Die Hansestadt will die Städtepartnerschaft auf allen politischen Gebieten ausbauen. Auch ein Richteraustausch ist geplant.

Shanghai. "Fahren Sie zur Fußball-WM nach Südafrika ?" Mit dieser Frage des Shanghaier Bürgermeisters Han Zheng hatte Ole von Beust (CDU) wohl am wenigsten gerechnet. "Nein, leider nicht. Ich werde die Spiele am Fernseher verfolgen wie viele andere", gab von Beust zurück. Dann folgte eine kurze Fachsimpelei über die Chancen der deutschen Mannschaft, die der Hamburger Bürgermeister mit einem forschen "Wir sind alle guten Mutes!" unter allgemeinem Gelächter beendete.

Es geht inzwischen recht locker und entspannt zu bei offiziellen Terminen in Shanghai - Termine, die noch vor wenigen Jahren von einem rigiden Protokoll reglementiert worden und von einer weihevollen Atmosphäre erfüllt gewesen wären. Tag drei der Delegationsreise in die chinesische Hafenmetropole stand im Zeichen der Städtepartnerschaft. Ole von Beust und sein Amtskollege Han Zheng unterzeichneten gestern ein Memorandum zur weiteren Vertiefung der Partnerschaft für die Jahre 2011 und 2012.

Politik ist ein schnelles Geschäft in China. Das zeigte auch die Visite der Hamburger im Shanghaier Rathaus. Phase eins: Begrüßungsrunde, maximal 20 Minuten. Es werden protokollarische Freundlichkeiten ausgetauscht, aber auch gegenseitige Erwartungen formuliert. Phase zwei: Vertragsunterzeichnung, wenige Minuten. Phase drei: Toast auf alle Teilnehmer und die gemeinsamen Projekte, wenige Minuten. Musik erklingt, es wird ein Glas Rotwein gereicht, doch es bleibt kaum die Zeit, es auszutrinken. Die chinesischen Gastgeber erfasst Unruhe. Ziemlich abrupt ist die Veranstaltung beendet.

Daraus auf Geringschätzung zu schließen wäre falsch. Shanghai hat 71 (!) Partnerstädte, da gibt es die Gelegenheit zu solchen Treffen für Han Zheng häufiger. Außerdem ist Shanghai mit seinen 13 Millionen Einwohnern so groß wie Nordrhein-Westfalen, aber andererseits eine Kommune mit ihren häufig kleinteiligen Problemen.

Viel spricht im Gegenteil dafür, dass die fast 25-jährige Partnerschaft mit Hamburg eine besondere Bedeutung hat. Ein Beispiel belegt das: Auf dem Expo-Gelände bewegte sich die Hamburger Delegation am Montag mit Bussen und eskortiert von Polizeiwagen mit Blaulicht. Der Zugang zu den Pavillons erfolgte separat und an den Warteschlangen vorbei. Mit anderen Worten: Ole von Beust wurde als Bürgermeister wie ein Staatspräsident behandelt. Bei rund 200 ausstellenden Staaten und Regionen keine Selbstverständlichkeit.

Das neunseitige Dokument zur Vertiefung der Städtepartnerschaft umfasst konkrete Projekte auf praktisch allen politischen Gebieten. Erstmals vereinbarten die beiden Städte einen Austausch von Richtern. Neu ist auch das Projekt zum Aufbau einer Struktur von Sportvereinen nach deutschem Vorbild. Hier kooperiert der Hamburger Thomas Beyer mit dem chinesischen Hochschulsportverband. "Unser Modell sieht den Aufbau nicht kommerzieller, gemeinnütziger Sportvereine vor", sagt Beyer. Shanghai soll eine Modellregion des Vereinssports werden, der in China bislang kaum eine Rolle spielt.

Beim Besuch in der Donghua-Universität (Design&Textil, 30.000 Studenten) traf von Beust Prof. Shan Fan. Der Maler baut in Hamburg die Brand Academy auf, in der es um nachhaltiges Design gehen soll. "Wir wollen uns mit der Akademie für Architektur und Kultur von Meinhard Gerkan zusammenschließen", sagt Shan Fan. In zwei Jahren sollen 200 Studenten die private Hochschule besuchen. "Wahrscheinlich ziehen wir ins Brahms Kontor."

Die Schattenseiten der dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung Shanghais lernte die Delegation bei einem Treffen mit Mitgliedern von Nichtregierungs-Organisationen kennen. Der YMCA (Christlicher Verein junger Männer) kümmert sich um die Kinder der Wanderarbeiter, startet Schulprojekte und ist in der Aids-Prävention aktiv. 300.000 Kinder von Wanderarbeitern sollen in der Metropole leben. Das Ziel: Alle Kinder sollen eine Schule besuchen können. "Wir sind staatlich registriert und können frei arbeiten", behauptet YMCA-Generalsekretär Wu Jianrong mit Blick auf eine mögliche staatliche Einflussnahme. Als das Gespräch jedoch auf das Thema Menschenrechte kommt, weicht Wu Jianrong aus. Morgen reist die Delegation nach Chengdu, Hauptstadt Sechuans.