Der Hamburger Ver.di-Chef Wolfgang Rose geht in den Ruhestand - in seiner Gewerkschaft schwelt ein Konflikt um den Grundsatz von Gewerkschaftern.

Hamburg. Es war ihm anzumerken, dass ihm diese Debatte auf den Magen schlägt. Nach 30 Jahren hauptamtlicher Gewerkschaftsarbeit, davon elf Jahre als Hamburger Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, musste Wolfgang Rose ausgerechnet in den Tagen vor seinem Abschied miterleben, wie sich seine eigenen Leute gegenseitig in die Pfanne hauen. Am Freitag, als eigentlich nur sein Nachfolger Wolfgang Abel gewählt werden sollte, hatten die Ver.di-Mitglieder drei Stunden lang verbal aufeinander eingedroschen (das Abendblatt berichtete). Es ging im Grundsatz um den Konflikt von Gewerkschaftern, die gleichzeitig Politiker sind, und konkret um die Frage, ob Roses Stellvertreterin, SPD-Mitglied Angelika Detsch, als Deputierte der Sozialbehörde Kürzungen zustimmen durfte, die Ver.di eigentlich ablehnt.

"Wenn ich ehrlich bin, kann ich noch nicht richtig loslassen und muss mich zwingen, die Situation meinem Nachfolg-Wolfgang zu überlassen", sagte Rose bei seiner dennoch sehr feierlichen Verabschiedung im Thalia-Theater. Auf den Konflikt selbst ging der bald 65-Jährige nicht direkt ein. Aber dass er Detsch ausdrücklich für 25 Jahre gute Zusammenarbeit dankte, war ein klares Statement - und ein für ihn typisches.

Ungewöhnlich für führende Gewerkschafter hat Rose oft eine relativ sachliche Position vertreten, den Dialog mit dem politischen Gegner der offenen Konfrontation vorgezogen. Klar wusste er, dass man Arbeitnehmerherzen wärmt, indem man öffentlich die Namen der reichsten Hamburger verliest. Die Forderung nach einer höheren Besteuerung Vermögender ist fest in seinen Wertekompass eingebrannt. Aber seine wahre Wirkung entfaltete der gebürtige Bremer eher unauffällig.

So wie 2011. Seinerzeit stellte der neue SPD-Senat seinen ersten Etat auf und zementierte damit die Kürzung des Weihnachtsgelds für Beamte. De facto setzte er aber nur das um, was der kurz zuvor abgewählte CDU/GAL-Senat bereits an Einsparungen eingeplant hatte. Als SPD-Bürgerschaftsabgeordneter und als Ver.di-Chef hatte sich Rose dafür eingesetzt, dass die Kürzungen etwas milder ausfallen, durchaus mit Erfolg. Umso mehr traf es ihn, dass er auch aus Gewerkschaftskreisen angefeindet wurde, weil er nicht gegen die Kürzungen gestimmt, sondern an der Abstimmung nicht teilgenommen hatte.

+++ Streit überschattet Wahl des Ver.di-Chefs +++

Roses Werdegang war früh vorgezeichnet. Als er 1966 eine Lehre zum Bankkaufmann bei der Haspa begann, empfing ihn die Betriebsratsvorsitzende von der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft mit den Worten: "Wir sind hier alle bei der DAG, und das, was du ausgezahlt bekommst, haben wir erstritten. Unterschreib hier mal", berichtete Rose bei seinem Abschied. "Und dann habe ich unterschrieben." Seitdem war er fast immer ein Interessenvertreter im wahren Wortsinn. Ob während seines Sozialpädagogikstudiums im AStA der Uni Hamburg, nach seinem SPD-Eintritt 1971 bei den Jusos, in der kirchlichen Jugendarbeit, von 1982 an als hauptamtlicher Gewerkschafter bei der ÖTV und von 2001 an als Chef der neuen Gewerkschaft Ver.di - Rose kümmerte sich stets um die belange anderer, meist Benachteiligter.

So erinnerte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) im Thalia an den gemeinsamen Kampf für Mindestlöhne. Dabei gehe es nicht nur darum, dass arbeitende Menschen von ihrem Gehalt leben können, sondern auch um den Stolz auf das Geleistete, es sei auch ein "Kampf um Ehre", so Scholz. Dieser Aspekt der Würdigung von Arbeit sei Rose immer wichtig gewesen. Der Ver.di-Bundesvorsitzende Frank Bsirske würdigte Rose als "Institution" der Gewerkschaftsszene: "handlungsorientiert, nüchtern-pragmatisch - norddeutsch halt".

Dass einer wie Rose, ein Kulturfreund, der mit seiner Frau, den Töchtern und Enkelkindern die schönen Seiten des Lebens zu genießen weiß, im Thalia-Theater verabschiedet wurde, war natürlich kein Zufall. Und es bescherte ihm gleich eine Aufgabe für die Zukunft. Ensemble-Sprecher Tilo Werner bat Bürgermeister Scholz zu Beginn darum, das Thalia finanziell nicht länger um sechs Millionen Euro schlechter zu stellen als das Schauspielhaus: "Wir verstehen nicht, warum wir so ungerecht behandelt werden." Ungerechtigkeit - diesen Ball musste Rose, der ja Abgeordneter bleibt, natürlich aufnehmen. Das Thalia verdiene eine gute Ausstattung, sagte er und betonte: "Ich werde meinen Teil dazu beitragen."