Führungsduo kontra Bundestagsabgeordnete: Landeschef Rolf Salo setzt seine Linie beim Thema Bildung durch.

Hamburg. Vordergründig ging es auf dem Landesparteitag der FDP am Wochenende um Bildungspolitik. In Wahrheit wurde die Frage gestellt, wer in der Partei Macht und Mehrheiten hat. Dass die FDP gerade erst bei der Bundestagswahl mit 13,2 Prozent ein Traumergebnis erzielt hat, tat der Streitlust keinen Abbruch.

Die Ausgangslage: Auf der einen Seite stehen der Landesvorsitzende Rolf Salo und sein getreuer Stellvertreter Kurt Duwe mit ihren Anhängern. Auf der anderen Seite agieren die beiden Bundestagsabgeordneten Burkhardt Müller-Sönksen und Sylvia Canel, ebenfalls beide stellvertretende Parteichefs. Um es vorwegzunehmen: Es war ein schlechter Tag für Canel und Müller-Sönksen im Bürgerhaus Wilhelmsburg: Das Duo verlor zusammen mit den Bildungspolitikern der Partei alle wichtigen Abstimmungen. Salos Linie setzte sich durch.

Das galt auch für den einzigen wichtigen inhaltlichen Streitpunkt. Canel, die bildungspolitische Sprecherin ihrer Partei ist, hatte sich vehement für eine sehr weitgehende Variante schulischer Eigenständigkeit im Leitantrag "Agenda für Bildung" eingesetzt. "Schulen sollen freiwillig in ihren Schulkonferenzen mit deutlicher Mehrheit beschließen können, Angebote des längeren gemeinsamen Lernens bis zum Abschluss der Klassenstufe 6, 10 oder länger einzuführen", hieß es in dem Antrag. "Über die Schulstruktur sollen die Schulen selbst und nicht die Bürgerschaft entscheiden", sagte Canel.

Die Bildungsexpertin sieht in dieser Form schulischer Selbstbestimmung die konsequente Fortsetzung "freiheitlicher" Politik. Aber es wäre ein Stück aus dem Tollhaus gewesen, wenn der FDP-Parteitag diesen Passus beschlossen hätte. Denn die Liberalen sind die einzige Partei, die das Volksbegehren für den Erhalt der Trennung nach Klasse vier unterstützt. Am Vortag noch hatten Vertreter der Initiative "Wir wollen lernen" auf dem Parteitag gesprochen.

"Der Vorschlag, dass jede Schule selbst über ihre Struktur entscheidet, erschreckt mich. Ich halte das für nicht praktikabel", sagte Karena Hinze, Vorsitzende der FDP Mitte. Andere Liberale fragten sich, in welchen zeitlichen Abständen sich die Schulen neu entscheiden könnten und wer für die daraus resultierenden Kosten aufkomme.

Salo und seine Gruppe wollten den Passus streichen und setzten sich durch. "Es muss einen staatlichen Rahmen für die Schulstruktur geben, und es muss klar sein, welches Modell die FDP vertritt", sagte Parteivize Duwe. Dass es nur in diesem Fall um Inhalte und ansonsten um Macht ging, zeigte die Generaldebatte. Zweieinhalb Stunden stritten die Liberalen darüber, ob der Leitantrag des Landesvorstands oder der des Landesfachausschusses Bildung Grundlage der Beratung von sage und schreibe 98 Änderungsanträgen sein sollte.

Wie absurd der Streit war, belegt, dass beide Seite behaupteten, zu 98 Prozent seien ihre Anträge gleich. Die Liberalen hätten also ohne lange Debatte darüber einen der beiden Anträge nehmen und über die strittigen Punkte abstimmen können. Aber es ging auch hier darum, wer sich durchsetzte. Salo und Duwe ging der als zu keck empfundene Führungsanspruch der Bildungspolitiker zu weit, sie behielten auch hier die Oberhand. "Ich habe manchmal den Eindruck, dass der Landesfachausschuss Bildung dem Landesvorstand etwas vorschreiben will", sagte Duwe. Ein anderer meinte, hier wolle der Schwanz mit dem Hund wedeln. "Die Diskussion ist stark geprägt von Eitelkeiten. Es geht hier nicht primär um Inhalte", sagte der Altonaer FDP-Politiker Carl Edgar Jarchow.

Besonders angespannt ist das Verhältnis zwischen Salo und Müller-Sönksen. Als der souveräne Parteitagspräsident Gerhold Hinrichs-Henkensiefken Müller-Sönksen scharf rügte, weil er ein Papier ohne Erlaubnis des Präsidiums an die Delegierten verteilt hatte, klatschte niemand so heftig wie Salo. Kurios: Die beiden Kontrahenten saßen direkt nebeneinander. Nach rund siebenstündiger Debatte verabschiedete der Parteitag mit sehr großer Mehrheit den Leitantrag "Agenda für Bildung". Außer mehr Eigenständigkeit für die Schulen und bessere Frühförderung fordert die FDP die Einführung eines Bildungsgutscheinsystems, das sich an den Pro-Kopf-Schülerkosten orientiert.