicht hier. Das Verhältnis zum Senat galt als schwierig.

St. Pauli. Die Nacht hatte die Bark noch vor Anker auf der Reede bei Stade verbracht, um pünktlich einzutreffen. Mit gesetzten Segeln glitt sie gegen sieben Uhr morgens an Wedel vorbei, dann an Blankenese, und schließlich passierte die "Gorch Fock" die Landungsbrücken , wo sie trotz der frühen Morgenstunde von Tausenden Zuschauern empfangen wurde: ein perfektes Bild, wie inszeniert für die Stadt und ihr Patenschiff, das Segelschulschiff der Marine, das in Hamburg 1958 bei Blohm + Voss vom Stapel gelaufen war. Und ein Bild, das nun schon Historie ist. Denn dieser 20. Juli 1989 war das bisher letzte Mal, dass der legendäre Dreimaster der Deutschen Marine an den Landungsbrücken festmachte. Morgen, nach gut 21 Jahren, wird es wieder so weit sein. Gegen zehn Uhr morgens wird der gerade technisch auf neuen Stand gebrachte Segler in Hamburg erwartet.

Warum diese lange Pause? Darüber ist in der Vergangenheit schon mehrfach spekuliert worden. Tatsache ist, dass die "Gorch Fock" ein gern gesehener Botschafter Deutschlands ist. Bei Windjammertreffen und in ausländischen Häfen ist sie ein begehrter Gast und daher oft ausgebucht. Und dann, wenn Hamburg seinen Hafengeburtstag feiert, liegt das Schiff meist zum Frühlings-Check in der Werft.

+++ Info: Das Segelschulschiff "Gorch Fock" +++

Aber es gibt auch noch einen anderen Grund, der in den vergangenen Jahren für ungewollte "Gorch Fock"-Abstinenz der Hamburger gesorgt haben soll. "Man hatte auch das Gefühl, dass frühere Senate sich nicht unbedingt bemüht hatten, dass die ,Gorch Fock' kommt", heißt es in Marinekreisen auf Nachfrage vorsichtig.

Zuletzt gab es allerdings auch einen tragischen Unfall, der einen Besuch verhindert hatte. Im September 2008, zu ihrem 50. Geburtstag, sollte das Segelschulschiff eigentlich Hamburg zu seinem dann achten Besuch anlaufen. Doch nur 34 Stunden vorher ging eine 18 Jahre alte Offiziersanwärterin während der Deckswache bei schwerem Wetter auf der Nordsee über Bord. Die Leiche der jungen Frau wurde erst elf Tage später bei Norderney gefunden. Weil das Unglück nicht zu einer Feier passte, wurde der Besuch in Hamburg kurzfristig abgesagt. Monate später erst kam eine Abordnung des Schiffs auf Einladung von Bürgerschaft und Senat nach Hamburg, um den 50. Geburtstag nachträglich zu würdigen.

In der langen Geschichte des Ausbildungsschiffs, auf dem jeder angehende deutsche Marine-Offizier eine Zeit lang Dienst tun muss, war das Unglück von 2008 trotz hoher Sicherheitsstandards nicht das einzige: 2002 starb ein 19-Jähriger nach dem Sturz aus der Takelage, einen ähnlichen Unfall gab es bereits 1998.

Unglücke gibt es aber auch auf anderen Schiffen, und die Marine hält an ihrer Segeltradition fest - auch in Zeiten, wo mit Schiffen wie der "Korvette Braunschweig" die technisch modernsten Kriegsschiffe der Welt zur Flotte gehören. Der Ausbildungsabschnitt auf einem Segelschulschiff sei aber immer noch von großer Bedeutung, schreibt die Marine auf ihren Infoseiten zur "Gorch Fock". "Nirgendwo wird der Einfluss des Wetters auf Schiff und Besatzung so intensiv erlebt und zur gesicherten Erfahrung wie auf einem Großsegler. Nirgendwo sonst wird die menschliche Abhängigkeit voneinander so deutlich zur Gewissheit, wie in den Rahen der ,Gorch Fock' bei einer Sturmfahrt", heißt es dort weiter.

Für die 138 Offiziersanwärter und die 85-köpfige Stammcrew dürften solche Tage tatsächlich Erfahrungen bescheren, die die Seeleute frührer Tage vielfach machen mussten. Doch es muss auch ein Glücksgefühl sein, wenn das knapp 90 Meter lange Schiff allein mit der Kraft des Windes durch die Ozeane pflügt: Am 17. und 18. November 1980 schaffte die "Gorch Fock" dabei auf der Nordsee innerhalb von 24 Stunden 323 Seemeilen - ein Rekord für große Segelschiffe. Zeitweilig erreichte sie dabei 17 Knoten und damit das Marschtempo von großen modernen Frachtern. Bis zu 23 Segel mit einer Gesamtfläche von gut 2000 Quadratmetern treiben den Segler bei solchen Fahrten voran. Bei Flaute sorgt ein 1690-PS-Motor für den nötigen Schub und bringt die "Gorch Fock" auf elf Knoten Geschwindigkeit.

Kurz nach ihrem Besuch in Hamburg wird die nach dem Finkenwerder Schriftsteller benannte "Gorch Fock" wohl wieder einige schnelle, stürmische Fahrten erleben. Am 20. August wird sie in Bremerhaven ablegen und dann zu einer ihrer längsten Reisen aufbrechen. Ziel ist Südamerika, und während der 215 angesetzten Seetage soll auch das berüchtigte Kap Hoorn umrundet werden. Doch dafür ist das Schiff nun gut gerüstet: Erst vor wenigen Tagen kam die "Gorch Fock" aus der Werft in Elsfleth. Gut ein halbes Jahr hatte die Grundüberholung gedauert, die routinemäßig alle zehn Jahre ansteht. Die Maschine sowie die Generatoren wurden dabei getestet, die Takelage wurde teilweise ausgetauscht. Und der "weiße Schwan der Ostsee" unterzog sich auch einer Art Ballast-Diät, um Gewicht zu sparen. 50 Tonnen weniger als zuvor wiegt das etwa 2000 Tonnen verdrängende Schiff jetzt.

Im Kiel wurde beispielsweise Eisenballast durch Blei ersetzt, wodurch der Schwerpunkt tiefer liegt und die Segeleigenschaften verbessert wurden. Der Dreimaster, so sagt Kapitän zur See Norbert Schatz, ist nun "optisch und technisch in einem Topzustand".

Die Hamburger können sich davon am Wochenende überzeugen - dann kann das Schiff besichtigt werden: Freitag von 14 bis 18 Uhr und am Sonnabend von 10.30 bis 18 Uhr. Am Sonntag, gegen zehn Uhr wird die "Gorch Fock" an den Landungsbrücken wieder ablegen.