Die Opposition kritisiert den Sozialsenator: Die Kitas seien keine Geschenke, sondern gesetzliche Leistungen wie auch die Schulen.

Hamburg. Während Hamburgs Eltern über kinderfreundliche Politik und finanzielle Belastungen diskutieren, wird der Senat nun zügig Fakten schaffen: Nach Abendblatt-Informationen will die Landesregierung bereits in ihrer nächsten Sitzung das 30-Millionen-Sparprogramm für die Kinderbetreuung beschließen. Die höheren Essensbeiträge sollen laut Entwurf bereits ab 15. Mai, die gesteigerten Gebühren ab August gelten. Dann wird Kita-Essen monatlich 21 Euro kosten, zudem wird die Beitragsskala so erweitert, dass neue, um bis zu 100 Euro teurere Höchstsätze pro Kind festgelegt werden.

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Rechtlich ist dies per "Verordnung" möglich, heißt im Klartext: Das geht ohne Zustimmung der Bürgerschaft. Ausnahme ist der Plan, den bisherigen Betreuungsanspruch für 14-Jährige auf Schüler bis zur sechsten Klasse abzusenken; diese Gesetzesänderung setzt den Segen des Parlaments voraus.

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Im Interview mit dem Abendblatt hatte Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) die Pläne als alternativlos bezeichnet. Vor dem Hintergrund der Finanzkrise sei der weitere Ausbau des Kita-Systems sonst nur über Schulden zu finanzieren: "Wir brauchen in der Krise keine Schönwetter-Politiker, die allen alles versprechen, und das auch noch umsonst", sagte Wersich, der betonte, dass Eltern weiterhin nur einen Anteil der tatsächlich anfallenden Kosten bezahlten: "80 Prozent zahlt der Staat." Annähernd 450 Millionen Euro jährlich fließen in Hamburger Kitas (siehe Tabelle).

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Die Opposition wirft Sozialsenator Wersich nun sogar persönlichen Egoismus vor: "Den Eltern vorzuhalten, sie müssten im Grunde täglich dankbar sein, ist das typische Verhalten von Menschen, die selbst keine Kinder haben", sagte SPD-Kita-Expertin Carola Veit dem Abendblatt. Kitas seien keine Geschenke, sondern gesetzliche Leistungen, die wie auch Schulen durch Steuern finanziert gehörten. "Konsens ist, dass möglichst viele Kinder früh Kitas besuchen sollen, Frauen wollen und sollen gleichberechtigt am Arbeitsleben teilnehmen", so Veit. Diese Erkenntnis sei im Senat offenbar "noch nicht angekommen".

Auch die Argumentation von Senator Wersich, die zusätzlichen Beiträge würden die Qualität der Betreuung sichern, wollen die Sozialdemokraten nicht gelten lassen. Richtig sei zwar, dass der finanzielle Aufwand für Kitas steige, weil "glücklicherweise immer mehr Kinder die Kitas besuchen", so Veit. Laut Senatspapier, das dem Abendblatt vorliegt, wird daher mit Mehrkosten in Höhe von 150 Millionen Euro innerhalb der kommenden zwei Jahren gerechnet - die 30 Millionen Euro zusätzliche Einnahmen durch höhere Gebühren sollen einen Teil dieser Summe decken, heißt es in dem Entwurf.

Doch laut aktuellen Berechnungen der Bildungsgewerkschaft GEW gibt die Stadt pro Kind zunehmend weniger Geld aus. Zahlte die Stadt demnach im Jahr 2004 durchschnittlich für jedes betreute Kind 6278 Euro im Jahr, sei diese Summe mittlerweile auf 5714 Euro pro Jahr gesunken. Das entspricht neun Prozent.

Auch die vom Senat festgelegten Einkommensgrenzen würden der Realität nicht gerecht: "Der Senat hat keinen blassen Schimmer, wie Familien in Hamburg eigentlich leben", sagte Veit. Wenn bereits vierköpfige Familien ab einem behördlichen Nettoeinkommen von 2500 Euro betroffen seien, dann sei diese Grenze viel zu schnell erreicht. "Vater Handwerker, Mutter halbtags an der Kasse im Supermarkt: Diese Familien gehören für Bürgermeister Ole von Beust und Senator Wersich offensichtlich bereits zu den Besserverdienenden", so Veit. Dem Senat seien "ganz gehörig die Koordinaten verrutscht".

Auch die GAL unterstützt die Erhöhungen. Strittig ist in der schwarz-grünen Koalition nur der Plan, Eltern behinderter Kinder künftig den gleichen Betrag wie für alle Kinder zahlen zu lassen. Hier pocht die GAL auf Änderungen: In den Verhandlungen gebe es bisher jedoch "keinen neuen Sachstand", sagte GAL-Kitaexpertin Christiane Blömeke. Und betonte: Die höhere Beteiligung der Eltern sei für einen Teil der Familien "schmerzlich, aber wegen der Haushaltslage nicht vermeidbar". Auch Hamburgs Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) verteidigte höhere Kita-Gebühren: Diese seien seit fünf Jahren nicht erhöht worden, und nun "müssen sich die Eltern in Zeiten knapper Kassen an den gestiegenen Kosten beteiligen", sagte er dem "Hamburg Journal".