Die Kritik von Birgit Schnieber-Jastram zielt vor allem auf den schwarz-grünen Koalitionsvertrag. Verprechen würden nicht gehalten.

Hamburg. Den eigenen Nachfolger im Amt zu kritisieren, das ist unter Politikern eher selten - vor allem, wenn dieser aus der gleichen Partei stammt. Doch vor der heutigen Sitzung des Senats, in der die Erhöhung der Kita-Gebühren beschlossen werden soll, erntet Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) auch Kritik aus den eigenen Reihen: "Es ist schwierig, in Koalitionsverhandlungen erst große Versprechen zu geben und dann einen Rückzieher zu machen", sagte seine Amtsvorgängerin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) im Gespräch mit dem Abendblatt. Die ehemalige Sozialsenatorin und Zweite Bürgermeisterin wäre bei diesem Thema "behutsamer" vorgegangen, sagte sie. "Man darf sich über das Entsetzen unter den Eltern nicht wundern." Kinder seien, neben aller Freude, eine enorme finanzielle Belastung für Familien.

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Birgit Schnieber-Jastram leitete von 2001 bis 2008 die Sozialbehörde und sitzt seit 2009 für die CDU im Europaparlament. Sie selbst erhöhte im Jahr 2005 die Kita-Gebühren: "Maßvoll", hieß es auch damals. Die Kritik der ehemaligen Senatorin zielt vor allem auf großzügige Aussagen im schwarz-grünen Koalitionsvertrag, der eine "bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie" und einen Ausbau der Angebote ankündigte. Viele dieser Versprechen hält die Landesregierung nun nicht - mit Verweis auf die Finanzkrise.

GAL und CDU hatten etwa vor, "die verlässliche Betreuung von Kindern bis zu 14 Jahren auch in den Ferienzeiten" zu erreichen. Stattdessen soll dieser Rechtsanspruch nun auf Schüler bis zur sechsten Klasse abgesenkt werden. Auch der versprochene Anspruch auf Betreuung ab dem Alter von zwei Jahren wird nun verschoben. Der Koalitionsvertrag indes liest sich eher als Plädoyer gegen die finanzielle Belastung von Familien: Kitas seien "zentraler Anknüpfungspunkt" für die Integration und Entwicklung von Kindern, heißt es.

Der Bund der Steuerzahler unterstützt den Senat hingegen bei seinen Sparplänen. "Alles andere wäre angesichts der dramatischen Haushaltslage gesamtwirtschaftlich nicht zu verantworten", sagte der Vorsitzende Frank Neubauer, der sein positives Urteil zugleich einschränkte, um die geplante Gebühren-Staffelung zu kritisieren: "Es ist bedauerlich, dass die Politik wieder einmal der noch schweigenden und zunehmend verbitterten Mitte diese Belastung allein aufbürden will." Dennoch zahle kein westdeutsches Bundesland "außer Berlin" so viel Steuergeld für Kitas wie Hamburg, so Neubauer: Laut Statistischem Bundesamt hat die Hansestadt im Jahr 2008 pro betreutes Kind 5500 Euro bereitgestellt, die Hauptstadt liegt demnach bei rund 6883 Euro. Wie berichtet, lehnen SPD und Linke die Erhöhungen ab. Innerhalb der schwarz-grünen Koalition sind nur noch Erhöhungen für Eltern von behinderten Kindern ein strittiger Punkt: Die GAL kündigte an, dies auf "unzumutbare Härten" zu überprüfen - bisher ohne Ergebnis.