SPD, FDP und GAL wollen das Verbot von Kreditaufnahmen in die Hamburgische Verfassung aufnehmen. Schuldenstopp ab 2020 geplant.

Hamburg. Eigentlich ist Artikel 72 der Hamburgischen Verfassung unmissverständlich. "Nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken dürfen Geldmittel im Wege des Kredits beschafft werden", heißt es dort. Mit anderen Worten: Schulden machen ist verboten, nur für Investitionen, die einen Wert schaffen, dürfen Kredite aufgenommen werden.

Die Realität sah über Jahrzehnte anders aus: Rund 25 Milliarden Euro an Schulden hat die Stadt angehäuft, rechnet man die Verbindlichkeiten städtischer Unternehmen mit, sind es sogar mehr als 40 Milliarden. Dass dafür ausschließlich Werte geschaffen wurden, kann nicht mal theoretisch behauptet werden - denn die ganze Stadt ist auf dem Papier weniger wert als sie an Schulden hat. So steht es in ihrem eigenen Geschäftsbericht.

Eine im Grundgesetz der Bundesrepublik verankerte Schuldenbremse zwingt die Länder zwar bereits, ab 2020 auf Kredite zu verzichten. Doch abgesehen von dem politischen Willen des SPD-Senats, sich daran halten zu wollen, war die konkrete Ausgestaltung in Hamburg noch offen - bis gestern. Überraschend präsentierte eine Ampelkoalition aus SPD, GAL und FDP einen gemeinsamen Vorstoß, die Schuldenbremse auch in der Hamburgischen zu verankern, verbunden mit einer Fülle weiterer Regeln. Gemeinsam verfügen die allein regierenden Sozialdemokraten (62 Sitze), Grüne (14) und Liberale (neun) über 85 der 121 Sitze in der Bürgerschaft und bringen damit die für eine Verfassungsänderung nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zustande. Bereits am 18. April soll die Bürgerschaft darüber abstimmen. CDU und Linkspartei kündigten an, die Änderung abzulehnen.

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Das sehen die Pläne von SPD, GAL und FDP vor: Das Schuldenverbot tritt analog zur Schuldenbremse im Grundgesetz zum 1. Januar 2020 in Kraft. Bei einer normalen oder guten Haushaltslage soll der Senat schon von 2019 an auf neue Kredite verzichten - die Aufnahme dieser Jahreszahl war der FDP sehr wichtig. Schon ab dem Doppelhaushalt 2013/2014, der gerade erarbeitet wird, gilt die Verpflichtung, das strukturelle Defizit von etwa 900 Millionen Euro im Etat abzubauen. Diese Kennziffer markiert die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben. Sie ist meist deutlich höher als die Nettokreditaufnahme, weil ein Teil des Defizits in der Regel aus Rücklagen oder Vermögensverkäufen ausgeglichen wird.

Wie das Grundgesetz wird auch die Hamburgische Verfassung zwei Ausnahmen kennen. Erstens "atmende Konjunkturkredite": In konjunkturell sehr schlechten Jahren dürfen Kredite aufgenommen werden, müssen aber in guten Jahren sofort zurückgezahlt werden - so soll verhindert werden, dass eine Krise durch Sparmaßnahmen noch verschärft wird. Das ist aktuell die Situation in Griechenland.

Zweitens können nach Naturkatastrophen oder in extremen Krisenjahren wie 2009 "Notkredite" aufgenommen werden. Ob ein Notfall vorliegt, muss aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Bürgerschaft feststellen - eine sehr hohe Hürde, auf die die GAL Wert legt.

Zumindest in der Begründung für die Verfassungsänderung wird zudem betont, dass die Stadt ihre Einnahmen dauerhaft sichern müsse. Das bezieht sich zum Beispiel auf den Vorstoß für eine Vermögenssteuer. Dieser Passus war vor allem der SPD wichtig.

"Mit einem breiten Konsens wird uns auch in Hamburg der Weg aus der Verschuldungsfalle gelingen", sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. Er hatte die Vereinbarung mit GAL-Finanzexpertin Anja Hajduk und FDP-Fraktionschefin Katja Suding eingefädelt und forderte auch CDU und Linkspartei zur Zusammenarbeit auf: "Je größer die Mehrheit ist, desto größer ist die legitimierende Kraft in die gesamte Stadt hinein."

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Hajduk betonte, dass die "Ampel" aus SPD, GAL und FDP zwar eine ungewöhnliche Konstellation sei. Die Herausforderung sei aber so groß, dass die Politik "über den Tellerrand hinausschauen" müsse. Entscheidend sei für sie weniger ein festes Datum für den Schuldenstopp, sondern dass nun ein Weg dahin vorgegeben werde. "Wir führen damit Hamburgs Haushalte unumkehrbar zurück in die Solidität", sagte Suding. Beide Oppositionspolitikerinnen "versprachen" der SPD aber auch künftig Streit in Sachfragen.

Während die Linke ein Schuldenverbot grundsätzlich ablehnt, plädiert die CDU dafür, es schon 2015 einzuführen. "Dass die neue Regel in der Verfassung verankert werden soll, begrüßen wir ausdrücklich", sagte CDU-Haushaltsexperte Roland Heintze. "Nur leider haben SPD, GAL und FDP die falsche Jahreszahl gewählt."