Ali Foad Irantabar lebt seit 2001 in Deutschland. Er darf vorläufig bleiben, muss nicht zurück in den Iran. “Ich fühle mich wie neugeboren.“

Hamburg. In einem Gefangenentransporter hätte man ihn heute aus der Abschiebehaft zum Flughafen gefahren. Dann hätte man ihn, bewacht durch Bundespolizisten, auf einen der engen Sitze eines Linienfluges platziert. Das Ziel: die Islamische Republik Iran. Wenige Stunden später hätte das Flugzeug zur Landung in Teheran angesetzt. Und was dann passiert wäre, mag sich Ali Foad Irantabar gar nicht ausmalen.

Doch der 37-Jährige hatte Glück. Auf Initiative der GAL hat die Innenbehörde kurz vor seiner Abschiebung angekündigt, keine iranischen Staatsbürger, deren Duldung ausläuft, in den Iran zurückzuschicken. Grund: Seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl im Juni 2009 komme der Iran politisch nicht mehr zur Ruhe, so die innenpolitische Sprecherin der GAL, Antje Möller. "Trotz massiver Behinderungen der internationalen Presse erreichen uns immer wieder glaubwürdige Berichte über die anhaltende Verfolgung von Regimekritikern und Studenten."

Für Irantabar, der eine Woche im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis und dann mehrere Wochen in Abschiebehaft in der Justizvollzugsanstalt Billwerder saß, die ganze Zeit in Einzelhaft, ist diese Entscheidung wie ein zweiter Geburtstag: "Ich fühle mich wie neugeboren", sagt Irantabar blass, noch ganz unter dem Eindruck des Geschehens, in der Kanzlei seines Anwalts. Erst am Freitagmorgen war er aus der Abschiebehaft entlassen worden. Er hatte nicht mehr daran geglaubt.

Student und Regimekritiker, auf den 37-Jährigen passt beides. Früh organisierte er sich im Iran in oppositionellen Studentengruppen, verteilte Flugblätter, hielt Kontakt zu verbotenen Organisationen. Bis er verhaftet wurde, ein Freund im Gefängnis starb. 2001 geht Irantabar ins Exil. Nach Deutschland, wo seine Mutter bereits seit Jahren lebt. Er schreibt ein Buch, das sich gegen die iranischen Machthaber richtet, das im Nima-Verlag veröffentlicht wird, einem Verlag, der viele regimekritische Schriften verlegt. "Die Schreie meiner Feder" kommt nicht über die erste Auflage hinaus, doch das Buch könnte für Irantabar zum Stolperdraht werden. Denn den Schutz, den er in Deutschland erhoffte, erhielt er lange nicht.

"Ich hätte nie gedacht, dass er mit diesem Hintergrund in der Gefahr steht, in den Iran abgeschoben zu werden", sagt sein Anwalt Khisraw Hakimi. Bei seiner Rückführung wäre Irantabar definitiv als regimekritisch inhaftiert worden, glaubt Hakimi.

Zwei Asylanträge scheitern. Eine Familienzusammenführung mit einer Iranerin platzt, weil sie sich trennen, ehe sie offiziell zusammenleben könnten. Irantabar, Misshandlungen und Folter in einem iranischen Gefängnis vor Augen, klagt erfolglos. Sowohl das Oberverwaltungsgericht als auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weisen seinen Fall zurück, lehnen einen Status als politisch Verfolgter ab. Zuletzt Ende Dezember. "Doch die Urteile berufen sich in ihrer Begründung ausschließlich auf die Lage im Iran vor den im Juni begonnenen Auseinandersetzungen zwischen Regime und Opposition", sagt Anwalt Hakimi empört.

Dennoch: Obwohl vorerst kein Iraner abgeschoben wird, ist Irantabars Aufenthalt nicht langfristig gesichert. Der Abschiebestopp ist nicht formell, wie ihn Bundesländer im Alleingang für bis zu sechs Monate einrichten können. Er ist vorläufig und fallbezogen. "Jeder einzelne Fall geht jetzt über den Tisch des Senators", erklärt der Sprecher der Innenbehörde, Thomas Butter. "Eine schnelle und unkomplizierte Lösung, mit der in jedem Einzelfall genau geprüft wird, ob ein Iraner in seinem Heimatland Repressalien zu befürchten hat."

Was aber, wenn die Lage im Iran aus dem Blickfeld von Medien und Politikern rückt? Wenn die Maschine der Abschiebepraxis wieder anläuft? Irantabar und seinem Anwalt reicht das Erreichte nicht: Sie haben sich an den Eingabeausschuss des Senats gewandt. Heute wird entschieden, ob der Fall an die Härtefallkommission überwiesen wird. Gleichzeitig klagen sie gegen die Entscheidung des Bundesamts für Migration.

Ihr Ziel: eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung für den 37-Jährigen, damit er sein Psychologiestudium beenden, seine herzkranke Mutter pflegen, aber vor allem wieder ein normales Leben leben kann.