Ex-Rege-Chef wollte Kostendeckelung vereinbaren, doch er wurde entlassen. Hochtief konnte sich durchsetzen.

Die dritte Kalenderwoche 2010 war für Freunde der Elbphilharmonie keine gute. Am 11. Januar sollte laut Vertrag zwischen der Stadt und Hochtief die Decke des 26. Obergeschosses (OG) betoniert sein - fertig war jedoch erst der 20. Stock. Am 12. Januar teilte der Baukonzern der Kulturbehörde auf 1,5 Seiten lapidar mit, dass das Konzerthaus nicht Ende 2011, sondern vermutlich erst Ende 2012 fertig wird (siehe auch Seite 1), und am 15. Januar musste der Senat auf Frage des SPD-Finanzexperten Peter Tschentscher einräumen, dass Hochtief erneut 22,4 Millionen Mehrkosten angemeldet hatte.

Streit ums Geld, Streit um Termine - so geht das nun seit mehr als drei Jahren. Auch nachdem die Bürgerschaft im Frühjahr akzeptiert hatte, dass die Kosten für die Stadt nicht 114, sondern mindestens 323 Millionen Euro betragen werden, spitzt sich das Dreiecksverhältnis zwischen dem Senat - vertreten durch die Realisierungsgesellschaft Rege -, dem Baseler Architekturbüro Herzog & de Meuron und eben dem Generalunternehmer Hochtief weiter zu. 64 "Behinderungsanzeigen" gingen seitdem bei der Rege ein, mit denen angebliche Störungen im Bauablauf angezeigt werden. Hinzu kommen 146 "Schlechtwetteranzeigen". Demnach ruhte der Bau schon ganze Tage, weil zwei Stunden am Tag der Wind zu kräftig blies. Warum nicht im geheizten und windgeschützten Bereich des Kaispeichers, auf dem das Konzerthaus entsteht, gebaut werden konnte, erschloss sich der Rege nicht. Weil sie dahinter die Strategie des Baukonzerns wittert, die Stadt durch einen unübersichtlichen Berg an Problemen zu verunsichern, hat sie weitere zehn Mitarbeiter eingestellt, die sich nur mit der Abwehr von Behinderungsanzeigen beschäftigen.

Die harten Bandagen hat der Baukonzern aber nicht erst jetzt angelegt. Auch der frühere Rege-Chef Hartmut Wegener bekam kurz nach den weihvollen Reden der Grundsteinlegung zu spüren, dass ihm mit dieser Baustelle noch einiges bevorsteht. "Ein heißer Ritt", sagte er seinerzeit. Was er nicht sagte: Schon bald ließen die entnervten Rege-Leute prüfen, ob ein kompletter Baustopp nicht sinnvoller wäre. Doch da war das Hamburger Prestigeprojekt schon zu weit vorangeschritten - und eine halb fertige Parkgarage als Bauruine mitten in der HafenCity wollte wohl niemand. Also ging es weiter mit harten Verhandlungen um Nachträge und Behinderungsanzeigen. Oft betroffen davon sollen Ausführungszeichnungen gewesen sein, die zu spät von den Architekten auf die Baustelle geliefert wurden. "Bei anderen Baufirmen wird so etwas nicht so eng gesehen, hier ist es extrem", so ein Insider. Rund 60 Hochtief-Leute sollen sich in Hamburg vor allem mit solchen Sachen beschäftigt haben, sagen Planer. Der Konzern sei eine "Rechtsabteilung mit kleinem, angeschlossenen Baubüro", heißt es bei Spöttern. Allerdings hatte Hochtief möglicherweise auch mit einer arg knappen Kalkulation zu kämpfen. Um rund 40 Millionen Euro hatte Wegener das Unternehmen zuvor heruntergehandelt. Später kletterten die Baustoffpreise und verhagelten offensichtlich die zuvor aufgestellten Berechnungen. Jahrelang war die Bauindustrie fallende Preise bei Beton, Stahl und Glas gewohnt, nach 2000 stiegen sie aber plötzlich an.

Im Sommer 2008 spitzten sich daher die Verhandlungen zu. Hochtief verlangte erstmals Millionen mehr. Doch Wegener wollte bessere Belege dafür sehen, zweifelte etliche Forderungen an. Und er bestand hartnäckig auf eine zusätzliche Generalquittung. Das hätte bedeutet: Hochtief verzichtet für alle Zukunft auf weitere Nachforderungen.

In der Hochphase der Auseinandersetzung zwischen Wegener und Hochtief entließ Bürgermeister Ole von Beust (CDU) seinen Rege-Chef, den er trotz SPD-Parteibuch übernommen hatte. Zwischen Wegener und Hochtief habe es zu starke "Verkanntungen" gegeben, so die Begründung.

Die von Wegener geforderte "Generalquittung" - eine Kostendeckelung - wurde bei dieser Gelegenheit gleich mit aufgegeben. Und so ging die Serie der Nachträge bis heute weiter.

Die Elbphilharmonie ist allerdings nicht die einzige Großbaustelle, die den Baukonzern gerade in einem eher unschönen Licht zeigt: Wegen Bauverzögerung am Weser Tower in Bremen ist der Hochtief Construction AG kürzlich als Bauunternehmen wieder gekündigt worden. Eigentlich wollte in den Glasturm das Energie- und Telefonunternehmen EWE bereits 2009 einziehen. Auch RTL beklagt schleppende Bauarbeiten bei seinem neuen Sendezentrum in Köln und machte dafür im RTL-Intranet Generalunternehmer Hochtief verantwortlich. Für den Sender werden die denkmalgeschützten Rheinhallen der Kölner Messe entkernt und renoviert, was an die Herausforderungen der Elbphilharmonie-Baustelle erinnert. Ursprünglich sollte der Sendebetrieb dort schon 2008 starten, jetzt wird ein Termin Mitte 2010 angepeilt. Hochtief kann all die Kritik nicht nachvollziehen. "Wenn wir etwas fordern, dann hat das seine Berechtigung", sagte Unternehmenssprecher Bernd Pütter dem Abendblatt.