Drei Altonaer Christdemokraten wollen alte Kreis- und Ortsverbände abschaffen. Mitglieder sollen den Vorstand wählen.

Hamburg. Revolutionen sind in einer liberal-konservativen Partei wie der CDU eigentlich nicht vorgesehen. Aber das Strategiepapier aus der Feder von drei Altonaer Christdemokraten, das dem Abendblatt vorliegt, enthält so ungewöhnlich radikale Vorschläge zu einer Strukturreform des Landesverbands, dass sie einer Revolution gleichkämen, wenn sie realisiert werden.

Die Ausgangslage für die Union ist so klar wie dramatisch: Die Partei hat in Hamburg nur noch 9000 Mitglieder, Tendenz fallend. Die krachende Niederlage bei der Bürgerschaftswahl 2011 hat zu einem Bedeutungsverlust geführt und die ohnehin angespannte finanzielle Lage weiter verschärft. Die Union scheint gerade für Frauen nicht sehr attraktiv zu sein: Nur fünf der 28 Bürgerschaftsabgeordneten sind weiblich.

"Von der Mitgliederpartei zur Mitmachpartei - Gedanken zur Zukunft der Hamburger CDU" ist der fünfseitige Text überschrieben. Das klingt eher harmlos. Doch die drei Autoren - der Bürgerschaftsabgeordnete und Schulexperte Robert Heinemann, Ex-Wirtschafts-Staatsrat Peter Wenzel und Unternehmensberater Christian Jourdant - wissen um die Brisanz ihrer Thesen. "Die folgenden Lösungsansätze rütteln teilweise an den Grundfesten der Partei", schreiben sie gleich zu Beginn.

Das Trio schlägt zunächst vor, die sieben Kreisverbände (den sieben Bezirken entsprechend) zu zerschlagen. Auch die 53 Ortsverbände als unterste Parteigliederung, von denen vielen ausreichend Mitglieder zur angemessenen Besetzung der Posten fehlen, sollen nicht weiter existieren. "Die Hamburger CDU schafft eine Hierarchieebene ab", heißt es in dem Papier. Künftig soll es als einzige Ebene unterhalb des Landesverbands nur noch 17 Kreisverbände geben, die sich am Zuschnitt der 17 Bürgerschafts-Wahlkreise orientieren.

+++ Politiker wollen Hamburgs CDU revolutionieren +++

Allein der Vorschlag, die sieben Kreisverbände aufzulösen, birgt erhebliche Sprengkraft. Seit Jahrzehnten gehören deren Vorsitzende - treffend auch "Kreisfürsten" genannt - zu den einflussreichsten Politikern der CDU. Gegen den Willen der großen drei - Wandsbek, Nord und Altona - lässt sich auf keinem Parteitag eine Mehrheit organisieren. Vor wenigen Wochen ist Bürgerschafts-Fraktionschef Dietrich Wersich, der bislang über keine Hausmacht verfügte, zum Vorsitzenden der CDU Nord gewählt worden.

Das Strategiepapier verordnet der Union außerdem eine basisdemokratische Runderneuerung: Die Landesparteitage sollen abgeschafft und durch Mitgliederversammlungen wie bei den Grünen ersetzt werden. Der gesamte Landesvorstand und auch die Kreisvorstände sollen auf Mitgliederversammlungen gewählt werden. Dieses Modell funktioniert bereits seit mehreren Jahren im Kreisverband Altona. "Zur Stärkung der örtlichen Verankerung sind in Kreisverbänden nur Mitglieder wahlberechtigt und wählbar, die im Kreisverbandsgebiet leben", schreiben die drei.

Auch hinter diesem Vorschlag steckt erhebliche Sprengkraft: Bislang bemisst sich die Stärke der Kreisverbände auf Parteitagen nach der Zahl ihrer Mitglieder. Konkret: Die partei-interne Macht wächst, wenn es gelingt, viele (zahlende) Mitglieder zu werben, auch wenn die sich nie politisch engagieren. In der CDU Mitte ist davon zum Beispiel durch Masseneintritte gelegentlich Gebrauch gemacht worden.

"In der Hamburger CDU ist es immer noch wichtiger, Mitglieder zu haben, anstatt sie zu beteiligen", schreiben die drei und geben die Losung aus: "Beteiligung stärken statt Karteileichen zählen." Es werde dann nicht mehr darum gehen, "möglichst viele Menschen in die Partei zu holen, die nur auf dem Papier stehen", sagt Heinemann und spielt damit auf die CDU Mitte an.

Die Direktwahl der Spitzenposten in der Partei soll die Mitglieder ebenso aktivieren wie die Aufstellung der Bürgerschafts- und Bezirkskandidaten, die nach demselben Prinzip erfolgt. Um junge Menschen zu gewinnen, sollen Mitglieder der Jungen Union das Angebot erhalten, kostenlos Mitglied der CDU zu werden. Das Papier schlägt vor, eine Frauenquote von einem Drittel auf allen Ebenen einzuführen. Der Landesvorstand hatte sich für eine entsprechende Quote bei den Landes- und Kreisvorständen ausgesprochen. Heinemann und seine Mitstreiter wollen auch, dass mindestens ein Drittel der ersten zehn Listenkandidaten und der Wahlkreis-Spitzenkandidaten Frauen sind.

+++ CDU braucht Rosskur +++

Ein Vorschlag dürfte die Parteiseele besonders rühren: Die Autoren wollen die Parteizentrale, eine Gründerzeit-Villa am Leinpfad in Winterhude verkaufen, weil sie "nicht optimal liegt und für den Betrieb einer modernen Partei nicht wirklich geeignet" sei. "Es wird ein verkehrlich zentral gelegenes und gut sichtbares Bürogebäude mit Schaufenster gesucht, welches von der CDU käuflich erworben werden kann", heißt es in dem Papier. Ziel sei es, "Schwellenängste zu reduzieren", eventuell mit einem angeschlossenen Café und Räumen für Veranstaltungen. Dafür gibt es ein Vorbild: In früheren Wahlkämpfen hatte die CDU das Café Ole an den Alsterarkaden eingerichtet.

Wie radikal die Autoren denken, zeigt auch ihr Vorschlag, alle Vereinigungen der Partei (Frauen-Union, Mittelstands-Vereinigung) bis auf die Junge Union aufzulösen und durch Arbeitskreise zu ersetzen.

Die Autoren gehen davon aus, dass "nicht alle Vorschläge kurzfristig oder vollständig umgesetzt werden können". Bei aller Wertschätzung für "gelernte Strukturen" seien jedoch "mutige und umfassende Veränderungen unverzichtbar". Heinemann ist zuversichtlich, was die Reaktionen angeht. "Viele der jungen und jung gebliebenen Abgeordneten sehen die Lage und den Handlungsbedarf genauso wie wir", sagt er.