Das Treffen ehemaliger NS-Verfolgter ist beliebt. Bis zu 40 Menschen kommen. Die Stimmung unter den meist 80-jährigen Besuchern ist gut.

Hamburg. Es gibt Pflaumenkuchen, Kaffee, klassische Gitarrenklänge und herzliche Worte der Bürgermeisterin Christa Goetsch in der Altentagesstätte in Planten un Blomen . Freie Plätze gibt es nicht, denn das Treffen ehemaliger NS-Verfolgter ist beliebt. Bis zu 40 Menschen kommen. Die Stimmung ist familiär; die meist um 80-jährigen Besucher zeigen Höflichkeit, Hilfsbereitschaft und schicke Kleidung.

So wie Channa Birnbaum, die sich freut, wenn ihr Vorname richtig als Hanna ausgesprochen wird, und erzählt, wie sie als junges Mädchen "Fuchs" gerufen wurde. "Wegen meiner roten Haare", sagt sie. "Fuchs soll nach vorn kommen!" So rief ein SS-Mann im Konzentrationslager Kaufering im Jahr 1944 die Jüdin. Und sie kam in eine Baracke, sollte Listen schreiben. Es war eine Chance. "Mithäftlinge sagten: Schreib so langsam, wie du kannst, damit du bleibst. So wurde ich Lagerschreiberin", sagt die 84-Jährige. Sie überlebte Typhus und den Todesmarsch bei minus 25 Grad am Kriegsende. "Wir hatten keine Mäntel, kaum Wäsche und nur Holzpantinen. Am fünften Tag befreiten uns die Amerikaner, und ich kam in ein Depot, wurde dort wieder Schreiberin, auch weil ich Rumänisch, Ungarisch, Deutsch und Französisch spreche."

Auf wundersamen Wegen fand ihre Schwester mit ihrem Verlobten, einem Häftling, auch in das Depot. "Ich arrangierte die Hochzeit. Der US-Kommandant traute beide; neben der Bibel lag seine Pistole." Später kam Channa Birnbaum nach Hamburg, arbeitete als Sachbearbeiterin. Ihre Geschichte erzählt sie charmant lächelnd, ohne zu haken, mit einer lauten Theaterstimme, so als hätte sie ihr Leben lang auf der Bühne gestanden.

Ihr Leben begann in Klausenburg in Siebenbürgen, wo 1940 mehr als 10 000 Juden lebten. "Am 19. März 1944 wurde Klausenburg von den Ungarn besetzt, unsere Schule geschlossen, und im April waren wir im Getto, einer ehemaligen Ziegelei."

Ein Bild hat sich besonders eingeprägt: "Als wir auf die Lieferwagen steigen mussten, die uns nach Auschwitz brachten, sah ich eine Zigeunerin - so sagt man wohl -, die war 50 Jahre alt, rauchte Pfeife und weinte, als sie uns erblickte. Da wusste ich Bescheid." Nach Auschwitz, wo viele Mitglieder ihrer Familie ermordet wurden, folgte Birkenau, und wieder erinnert sie sich an Kleinigkeiten. "Wir wurden nach Schnürsenkeln gefragt. Na, wenn man Schnürsenkel haben muss, dann wird man ja wohl nicht durch den Schornstein geschickt." Und ihre Heimat?

"Meine Heimat ist 1944 zu Ende gegangen, als sie unsere Schule schlossen. In Hamburg bin ich zu Hause. Hier bin ich gern, weil Hamburg mir das gegeben hat, was mir fehlte: Kultur." Verwandte leben noch in Dänemark und Israel. "Ja, ich habe noch einige, zu denen ich sagen kann: weißt du noch ..." Christa Goetsch hat sich lange mit Channa Birnbaum unterhalten, sagt zum Abschluss in die Runde, dass sie gern wiederkommen will und dann leise zu Manfred Schönbohm vom Hamburger Amt für Wiedergutmachung, der die Treffen organisiert: "Ich meine das ernst."