Partei und Fraktion verlangen von dem Ex-Hoffnungsträger, dass er sie verlässt. Nach Abendblatt-Informationen will er sich heute festlegen.

Hamburg. Sie bekommen ihn so schnell nicht in den Griff: SPD-Bürgerschafts-Fraktionschef Michael Neumann hat zwar gestern mit Bülent Ciftlik telefoniert. Aber eine Entscheidung darüber, ob er die Fraktion verlässt, hat Ciftlik noch nicht getroffen. Nach Informationen des Abendblatts will er sich heute festlegen. Das Amtsgericht St. Georg hatte den 38 Jahre alten Abgeordneten wegen Anstiftung zu einer Scheinehe am Montag zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro verurteilt.

SPD-Landeschef Olaf Scholz verlangt, dass der 38 Jahre alte einstige Senkrechtstarter die Partei verlässt. "Der Urteilsspruch des Amtsgerichts beendet auch die politische Karriere Bülent Ciftliks", hatte Scholz sofort nach der Entscheidung unmissverständlich erklärt. Nach Informationen des Abendblatts sprach SPD-Landesgeschäftsführerin Karin Timmermann gestern auch kurz mit Ciftlik. Doch der Mann aus Ottensen sagte lediglich zu, dass er sich die Sache mit dem Parteiaustritt überlegen wolle. Neumann und Scholz wollen eine lange Hängepartie vermeiden. Der Fall Ciftlik, der sich über Monate hinzog, hat der Partei nach ihrer Auffassung ohnehin schon schwer geschadet. Wenn sich der frühere Parteisprecher nicht von allein entschließt, die Konsequenzen zu ziehen, dann setzt sich die SPD-Maschinerie in Gang.

Schon heute Abend soll dann der Fraktionsvorstand zusammentreten, um den ersten Schritt zum Rauswurf des Bürgerschaftsabgeordneten zu tun. Die Fraktionsspitze wird der Fraktion empfehlen, Ciftlik auszuschließen. Dieser Beschluss könnte dann Anfang der kommenden Woche von den Abgeordneten in einer Fraktionssondersitzung vollzogen werden. Ciftlik war 2008 direkt in die Bürgerschaft gewählt worden. Seit der Anklageerhebung Anfang des Jahres lässt er sein Mandat ruhen.

+++ Die Karriere von Bülent Ciftlik ist vorbei +++

Parteichef Scholz fordert den Sozialdemokraten auf, seinen Austritt schriftlich zu erklären. Sollte sich Ciftlik weigern, diesen Schritt zu gehen, müsste ein allerdings langwieriges Parteiordnungsverfahren in Gang gesetzt werden, um ihn loszuwerden. Wenn der Landesvorstand einen solchen Beschluss gefasst hat, muss sich die Schiedskommission mit dem Fall beschäftigen. Das Gremium unter dem Vorsitz des früheren Altonaer Bezirksamtsleiters Hans-Peter Strenge kann Ciftlik ausschließen, wenn es parteischädigendes Verhalten bei ihm festgestellt hat. Allerdings gibt es dann die Möglichkeit, die Bundesschiedskommission anzurufen.

Das Gerichtsurteil ist noch nicht rechtskräftig. "Wir prüfen ernsthaft, ob wir in die Berufung gehen. Dazu haben wir eine Woche Zeit", sagte Wilhelm Möllers, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Nach Abendblatt-Informationen hat sich Ciftlik bereits entschieden, seinerseits in Berufung zu gehen. Der Versuch des Abendblatts, mit ihm zu sprechen, scheiterte gestern.

Das Amtsgericht hatte den 38-Jährigen verurteilt, weil es als erwiesen ansah, dass Ciftlik seine Ex-Freundin Nicole D. im November 2007 überredet hatte, seinen Bekannten Kenan T. zum Schein zu heiraten. Die Scheinehe bewahrte Kenan T., der Nicole D. 7000 Euro zahlte, vor der Abschiebung. Nicole D. hatte die Tat gestanden, Ciftlik bestreitet den Vorwurf.