Interessengemeinschaft stellt eigene Pläne vor. Politiker wollen jedoch das eingeleitete Bebauungsverfahren durchziehen.

Hamburg. Eine ganz neue Qualität wehrhafter Hamburger Bürger erleben die Politiker, Planer und Investoren im Katharinenquartier. Im Kampf gegen eine massige Bebauung, die den Blick auf den Turm von St. Katharinen beeinträchtigen würde, arbeiten Kirche und eine Interessengemeinschaft (IG) nicht mit Hausbesetzungen oder Demonstrationen.

Stattdessen stellen Mitglieder der IG einen Gegenvorschlag mit einer niedrigeren Bebauung vor. Verschärft wird die Situation durch ein kategorisches Nein des Kirchenvorstandes zur offiziellen Planung des Bezirks. Die neue Qualität des Protestes zeigte sich in der nächtlichen Diskussion, als die Interessengemeinschaft in den Räumen der Kirche zu einem Informationsabend eingeladen hatte und neben mehr als hundert Bürgern auch Bezirkspolitiker und die Fachplaner aus den Ämtern kamen. Einen wichtigen Part hatte Herbert Schalthoff (Hamburg 1), der als Moderator Emotionen gar nicht aufkommen ließ.

Der Protest entzündet sich an einem Bauprojekt, das der Bezirk Mitte zusammen mit dem Konzern Hochtief entwickelt hat: Das 8500 Quadratmeter große Areal vor St. Katharinen soll mit Wohnhäusern und einem hohen Bürokomplex bebaut werden. Der Bezirk Mitte hat dazu Hochtief das Gelände in einem Bebauungsplanverfahren an Hand gegeben.

Kern der Kritik: Der Kirchturm würde hinter dem massigen Bauriegel kaum noch sichtbar sein. Nach ersten Diskussionen legten Bezirk und Hochtief einen Kompromissvorschlag vor: Neben einer abgesenkten Höhe soll ein Sichtfenster den Blick auf den Kirchturm ermöglichen. Dem Kompromissvorschlag wollte die Kirche nicht zustimmen. Dem gleichzeitig geforderten Stopp der Planungen ist der Bezirk nicht gefolgt und hat bis zum 5. Mai die Pläne öffentlich ausgelegt. Nun geht der Kirchenvorstand "einen Schritt weiter". Pröpstin und St.-Katharinen-Hauptpastorin Ulrike Murmann sagte: "Der Kirchenvorstand lehnt den ausgelegten Bebauungsplan ab, weil er der Kirche keinen Respekt zollt."

Die Gebäude-"Klötze" seien einseitig an den Nutzungsbauten der Willy-Brandt-Straße orientiert. Noch deutlicher wurde die Pröpstin, als Bezirksvertreter sagten, wenn man noch einmal bei null anfangen könnte, würden sie heute auch anders planen. Doch das könne man nicht. Ulrike Murmann: "Wenn man keinen Kompromiss findet, dann muss man neu planen." Das solle nun auch in der Kirchenkreissynode diskutiert werden. Spätestens nun wurde klar: "Wir haben ein Problem", wie Schalthoff sagte.

Bebaut werden soll das Gelände vor der Kirche nach dem Willen des Bezirks mit Wohnungen und Büros. Um den Wohnungsbau zu ermöglichen, müsse der Lärm von der Willy-Brandt-Straße gemildert werden. Der Entwurf von Bezirk und Hochtief will dies mit einem gut 25 Meter hohen Büroriegel erreichen. Das Projekt, das gut 60 Millionen Euro kosten soll, sieht 120 Wohnungen im mehreren Gebäuden vor.

Der Entwurf der Interessengemeinschaft sieht eine geschlossene Rundbebauung mit 200 Wohnungen vor. In der Mitte der oval angeordneten Gebäude entstünde eine Freifläche. Knackpunkt ist auch hier der Lärmschutz. Weil die Gebäude an der Willy-Brandt-Straße wesentlich niedriger sind, hat die IG eine Glaswand auf dem Dach vorgesehen. Dieser Vorschlag hat nach Angaben des Bezirks keine Chance, weil das Bebauungsverfahren weit fortgeschritten ist.

Bleibt die entscheidende Frage, ob die Politik der Kirche trotz des massiven Protestes die Gebäude vor die Nase setzt. Für Michael Osterburg, GAL-Fraktionschef in Mitte, ist klar: "Gute Argumente habe ich bis heute nicht gehört. Und irgendwann werden wir entscheiden." Andere sind offensichtlich nachdenklicher geworden. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, den Büroriegel zum Beispiel um weitere zehn Meter abzusenken und den Lärm mit einer Glaswand zu mindern, sagte Bezirkschef Markus Schreiber. "Ja, aber das wäre nicht attraktiv."