Die Nachforderung von 209 Millionen Euro sei “nicht nachvollziehbar“, sagt der Bauwissenschaftler Prof. Schlapka.

Hamburg. Der 23. Dezember 2008 war für die Hamburger Politik ein äußerst unerfreulicher Tag. Vor genau einem Jahr legte der CDU/GAL-Senat der Bürgerschaft eine erschütternde Botschaft unter den Weihnachtsbaum: Die Elbphilharmonie wird die Stadt nicht 114,3, sondern 323,3 Millionen Euro kosten. Eine Steigerung um 209 Millionen oder 183 Prozent.

Das Entsetzen war groß, vor allem bei der Opposition. SPD und Linke stimmten daher am 4. März in der Bürgerschaft gegen die Nachforderung der Baufirma Adamanta, einer Tochter des Hochtief-Konzerns. Jetzt, ein Jahr nach der schlechten Nachricht, sieht die SPD-Fraktion ihre Kritik bestätigt. In ihrem Auftrag hat der renommierte Münchner Bauwissenschaftler Professor Franz-Josef Schlapka den Nachtrag analysiert und kommt zu der vernichtenden Erkenntnis, dieser sei möglicherweise "unter Bedingungen zustande gekommen, die eine Anfechtung rechtfertigen". Begründung: Die ursprüngliche Forderung der Adamanta von 270,4 Millionen Euro sei "abseits jeglicher Realität" gewesen und habe enormes "Druckpotenzial" aufgebaut. Schlapka schreibt zwar nicht, welche Zahl realistisch gewesen wäre, aber die Botschaft zwischen den Zeilen ist deutlich: Die Stadt hat sich über den Tisch ziehen lassen.

Der Experte kritisiert vor allem, dass Adamanta ursprünglich allein für die Bauzeitverlängerung um 35 Monate 141,3 Millionen forderte. Das würde umgerechnet bedeuten, "dass die gesamte Bausumme nur aus Baustellengemeinkosten" bestehe, und zeige, dass der Generalunternehmer nicht pflichtgemäß gerechnet habe. Gemeinkosten beinhalten zum Beispiel das Einrichten der Baustelle, die Bereitstellung von Strom und Wasser und das Aufstellen von Containern Mobiltoiletten für Bauarbeiter. Die Bauzeit musste verlängert werden, weil die Stadt und private Investoren immer neue Anforderungen gestellt und sich der Bau komplizierter als angenommen dargestellt hatte. Letztlich wurde die Bauzeit zwar nur um 19 Monate verlängert und Adamanta dafür 36,8 Millionen Euro bewilligt. Doch auch das kann Schlapka "nicht nachvollziehen". Damit bestünden hochgerechnet die Gesamtkosten immer noch mehr als zur Hälfte aus Gemeinkosten, "was selbstverständlich nicht möglich ist".

"Unsere Bedenken haben sich noch verstärkt", sagt SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher. Bereits am 8. November schrieb er daher an Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) und bat sie, "die Möglichkeit einer Anfechtung zu prüfen". Außerdem bat er um ein Gespräch mit dem Bauexperten Professor Lothar Ruf, der die städtische Realisierungsgesellschaft ReGe berät. Auch Schlapka hatte seinen Kollegen bereits um Informationen gebeten. Ruf habe jedoch darauf verwiesen, dass ihn der Senat erst autorisieren müsse, er sei für ein Gespräch aber offen.

Umso überraschender die Reaktion der Kulturbehörde: keine. "Ich hatte schon erwartet, dass sich die Behörde wenigstens meldet", sagt Tschentscher. "Zumindest auf unseren bescheidenen Wunsch, dass unser Experte mal mit dem Berater des Senats reden darf, hätte die Senatorin eingehen können. Null Reaktion ist zu wenig." Angesichts der dramatischen Haushaltslage und einem Milliarden-Sparpaket wäre es im Interesse der Stadt, geringere Mehrkosten für das Konzerthaus durchzusetzen.

Vom Abendblatt auf den Vorgang angesprochen, sprach die Kulturbehörde von einem "bedauerlichen Versehen". Sprecher Karl Olaf Petters: "Wir werden Herrn Tschentscher antworten." Prompt ging gestern eine Mail bei dem SPD-Politiker ein. Schlapkas Kritik an der 141,3-Millionen-Forderung teile man zwar, so Petters. Daher seien nur 36,8 Millionen akzeptiert worden. Dass man aber unter Druck gesetzt worden und die Einigung daher anfechtbar sei, sieht die Behörde naturgemäß anders. Immerhin: Offiziell heißt es, man werde den Vorgang "prüfen".