“Keine Spielchen mehr“ lautete vor einem Jahr die Ansage der Kultursenatorin in Richtung Hochtief. Bis zuletzt wurde um Einigung gerungen.

Eigentlich war alles bereitet für ein High Noon an der Elbe. Das Schreiben der Stadt vom 12. April war so unmissverständlich, dass allen klar war: Am 31. Mai wird etwas passieren, so oder so. Entweder hat der Baukonzern Hochtief bis dahin das Saaldach über der Elbphilharmonie auf das Gebäude abgesenkt und baut dann auch am Rest des Konzerthauses weiter. Oder die Stadt würde ihr "Kündigungsrecht wegen unberechtigter Leistungsverweigerung" ausüben, wie sie es angedroht hatte.

Doch im Laufe dieser Woche zeichnete sich ab, dass so richtig weder das eine noch das andere geschehen würde. Noch am Morgen des 30. Mai waren die Positionen völlig verhärtet, auch wenn das niemand offiziell sagen mochte. Hinter vorgehaltener Hand hieß es von städtischer Seite, es sehe gut aus, man werde sich wohl einigen. Auf die Frage, wie das denn funktionieren solle, schließlich könne das 2000 Tonnen schwere Dach doch unmöglich innerhalb von 24 Stunden mal eben bewegt werden, wurde bereits angedeutet, das mit dem 31. Mai sei ja nicht unbedingt als "Ultimatum" gemeint gewesen.

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Bei Hochtief war entsprechend zu hören, man werde das Dach ganz sicher nicht absenken - weil die Bedenken hinsichtlich der von der Stadt zu verantwortenden Statik nicht ausgeräumt seien. Eine "Einigung", gar ein gemeinsamer Auftritt von Kultursenatorin Barbara Kisseler mit einem Hochtief-Chef nach dem Motto "Seht her, wir haben uns wieder lieb und streiten jetzt nicht mehr über Kosten und Termine" schien unter diesen Voraussetzungen undenkbar - obwohl Kisseler das im Grundsatz begrüßt hätte.

Doch noch im Laufe des 30. Mai kam dann Bewegung in die Sache. Dabei soll auch ACS, der spanische Mutterkonzern von Hochtief, seine Leute in Essen und Hamburg zum Einlenken gedrängt haben. Jetzt lief die Sache auf höchster Ebene weiter. Obwohl die Frist 31. Mai von der städtischen Realisierungsgesellschaft ReGe, die das Projekt betreut, gesetzt worden war, antwortete Hochtief nun direkt an die Kultursenatorin - aber nicht zu deren Freude. Denn das Fax, das am Mittwochabend in der Behörde einging, fiel deutlich hinter das zurück, worüber man sich zuvor einig geworden war. Also schrieb Kisseler zurück und wies nachdrücklich auf diesen Makel hin. Erst am 31. Mai, kurz vor Ablauf der Frist, ging schließlich eine halbwegs befriedigende Antwort ein.

"Keine Spielchen mehr", lautete vor einem Jahr Kisselers Ansage in Richtung Hochtief. Doch genau danach sah es nun wieder aus. Denn in der Pressemitteilung des Baukonzerns vom gleichen Tag war von Einigung überraschend wenig zu lesen. Man bereite die Baustelle nur "auf eine Absenkung des Saaldaches vor" und sei nach wie vor der Auffassung, dass die Konstruktion "überlastet" sein könnte. Eine Verstärkung sei weiterhin notwendig. Möglicherweise müssten die Arbeiten dafür wieder abgebrochen werden. Und überhaupt "verweigere" die Stadt ja die Kooperation, weil sie ihre Gutachten, wonach das Dach sicher sei, nicht herausrücke. Das war nicht gerade der Stil, in dem man eine Einigung ausdrückt.

Offensichtlich gab es aber Diskrepanzen zwischen der Mitteilung des Konzerns und dem, was man der Stadt zugesagt hatte. Denn als Kisseler sich wenig später zu Wort meldete, verkündete sie vier konkrete Einigungspunkte - unter anderem habe Hochtief einem Schiedsgerichtsverfahren für strittige Forderungen zugestimmt. Nur so war zu verstehen, warum die Senatorin mitteilte, das Schreiben des Konzerns stimme sie "vorsichtig optimistisch". Tatsächlich liefen unmittelbar danach die Gespräche über die Zukunft des Projekts an - das ist dann doch mehr Einigung, als Hochtief zugegeben hatte.

Mittlerweile bekommt die Geschichte sogar eine leicht persönliche Note. Denn während in früheren Senaten die Elbphilharmonie wie eine heiße Kartoffel von einem zum anderen gereicht wurde, hat mit Kisseler erstmals eine Kultursenatorin das Projekt mit all seinen Problemen energisch angepackt. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ist zwar über alle wesentlichen Schritte informiert und an jeder Weichenstellung mindestens beteiligt. So entspricht der harte Kurs der Senatorin gegen Hochtief der Sichtweise des Bürgermeisters, keine weiteren Zugeständnisse zu machen. Aber die Umsetzung vertraut er der parteilosen Expertin an, die schon als Chefin der Berliner Senatskanzlei ihre taktischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt hatte.

Mit dem Vertrauen in Kisseler ist Scholz nicht allein. Trotz etlicher weiterer ungelöster Baustellen wie der Situation der historischen Museen genießt die Kultursenatorin einen sehr guten Ruf - auch außerhalb von Regierungskreisen. Ein kleines, aber bezeichnendes Indiz: Als kürzlich die Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Sylvia Canel die Fragen aufwarf, welche Rolle Kisseler beim Bau des Berliner Großflughafens gespielt habe und einen Zusammenhang zum Bau der Elbphilharmonie herstellte, meldete sich ihr Parteikollege Ralf Lindenberg zu Wort. "Unerhört" sei dieser Vergleich, schrieb der frühere Schatzmeister der Liberalen und betonte, für Kritik an Kisseler gebe es keine Mehrheit in der Partei, im Gegenteil: "Für die Hamburger Kulturbetriebe und Kulturschaffenden ist die parteilose, hochqualifizierte und engagierte Professorin ein großer Gewinn."

Trotz derartiger Lobeshymnen soll sich die Senatorin aber mit dem Gedanken tragen, nach der Wahl Anfang 2015 Schluss zu machen, sie wäre dann Mitte 60. Fraglich ist, wer dann neben dem Bürgermeister die Elbphilharmonie eröffnen wird - denn dass die vorher fertig wird, daran glauben nicht mal notorische Optimisten.