Bezirke kritisieren Umweltbehörde. Die gelobt Besserung und verspricht, “Geld zu sammeln, um die Lücken wieder zu schließen“.

Hamburg. Ein Bürgerbegehren gegen Baum-Fällungen in Iserbrook, Widerstand in Wilhelmsburg, wo etliche Gehölze ausgerechnet der Gartenschau weichen sollen - und auch in Schnelsen protestieren Anwohner gegen das Abholzen von Bäumen auf einem Gewerbeareal: Die Hamburger, so scheint es, kämpfen derzeit um jeden Ast in ihrer Stadt. Und das wohl nicht ganz zu Unrecht: In den sieben Bezirken werden deutlich mehr Straßenbäume gefällt als wieder ersetzt.

Im Durchschnitt kann ein Drittel der gefällten Bäume nicht wieder nachgepflanzt werden", bestätigt Björn Marzahn, Sprecher der Umweltbehörde. Der Umweltverband BUND geht daher von etwa 1000 öffentlichen Bäumen "netto" aus, die im Schnitt pro Jahr fehlen. "Dabei fordern wir, dass eigentlich im Verhältnis drei zu eins nachgepflanzt werden muss - und nicht umgekehrt", sagt BUND-Sprecher Paul Schmid. Doch woran liegt es, dass ausgerechnet in der Stadt, die nächstes Jahr Umwelthauptstadt werden will, so viele Bäume aus dem Stadtbild verschwinden? Zumal es eigentlich eine gesetzliche Verpflichtung für den Ersatz eines jeden gefällten Baumes gibt.

Aber offenbar reicht derzeit das Geld nicht aus, wie der Sprecher des Bezirks Altona, Rainer Doleschall, sagt: "Es ist wie bei der Instandsetzung der Straßen - wir bekommen zu wenig Geld von der Stadt." Zwar gibt die GAL-geführte Umweltbehörde in diesem Jahr 5,5 Millionen Euro für die Bezirksbäume aus. Doch dieses Baumgeld fließt zum großen Teil in die Pflege und Sanierung (noch) vorhandener Straßenbäume. Für das Nachpflanzen gilt: Es klafft ein Finanzloch. Behördensprecher Marzahn verspricht aber Besserung. "Wir sind derzeit dabei, Geld zu sammeln, um die entstandenen Lücken wieder zu schließen."

Allerdings ist es nicht allein Geldmangel, der ein schnelles Nachpflanzen verhindert. Bei etlichen Nachpflanzprojekten muss zuvor der Untergrund vom Kampfmittelräumdienst sondiert werden. Die Trupps kommen mit der Arbeit aber nicht hinterher. Behördensprecher Marzahn: "Allein an 300 Stellen in der Stadt gibt es mit dem Nachpflanzen deshalb Verzögerungen." Es gebe daher Überlegungen, Finanzmittel bereitzustellen, um das Personal beim Kampfmittelräumdienst aufzustocken.

Ein weiterer Grund für das verzögerte Nachpflanzen sei die Standortfrage. Nicht jeder gefällte Straßenbaum kann an exakt derselben Stelle ersetzt werden, Flächen für neue Bäume seien im Straßenraum aber nicht einfach zu finden - während in den öffentlichen Grünanlagen jährlich sehr viele nachgepflanzt werden können. Marzahn: "In der Gesamtbilanz sind wir daher gar nicht so schlecht."

Und auch gemessen an der Gesamtzahl der Hamburger Bäume dürfte der Nettoverlust von Straßenbäumen noch keine bedrohlichen Ausmaße annehmen. So sind derzeit rund 230.000 Straßenbäume registriert. Hinzu kommen 600 000 Bäume in den öffentlichen Parks der Stadt sowie weitere Hunderttausende in privaten Gärten. Und die große grüne Lunge der Stadt liegt in ihren Wäldern: Bis zu zwei Millionen Bäume stehen dort. Dennoch: Straßenbäume prägen das Stadtbild. Und selbst an den neuen Plätzen werden es offensichtlich immer weniger. Es gebe da eine neue Planungsphilosophie bei der Anlage von Freiflächen, bestätigt Behörden-Sprecher Marzahn. Heute werde dort eben lieber "gestaltet" statt Bäume gepflanzt. "Parkplatz-Ästhetik", sagen manche Kritiker auch dazu.