Naturschützer kritisieren “katastrophale Planungen“ für die Internationale Gartenschau und Bauausstellung in Wilhelmsburg.

Wilhelmsburg. Erlenzeisige schwirren von Baum zu Baum, ein Bussard erhebt sich majestätisch, etwas weiter weg schnattern Enten. Eine unzugängliche, etwa vier Hektar große Brachfläche zwischen Wilhelmsburger Reichstraße und Dratelnstraße hat sich laut Naturschützern zu einem ökologisch wertvollen Biotop entwickelt. Weiden, Erlen und Schilf, Brombeersträucher und Brennnesseln sind der Lebensraum von zahlreichen Tier- und Vogelarten. Hier wurden auch schon die seltenen Gelbspötter gesehen, von denen es in Hamburg nur noch drei oder vier Paare geben soll.

"Diese Fläche ist das Ausweichquartier vieler Tiere, die wegen der Baumaßnahmen aus dem Wilhelmsburger Park vertrieben wurden", sagt Harald Köpke vom BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland). Auf dem ehemaligen Parkgelände entsteht das ehrgeizigste IBA-Projekt Neue Mitte Wilhelmsburg mit Wohnungen und Pflegeheim, Schwimmbad und dem Haus des Waldes.

Bald könnten die Tiere auch aus ihrem Refugium an der Dratelnstraße vertrieben werden. Denn dort soll ein temporärer Parkplatz mit 1400 Stellplätzen für die Internationale Gartenschau (igs) entstehen. Ein ursprünglich dafür vorgesehenes Gelände am Reiherstieg für 2500 Autos steht nicht mehr zur Verfügung - laut offizieller Begründung wegen der Nutzung für das dreitägige Dockville-Festival. "Das ist absurd", schimpft Harald Köpke. "Dieser Parkplatz ist aus ökologischer Sicht die wertvollste Fläche unter den geprüften Alternativen und liegt gleichzeitig um mehr als 1000 Stellplätze unter dem angemeldeten Bedarf."

Außerdem trickse die Stadt Hamburg einmal mehr bei den Ausgleichsverpflichtungen, sagt der Wilhelmsburger Köpke. Denn sie bewerte nicht das bestehende Biotop, sondern die nach altem Baurecht hier ausgewiesene Industriefläche und Sportanlage. "Weil beides als ökologisch weniger wertvoll gilt, wird auch die Ausgleichsfläche mit zwei statt acht Hektar viel geringer ausfallen als sie eigentlich sein müsste", sagt Köpke. Ein unabhängiger Gutachter hatte der bestehenden Fläche einen "ökologischen Wert" von acht Punkten gegeben. Grundlage ist eine Werteskala zwischen null (etwa eine Straße) und 32 Punkten, die dem Höchstwert für einen besonders schützenswerten Naturraum entspricht. Nach einem Behördenpapier von 1991 ist der ausgewiesene Wert aber geringer anzusehen als die vergebenen acht Punkte.

"Ist es Wilhelmsburg zumutbar, dass diese Fläche einem temporären Parkplatz geopfert wird?", fragt Harald Köpke. "Nein", sagt Roswitha Stein, Wilhelmsburgerin und Mitglied der Bürgerinitiative Baum und Busch. "Denn die Natur wird hier unwiederbringlich zerstört, der Parkplatz nur ein paar Monate gebraucht." Durch IBA und igs sei bereits zu viel intakte Natur zerstört worden. Für die Wilhelmsburger, die durch das Kraftwerk Moorburg und den Hafen einer großen Menge an Feinstaub ausgesetzt seien, könnte das gesundheitliche Folgen haben. "Bäume sind ein natürlicher Feinstaubfilter", sagt die Wilhelmsburgerin. Studien gebe es noch nicht, aber gefühlt nähmen die gesundheitlichen Beschwerden der Wilhelmsburger zu.

Der BUND wirft der Stadt Versäumnisse bei den Planungen vor. "Das Zusammenspiel von Bezirksamt, BSU, igs und IBA war phasenweise katastrophal - wichtige Entscheidungen mäanderten über Monate von einem Schreibtisch zum andern." Nur öffentlicher Druck habe dafür gesorgt, dass ein Ausgleichskonzept entwickelt wurde.